Der Bedarf an stofflichen Energieträgern erfordert einen Kohlenstoffkreislauf
Die globale Energieversorgung beruht heute auf Transport und Lagerung von fossilen kohlenstoffhaltigen Energieträgern (Kohle, Gas, Öl). Um die Pfadabhängigkeiten des Energiesystemumbaus minimal zu halten und seine Kosten zu optimieren, sollten diese Infrastruktur und die Folgeprozesse weitestgehend weiter genutzt werden. Synthetische Energieträger aus CO2 und grünem Wasserstoff (durch Wasserspaltung) liefern bei Einsatz von ausschließlich regenerativer Primärelektrizität erneuerbare stoffliche Energieträger, die als Flüssigkeiten (Methanol) oder Gase (Methan) die existierenden Infrastrukturen nutzen können. Gewinnt man das bei ihrer Nutzung freiwerdende CO2 zurück und transportiert es zu Orten, wo die nötigen großen Mengen an Primärelektrizität verfügbar sind, bildet man einen Stoffkreislauf der grundsätzlich nachhaltig ist. Er macht Erneuerbare Energie transportier- und lagerbar. Der Einsatz von mineralischen Hilfsstoffen, von Wasser- und Landflächen, muss noch erheblich optimiert werden, um die Größe dieser Technologie ökologisch und ökonomisch günstig abzubilden. Dieses Konzept, das in Abbildung 3 sehr vereinfacht dargestellt ist, kann als „Pack die Sonne in den Tank“ oder als „flüssige Sonne“ verstanden (3) werden. Es ergänzt die begrenzte Nutzbarkeit von Biomasse, die auf der Erde wichtige andere Funktionen (4) (menschliche Nahrung, Biodiversität und Ökostabilität, Klimastabilität) zu erfüllen hat.
In so einem System stellen mobile Nutzungen ein Kohlenstoff-„Leck“ (5) dar. Deshalb können synthetische Kraftstoffe (6) (Anlage 4) zunächst nur mit maximal 50 % CO2-Einspareffekt (5) bilanziell angerechnet werden. Dieses kann beim Umbau des Energiesystems zunächst verkraftet werden, die Leckage muss aber vor Abschluss des Umbaus geschlossen werden. Eine Möglichkeit dazu ist die Nutzung von Biomasse als Sammler von CO2, die durch Mineralisation aus dem Kreislauf entfernt wird. Andere anorganische Prozesse der Mineralisation (7) können diese „sub-zero“-Option im Energiesystem unterstützen. Auch die Nutzung von Biomasse als ursprüngliche Quelle von Kohlenstoff kann, wie in Abbildung 3 dargestellt, das Problem der „Leckage“ lösen.
Wählt man eine möglichst energieeffiziente Antriebsart von Fahrzeugen, kann die Größe des Lecks stark verringert werden. Eine Designstudie zeigt, dass mit heutigen Technologien und einem optimierten PKW Hybridfahrzeug ohne energetisch aufwändige Materialien und mit vergleichsweise kleinen Batterien enorme Einsparungen an Kraftstoff zu erzielen sind (Anlage 5). Mit einer Kombination von elektrischer Antriebs- und stofflicher Speichereffizienz können die wesentlichen Anforderungen an die Kompatibilität der Mobilität mit einem neuen Energiesystem gut erfüllt werden, und es bedarf keiner Änderung der Infrastruktur jenseits der Bereitstellungsebene der Energieträger (Abbildung 2).
Grundsätzlich sollte überlegt werden, ob die energetische Nutzung von Biomasse eingeplant wird. Die heute erkennbaren großflächig negativen Folgen der extensiven wie intensiven Nutzung der Biomasse für Ökosysteme und Biodiversität und die Gefahren, die sich daraus für die Stabilität des Lebens auf dem Planeten ergeben, lassen es geraten erscheinen, die gesamte Energieversorgung auf den technischen Kohlenstoffkreislauf, der ohnehin nötig ist, auszurichten und die Biomasse nur für stoffliche Nutzungen zu verwenden.
Eine Nebenfunktion mit allerdings wertvollen Systemdienstleistungen können solche Kreisläufe erfüllen, wenn sie mit lokaler Primärelektrizität als Flexibilisierungsmaßnahme (siehe z. B. https://www.kopernikus-projekte. de/synergie) eingesetzt werden, wenn sie als lokale Energiespeicher eingesetzt werden, oder wenn sie auf die Herstellung von Chemikalien (8) fokussiert werden.
Stoffkreislauf richtig ins System einbinden
Derzeit wird viel über den nötigen Beitrag der Mobilität zur Defossilisierung des Energiesystems (9, 10) diskutiert. Ihre Emissionen sind schwer zu reduzieren, weil sie diffuse Quellen beinhalten, die nicht im Kreis geführt werden können. Umgekehrt ist der Energieverbrauch der Mobilität so groß, dass eine Versorgung mit Elektrizität quantitativ schwierig wird (es gibt ohnehin nicht genug primäre Elektrizität in Deutschland, und die Vergrößerung des Stromverteilsystems wäre ebenfalls zumindest ökonomisch und aus Akzeptanzgründen nicht einfach zu bewerkstelligen). Für energieintensive Anwendungen ist ein elektrischer Antrieb praktisch unmöglich (Flugzeuge, Schiffe, schwere Baumaschinen, Schwerlastverkehr). Somit eignet sich der Kohlenstoffkreislauf mit seinen solaren Kraftstoffen (11) hervorragend zur Versorgung von Mobilität. Der Verbrauch an Energie für die Mobilität wird dann durch Import von (flüssigen) Energieträgern als solar fuels oder e-fuels gedeckt. Das schließt eine Ergänzung durch e-Mobilität nicht aus, die durch lokal verfügbare Erneuerbare Elektrizität gespeist wird.
Allerdings gelten die oben genannten Einschränkungen hinsichtlich der „Leckage“ von CO2 aus dem System. Die Strategie, diese Leckage zu minimieren und zunächst bestehen zu lassen, mag unter dem Gesichtspunkt der „Lastengerechtigkeit“ des Umbaus des Energiesystems kritisch gesehen werden. Sie ist aber hinnehmbar, wenn man sich die relativen Proportionen in Deutschland (und Europa) der Hauptanwendungen von Energie in Abbildung 2 ansieht. In Abbildung 4 sind ihre Anteile am Verbrauch von Endenergie und an der CO2-Emission dargestellt.
Stellt man die Reduktion von Treibhausgasen ins Zentrum des Umbaus des Energiesystems, ist die Mobilität das am wenigsten lohnende Ziel und eine etwa halbierte Leckage könnte auch im Zielkorridor heutiger Politik hingenommen werden. Nimmt man den Ersatz von Öl als wichtiges Ziel, ist die Mobilität prioritär. Allerdings wird dieses Ziel ressourcenschonend mit synthetischen Kraftstoffen erreicht. Somit wäre eine Mobilität, die neben lokal verfügbarer e-Mobilität auf importierter Erneuerbarer Energie fußt, eine systemisch günstige Option.
Aus Abbildung 4 geht hervor, dass in jedem Fall die Defossilisierung der Wärmenutzung (12) allerhöchste Priorität haben sollte. Dies ist allerdings unmöglich, wenn man die Kopplungen zwischen den Sektoren vernachlässigt. Ein Beispiel ist die bisher viel zu wenig genutzte Option, primäre Elektrizität zielgerichtet dafür bereitzustellen, Wärmespeicher oder Wärmepumpen lokal zu bedienen. Aber auch im Feld der industriellen (Hochtemperatur-)Wärme könnte primäre Elektrizität eingesetzt werden. Schließlich kann eine Nutzung elektrischer Energie bei ausreichendem Stromangebot im Wechsel mit fossilen Heizstoffen in existierenden (dezentralen) Wasserspeichern relativ einfach als CO2-mindernde Flexibilisierungsmaßnahme eingesetzt werden.