Energiesysteme bedarfsgerecht aufbauen
Die Diskussion zu Energiesystemen richtet sich überwiegend an bilanziellen Werten für Energiebedarfe und Energielieferungen aus. Dies ist zunächst vertretbar, bedarf allerdings unbedingt der Schärfung durch eine Betrachtung zur zeitaufgelösten Bereitstellung von Energie. Es ist eine zentrale Dienstleistung eines Systems, seine Energie ohne zeitliche Beschränkung exakt bedarfsgerecht zur Verfügung zu stellen. Diese „Versorgungssicherheit“ ist ein wesentlicher Standortvorteil eines Landes und bildet eine Grundlage geordneten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens. Dieser Grundforderung für ein Energiesystem wird Primärelektrizität aus Wind und Sonne nicht gerecht. Energie aus Wasserkraft und Biomasse erfüllt diese Forderungen, ist allerdings in fast allen Ländern kapazitiv zu klein, um die Schwankungen von Wind und Sonne auszugleichen.
Aus den Daten der Abbildung 5 geht hervor, dass das heutige Energiesystem in Deutschland weitgehend noch aus frei steuerbaren Energieträgern (fossil, nuklear) versorgt wird, aber der Anteil Erneuerbarer Energieträger zu mehr als 50 % volatile Quellen (Wind, Sonne) enthält. Wird dieser Anteil wie gewünscht wesentlich größer, sind Flexibilisierungsmaßnahmen erforderlich, die weitgehend auf die Nutzung von speicherbaren Energieträgern hinauslaufen. Weitere notwendige Maßnahmen sind der Einsatz von Batterien, mechanischen Speichern und Wärmespeichern, die allerdings zusammen nicht ausreichen, um das Stromsystem bedarfsgerecht steuerbar zu machen. Bedenkt man, dass das Stromsystem nur einen Bruchteil des gesamten Energiesystems ausmacht und die zeitlichen Anforderungen hinsichtlich Zeitspannen und Kapazitäten noch weitere Dimensionen haben als die Kurzzeitstabilität beim Strom (Sommer-Winterausgleich, Großmengen für industrielle Prozesse) wird klar, dass ohne stoffliche Erneuerbare Energieträger kein technisch und ökonomisch effizienter Betrieb eines nachhaltigen Energiesystems möglich ist.
Für die gesellschaftliche Akzeptanz von neuen Energiesystemen ist es wenig attraktiv, eine wesentliche Einsparung der Nutzung von Endenergie als Voraussetzung zum Gelingen einer Energiewende anzusetzen. Energie ist eine Grundlage aller Aktivitäten in der Gesellschaft. Unbestreitbar sind einige davon unnötig und sollten abgestellt werden. Da allerdings eine Entscheidung über Einsparungen, die sich aus Verhaltensänderungen ergeben, sehr problematisch ist (etwa Tempolimit) und auch an die Frage der Stellung eines Landes im internationalen Wettbewerb (Deindustrialisierung) rührt, sind hier die Widerstände sehr hoch. Eine global verteilte Gewinnung und Verteilung von Erneuerbarer Energie macht es überflüssig, Einschränkungen im Gebrauch von Energie zu verlangen. Unberührt bleiben davon Reduktionen des Einsatzes von Energie, die sich durch technische oder freiwillige konsumtive Verbesserungen der Nutzungseffizienz ergeben. Eine bedarfsgerechte Energieversorgung sollte nicht durch Einsparziele und Nutzungsgrenzen bestimmt werden, da es dafür in einem globalen System mit subsidiärer Struktur keine zwingenden Argumente gibt. Das widerspricht nicht der Einsicht, dass Energie als grundsätzlich wertvolles Gut überlegt einzusetzen ist. Wenn allen Nutzern von Energie ihr Wert hinreichend klar ist, sollten sich Verhaltensänderungen hinsichtlich einer systemischen Verschwendung von Energie ohne staatlichen Zwang einstellen. Dies gilt vor allem für die Mobilität (von Waren wie von Personen), wo der Staat über die Sinnhaftigkeit der zahlreichen Subventionen nachzudenken hat.
Bei der Raumwärme sind viele Fortschritte in Bewusstseinsbildung und in technischen Maßnahmen erreicht worden. Dies gilt aber nicht für ganz Europa. In Deutschland ist die konsequente Umsetzung durch hohe regulatorische Hürden (Bauauflagen, technische Vorschriften) aufwändig und träge, wie man auf Abbildung 6 aus dem zeitlichen Verlauf des Verbrauchs von Heizenergie in Deutschland erkennen kann. Der Einsatz von Erneuerbaren für die Bereitstellung von Raumwärme ist stark verbesserungsfähig, besonders wenn man bedenkt, dass im bisherigen Anteil ein großer Beitrag aus der Biomasse steckt, der nicht leicht skaliert werden kann.