Neues DIW-Roundup
In Deutschland sind verschiedene Energieträger unterschiedlich mit Abgaben und Umlagen belastet – sowohl in Bezug auf den Energiegehalt selbst, als auch auf CO2-Emissionen. Ein neues am 26.03.2029 veröffentlichtes sogenanntes Roundup des DIW (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung Berlin) von Andrea Dertinger und Wolf-Peter Schill gibt einen systematischen Überblick über bestehende Vorschläge zur Umgestaltung der Belastungen. Sie zielen meist darauf ab, Strom günstiger zu machen und Heiz- und Kraftstoffe zu verteuern. Dabei werden auch die Motive für mögliche Reformen sowie Kriterien zur Bewertung verschiedener Ausgestaltungsoptionen kurz diskutiert.
Agora-Energiewende hat bereits im November 2018 unter einem fast wortgleichen Titel („Eine Neuordnung der Abgaben und Umlagen auf Strom, Wärme, Verkehr“) eine ähnliche Ausarbeitung veröffentlicht, die Autoren Patrick Graichen und Thorsten Lenck beschränkten sich darin aber auf „Optionen für eine aufkommensneutrale CO2-Bepreisung von Energieerzeugung und Energieverbrauch“ (siehe solarify.eu/neuordnung-der-abgaben-und-umlagen-auf-strom-waerme-verkehr).
Ausgangslage: Unterschiedliche Belastung mit Abgaben und Umlagen
Die Belastung verschiedener Energieträger mit Abgaben und Umlagen unterscheidet sich nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern erheblich (Löschel et al. 2017). Aus Sicht kleiner und mittlerer, nicht-privilegierter Letztverbraucher (insbesondere privater Haushalte) ist elektrischer Strom bezogen auf den Energiegehalt am stärksten belastet, gefolgt von Benzin und Dieselkraftstoff. Deutlich geringer ist die Belastung bei den Heizstoffen Heizöl und Erdgas. Im Jahr 2018 wurde Strom für Haushaltskunden durch die Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) mit knapp sieben und durch die Stromsteuer mit etwa 2 ct/kWh belastet. Hinzu kam eine grob geschätzte durchschnittliche Belastung von etwas unter 1 ct/kWh durch das europäische Emissionshandelssystem, unter der Annahme einer vollständigen Einpreisung der durchschnittlichen Zertifikatspreise des Jahres 2018. Benzin und Diesel waren durch die Energiesteuer mit gut sieben bzw. knapp 5 ct/kWh geringer belastet. Wesentlich niedriger war die Energiesteuer bei den Heizstoffen Heizöl und Erdgas mit je nur gut 0,5 ct/kWh. Hinzu kam die Mehrwertsteuer, die auch auf Abgaben und Umlagen erhoben wird. Den unterschiedlichen Produktpreisen folgend war auch sie beim Strom mit Abstand am höchsten, gefolgt von den Kraft- und Heizstoffen.
Bezieht man diese Abgaben und Umlagen sowie beim Strom die Zertifikatskosten aus dem EU-Emissionshandel nicht auf den Energiegehalt einzelner Energieträger, sondern auf ihre (direkten bzw. bei Strom indirekten) CO2-Emissionen, so ergeben sich stark unterschiedliche CO2-bezogene Belastungen. Elektrischer Strom war im Jahresdurchschnitt 2018 mit knapp 200 Euro pro Tonne CO2 (€/tCO2) sehr stark belastet. Bei den Heiz- und Kraftstoffen hängt die Höhe der CO2-bezogenen Belastungen stark von der Wahl der Berechnungsgrundlage ab. Bezieht man die CO2-Emissionen ausschließlich auf den Teil der Energiesteuer, der im Zuge der ökologischen Steuerreform seit 1999 mit explizitem Umweltbezug hinzukam, ergeben sich bei Benzin und Diesel Belastungen von knapp 65 bzw. knapp 58 €/tCO2, bei Heizöl und Erdgas sind es nur knapp acht bzw. 18 €/tCO2. Eine derartige Berechnung kann als Untergrenze für die CO2-bezogene Belastung betrachtet werden unter der Annahme, dass der historische Sockel der Energiesteuern („Mineralölsteuern“) vor der ökologischen Steuerreform nicht durch eine Internalisierung von CO2-Emissionen begründet war, sondern durch andere Externalitäten oder den Finanzierungsbedarf für die Straßeninfrastruktur. Bezieht man hingegen die gesamte Energiesteuer auf die CO2-Emissionen der Heiz- und Kraftstoffe, ist die CO2-bezogene Belastung bei Benzin deutlich höher als beim Strom; beim Diesel ist sie fast so hoch wie beim Strom. Dabei würde die implizite Annahme getroffen, dass mit der Steuer keine anderen Umweltexternalitäten des Verkehrs internalisiert werden sollen, z.B. lokale Schadstoffe oder Lärm.
Motive für eine Reform der Umlagen, Abgaben und Steuern
Die aktuelle Debatte um eine Neuausrichtung der Umlagen, Abgaben und Steuern auf verschiedene Energieträger beruht auf verschiedenen Überlegungen. Zunächst einmal kann eine heterogene CO2-Bepreisung aus volkswirtschaftlicher Lehrbuchperspektive grundsätzlich effiziente Emissionsminderungen behindern. Insbesondere sind die Anreize zu Emissionsminderungen, beispielsweise durch Energieeffizienzsteigerungen, in den bisher relativ wenig dekarbonisierten Wärme- und Verkehrssektoren gegenüber dem Stromsektor gering. Es werden durch die Belastungsstruktur auch keine Anreize gegeben für Investitionen in die sogenannte Sektorenkopplung. Dabei handelt es sich um eine flexible Nutzung von erneuerbarem Strom im Wärme- und Verkehrsbereich. Eine verstärkte Sektorenkopplung gilt als wichtiger Baustein zur Umsetzung der energie- und klimapolitischen Ziele der Bundesregierung (vgl. BMWi 2016).
Drei Gruppen von Reformansätzen
Die in der Literatur diskutierten Reformvorschläge lassen sich grundsätzlich drei Gruppen zuordnen.
- Ansätze für eine stärkere und CO2-basierte Bepreisung fossiler Energieträger bei Heiz- und Kraftstoffen sowie in der Stromerzeugung, insbesondere die Einführung einer zusätzlichen CO2-Komponente in die Energiesteuer
- Ansätze für Reformen einzelner Strompreisbestandteile wie Verminderungen der Stromsteuer oder der EEG-Umlage
- Grundlegende, sektorenübergreifende Neuausrichtung von Abgaben und Umlagen am jeweiligen CO2-Gehalt der Energieträger
Einige der Vorschläge beinhalten auch sektorenübergreifende Kombinationen mehrerer Ansätze.