Erhalt eines Teilstücks als Ort der Erinnerung
Symbolisches Datum für die Anti-Atom-Bewegung: Die Mauer rund um das Gelände des Bergwerks Gorleben wird abgerissen, so eine gemeinsame Pressemitteilung des Bundesumweltministeriums mit der Bundesgesellschaft für Endlagerung. Ein Teilstück soll auf Initiative des Landkreises Lüchow-Dannenberg und der Bürgerinitiative (BI) Lüchow-Dannenberg als Ort der Erinnerung erhalten werden.
Gewürdigt wurde dies am 15.04.2019 mit einem gemeinsamen Termin, an dem auch der Staatssekretär im Bundesumweltministerium Jochen Flasbarth sowie der Vorsitzende der Geschäftsführung der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) Stefan Studt teilnahmen. Das ehemalige Erkundungsbergwerk befindet sich im sogenannten Offenhaltungsbetrieb. Umwelt-Staatssekretär Flasbarth: „Mit dem Erhalt eines Teilstücks der Mauer bewahren wir die Erinnerung an einen tiefgreifenden gesellschaftlichen Konflikt in unserem Land. Die Gorlebener Mauer steht als Symbol für die Jahrzehnte dauernde Auseinandersetzung um die Atomenergie in Deutschland. Die nächste große Herausforderung besteht darin, ein Endlager für Deutschlands hochradioaktive Abfälle zu finden. Diese Aufgabe gehen wir in einem wissenschaftsbasierten und transparenten Verfahren an, ohne bestimmte Regionen zu bevorzugen und ohne bestimmte Regionen von vornherein auszuschließen. Die weiße Landkarte gilt – auch für das Bergwerk Gorleben. So ist es im Standortauswahlgesetz festgehalten, und so wird das auch umgesetzt.“
Bei der Suche nach einem Endlager für hochradioaktive Abfälle wertet die BGE derzeit vorhandene Geodaten von Landes- und Bundesbehörden aus, um sogenannte Teilgebiete zu ermitteln, in denen eine weitere Erkundung erfolgversprechend erscheint. Das Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE) bereitet gleichzeitig die Bürgerbeteiligungsschritte vor, die im Standortauswahlgesetz vorgesehen sind. Das Nationale Begleitgremium (NBG) unter Vorsitz von Prof. Miranda Schreurs und Ex-Umweltminister Klaus Töpfer begleitet den Auswahlprozess kritisch und vermittelnd.
Geschichte
Ende der 1970er Jahre hatte die damalige niedersächsische Landesregierung mit Zustimmung der Bundesregierung Gorleben als Standort für ein nukleares Entsorgungszentrum einschließlich eines Erkundungsbergwerks für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle bestimmt. Mit der Errichtung des Bergwerks wurde 1986 begonnen. Im Zuge der Verhandlungen über den Atomausstieg war im Jahr 2000 zunächst ein zehnjähriges Moratorium für die Erkundung des Salzstocks beschlossen worden. Im Zusammenhang mit der 2009 zunächst beschlossenen Laufzeitverlängerung hatte man sich auf die Wiederaufnahme der Erkundung geeinigt. Endgültig gestoppt wurde die Erkundung im Jahr 2013 mit Verabschiedung des Standortauswahlgesetzes. 2014 schließlich einigten sich Bund und Land auf einen Rückbau des Bergwerks und seine Offenhaltung im Zuge des Standortauswahlverfahrens. Zu diesem Beschluss gehört auch der Rückbau der Mauer. Seither wurden Maschinen und Geräte aus dem Bergwerk entfernt und die Strecken unter Tage weitgehend abgesperrt, Stromleitungen entfernt, Infrastruktur zurückgebaut.
Die Mauer um das Bergwerksgelände wird nun in den kommenden Wochen abgerissen werden, berichtet die zuständige Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE). Die BGE hat sich bereit erklärt, bei der Erfüllung des Wunsches der BI nach einem Ort der Erinnerung behilflich zu sein. Die BGE übergibt einen Abschnitt der Mauer sowie ein Gebäude an den Landkreis und die BI. Die BGE wird dafür Sorge tragen, dass das Gelände bald aus dem Bergrecht entlassen werden kann. Damit würde diese Stelle für die Öffentlichkeit zugänglich.
BGE-Geschäftsführer Stefan Studt: „Auch für die BGE ist Gorleben ein wichtiger Bezugspunkt. Vieles, was unsere Fachleute über Endlager wissen, haben sie bei der Erkundung in Gorleben, beim Bau des Endlagers Konrad für schwach- und mittelradioaktive Abfälle in Salzgitter sowie bei unseren anderen Projekten gelernt. Wir gehen auf die Region zu, um unseren Beitrag zu leisten, die Kämpfe der Vergangenheit zu überwinden.“ Er verspricht sich vom Mauer-Projekt, dass sich diese „Kooperation zu einem dauerhaften Dialog mit der Region entwickelt“.
Der Rückbau unter Tage ist seit Jahresbeginn nahezu beendet. Das ehemalige Erkundungsbergwerk selbst geht jetzt in den sogenannten Offenhaltungsbetrieb über. Das heißt: Es finden nur noch Wartungsarbeiten statt, um den Zustand des Bergwerks zu erhalten.
Erklärung der BI Lüchow-Dannenberg: „Die Mauer fällt, der Standort bleibt“
„Symbolisch wird am Montag (15. April) ein Teil der festungsähnlichen Mauer in Gorleben abgerissen. Eine letzte Fahrt in das Endlagerbergwerk markiert ein Etappenziel: von nun an wird das Bergwerk in einen Stand-By-Betrieb überführt, denn Gorleben ist bei Suche nach einem Endlager für hochradioaktive Abfälle laut Gesetz weiter gesetzt“, so eine Medienmitteilung der BI Lüchow-Dannenberg am 14.04.2019. BI-Sprecher Wolfgang Ehmke: „Deshalb bleiben wir auf der Hut und müssen dafür kämpfen, dass es am Ende nicht heißt, das war eure Ehrenrunde, wie es der damalige Umweltminister Peter Altmaier uns einst ins Gesicht sagte“. Das Standortauswahlgesetz (StandAG) und ein enger Zeitplan bei der Endlagersuche biete bisher keine Möglichkeiten für „Rücksprünge“, der Finanzierungsrahmen sei eng und Partizipationsangebote blieben aufs Mitreden beschränkt. „Mitentscheiden können die Menschen in betroffenen Regionen bisher nicht“, kritisiert BI-Sprecher Wolfgang Ehmke. Erst wenn das Gesetz entsprechend novelliert sei, kehre Fairness ein. Man richte sich in der Region darauf ein, dass es ein langer, harter Kampf bleibe, damit „Gorleben auf dem Misthaufen der Atom-Geschichte landet“. Denn wieder einmal seien die geologischen Auswahlkriterien so zugeschnitten, dass der Standort im Suchverfahren weiter fortgeschleppt werden kann. Ehmke: „An keiner Stelle in der Republik steht ein Bergwerk bereit, das ist der Schatten der Vergangenheit und eine schwere Hypothek. Aber nirgendwo sonst ist der Widerstand so stark in der Bevölkerung verankert, das ist unsere Chance.“
->Quellen: