Eckpunkte der Bundesregierung durchgesickert

Im Wortlaut: Das Energiekonzept 2038 von Olaf Scholz

„Der Kohleausstieg ist nun beschlossene Sache, Dank des Kohleausstiegs werden wir die Klimaziele in der Energiewirtschaft in 2030 erreichen können, Tatsache ist aber auch, dass wir mit dem Ende der Kohleverstromung bis zum Jahr 2038 unsere komplette Energieversorgung umbauen müssen, Eine umfassende Energiewende. wie wir sie uns vorgenommen haben, hat vor uns noch kein Industrieland konsequent umgesetzt. Wir sind bereits auf einem guten Weg, vieles wird sich aber noch ändern müssen, Und deshalb muss heute die gesamte Energiepolitik der Bundesregierung auf den Prüfstand.

Warum ist das so wichtig? Weil wir gerade als Industrienation zu jeder Zeit und für jeden Bürger und jedes Unternehmen eine absolut sichere Versorgung mit erschwinglichem Strom brauchen, Die Kohle war das Fundament unserer Energieversorgung. Jetzt brauchen wir ein neues, ein anderes Fundament, das auf vielen Pfeilern steht. Und wir müssen heute alles dafür tun, dass dieses Fundament in Zukunft so sicher und verlässlich steht wie das bisherige – und dass in der Übergangsphase nichts ins Schwanken kommt Denn Strom fließt oder er fließt nicht. Ein bisschen Versorgung funktioniert nicht. Deshalb ist es so wichtig, den Ausbau der Energieversorgung und der Netze in den Blick zu nehmen,

Die bisherigen Anstrengungen sind angesichts dieser Herausforderungen nicht genug, Es reicht nicht, Klimaziele auf dem internationalen Parkett zu versprechen. Es reicht nicht, darauf zu hoffen, dass der Markt alleine schon irgend wie die nötigen Anreize für ein neues klimafreundliches Energiesystem mit an seinen unterschiedlichen, oft neuartigen Komponenten setzt – Komponenten, die bedarfsgerecht.und effizient ineinandergreifen müssen. Es reicht auch nicht, immer wieder neue Netzausbauszenarien vor sich her zu tragen, wohlwissend, dass der Ausbau kaum vorankommt.

Wenn Industrie und Bundesregierung nicht handeln, kann das auch außerhalb des Energiesektors sehr teuer werden, Denn Deutschland ist einer der wenigen EU-Staaten, die ihr Klimaziel in den Sektoren verfehlen, die nicht unter das EU-Emissionshandelssystem fallen, wie z. B. der Verkehrs- oder der Gebäudesektor. Für jede Tonne CO2, die wir hinter den verbindlichen jährlichen EU-Zielen zurückbleiben, müssen wir aus dem Bundeshaushalt anderen Staaten Verschmutzungsrechte abkaufen. So könnten jährliche Verpflichtungen in Milliardenhöhe auf uns zukommen, Wenn die Energiewende gelingen soll und wir höhere Zahlungen für verfehlte Klimaziele vermeiden wollen, brauchen wir zwei Jahrzehnte der privaten und auch öffentlichen Investitionen in die sektorübergreifende Transformation vor allem des Energie- und Mobilitätssystems.

Deshalb sollte die Bundesregierung ein zukunftsfähiges Energiekonzept 2038 mit klar definierten Meilensteinen erarbeiten und die wesentlichen Grundsatz- und Querschnittfragen im neu eingerichteten „Klimakabinett“ beraten. Das Datum 2038 ist eine wichtige und symbolische Zwischenetappe. Die Vorgaben des vom BMU vorgelegten Entwurfs eines Klimaschutzgesetzes sind dabei maßgebend. Die zuständigen Ressorts werden für „ihre“ Sektoren Vorschläge zum Erreichen der Klimaziele entwickeln. Das Energiekonzept sollte u.a, folgende Maßnahmen beinhalten.

  • Netzplan und Netzausbau 2038: Die Planung der Strom- und Gasnetze muss vorausschauend auf das Jahr 2038 ausgerichtet werden. Bei der Strom- und Gasnetzplanung müssen die energie- lind klimapolitischen Entscheidungen auf Bundes- und EU-Ebene vollständig zugrunde gelegt werden:

– Kohleausstieg bis 2038
– Klimaschutzplan 2050 und Klima-Sektorenziele 203
– Ausbau der erneuerbaren Energien auf 65 % in 2030
– Ausbau der Ladeinfrastruktur im Einklang mit Flottengrenzwerten 2030
– Interkonnektorenöffnung bis zu 70 % bis 2025

Unser Ziel muss sein, das Netz frühzeitig und vollständig ausgebaut zu haben, schort bevor das letzte Kohlekraftwerk vom Netz geht. Wenn die Energiewende erfolgreich sein soll, müssen wir die Netze schneller ausbauen und bestehende Netze besser nutzen. Die nächste Novelle des Bundesbedarfsplans 2020 muss den Ausbau der Übertragungsnetze so konkret wie möglich festschreiben. Die zuständigen Behörden müssen die nötigen Planungsbeschleunigungsbefugnisse bekommen.

  • Ausbau der erneuerbaren Energien 2038; Der weitere Ausbau der Erneuerbaren Energien muss verlässlich organisiert werden, Wir brauchen klare Rahmenbedingungen und Planungs- und Investitionssicherheit für Investoren.
  • Versorgungsmix 2038: Wir brauchen Klarheit, wie die Versorgung mit Strom und Wärme in der Übergangsphase bis und nach dem Kohleausstieg gewährleistet werden soll, Der Versorgungsmix macht klar, welche Technologien, welche Instrumente und welche Anlagen am Markt sein müssen, damit das Licht an bleibt, die Wohnung warm ist und unsere Industrie auch zukünftig verlässlich produzieren kann. Auf dieser Basis können wir sehen, welche Technologien uns noch fehlen und ggf gefördert werden müssen.
  • Versorgungssicherheit 2038: Versorgungsicherheit ist die Gewissheit, dass das Licht auch dann an ist, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint und unsere Industrie zu jeder Sekunde zuverlässig mit Strom versorgt wird. Unser Versorgungssicherheitsniveau muss so wie bisher beim Maximum liegen. Dafür brauchen wir auch weiterhin einen hohen Anteil regelbarer Energien aber auch mehr Flexibilität,
    Lastmanagement und Effizienz auf der Nachfrageseite, Der anstehende Versorgungssicherheitsbericht des BMWi sollte vor Veröffentlichung im Klimakabinett beraten werden,
  • Wasserstoff 2038: In unserem zukünftigen Versorgungsmix wird Wasserstoff eine wichtige Rolle spielen, Wasserstoffanlagen sind regelbare Energie. Heute steckt die Technologie noch in den Kinderschuhen. Wir müssen jetzt die richtigen Weichen stellen, damit Wasserstoff langfristig effizient und erfolgreich genutzt werden kann, Dazu gehören insbesondere die Grundlagenforschung und Pilotanlagen. Und es ist wichtig, die Entwicklung der Gasnetze mitzudenken.
  • Kraft-Wärme-Kopplung 2038; KWK-Anlagen, die Kohle oder Gas in Strom und Wärme umwandeln, sind beute eine Säule unserer Energieversorgung. Die KWK ist dezentral, häufig kommunal und kann zunehmend flexible und klimafreundlich ausgestaltet werden. In Zukunft kommen erneuerbare Wärme, Biogas, Wärmespeicher, Wasserstoff und andere Technologien hinzu, Die KWK wird vielfältiger. Das KWK-Gesetz setzt heute nur einen kurzfristigen Entwicklungsrahmen. Damit aber sicher investiert werden kann, sollten wir das KWK-Gesetz so anpassen, dass es zum Kohleausstieg passt und die KWK eine Perspektive im neuen Energiesystem hat. Auch müssen wir das Wärmenetz der Zukunft bauen, damit wir netztechnische Engpässe wie beim Stromnetz verhindern können,
  • Sektorkopplung 2038:  Es ist wichtig, dass wir nicht nur auf die Stromversorgung schauen, sondern die Sektoren Strom, Verkehr und Wärme zunehmend als ein Energiesystem verstehen, Sektorkopplung bedeutet, dass zunehmend erneuerbare Energie zwischen diesen Sektoren ausgetauscht werden kann, Dafür brauchen wir die nötige Infrastruktur (von Stromnetzen über Wärme- und Gasnetze bis hin zur Ladeinfrastruktur) und die nötigen Anlagen, In diesem Zusammenhang sollten wir auch über eine ausgewogene Reform der Abgaben und Umlagen nachdenken, die eine effiziente Sektorkopplung und Power-to-X-Technologien voranbringt.
  • Binnenmarkt 2038: Deutschland ist keine Insel. Strom fließt in unser Land, aus unserem Land heraus und durch unser Land hindurch. Elektronen halten sich nicht an Landesgrenzen, Deshalb sind Netzausbau, Versorgungssicherheit, Stromhandel und vieles mehr letztendlich nur gemeinsam mit unseren Nachbarländern zu gewährleisten. Technik und Ökonomie haben das bereits verinnerlicht. Politisch hingegen sollten wir uns intensiver mit unseren Nachbarländern zu den gemeinsamen Regeln des Binnenmarktes und insb. zu unserem jeweiligen Verständnis von Versorgungssicherheit abstimmen, Ein Versorgungsengpass in Frankreich kann auch in Deutschland zu einem Problem führen und umgekehrt. Wir brauchen hier auch politisch ein klares gemeinsames Verständnis, gemeinsame Regeln und eine gemeinsame Absicherung.
  • Mobilität 2038: Mit der Transformation unseres Verkehrssektors durch Digitalisierung, Elektrifizierung, Klimaschutz und andere Megatrends steht unsere gesamte Volkswirtschaft vor einem tiefgreifenden Wandel und einer enormen Belastungsprobe. Der Energie- und der Verkehrssektor lassen sich immer weniger voneinander trennen. Die Transformationsaufgabe liegt vor allem bei der Industrie, aber ohne einen aktiven und unterstützenden Staat wird es nicht funktionieren, Die Industrie wird in den nächsten Jahren massiv in e-Mobilität investieren. Zugleich brauchen wir eine langfristige Strategie der gezielten und verlässlichen Förderung von Elektro- und Plug-In-Hybrid-Fahrzeugen, für neue Mobilitätskonzepte und eine ausreichenden Ladeinfrastruktur. Ein Element dieser Strategie ist eine langfristige und verlässliche steuerliche Förderung von Dienstfahrzeugen. In einer Industriepartnerschaft zwischen Industrie und Bund sollten wir den Transformationspfad konkretisieren und umsetzen. Hierzu gehört auch eine Verständigung zwischen der Automobilindustrie und den Betreibern der Verteilnetze, um einen vorausschauenden Ausbau der Netze vor Ort zu realisieren.“

->Quellen: