Epilog
Der Umbau des Energiesystems bedeutet eine Revolution und nicht nur einen Impuls. Bis heute hat diese Idee aber noch nicht gezündet. Erfolgreiche Revolutionen benötigen breite Unterstützung. Zu viele Brüche im Zusammenwirken der Akteure, die es zahlreich gibt, verhindern eine konzertierte Aktion. In keinem Fall kann der Umbau des Energiesystems als staatlicher Plan mit sektoralen Zielen, mit spezifischen Vorschriften für einzusetzende Technologien und zeitlichen Taktungen funktionieren. Die Rolle des Staates ist es vielmehr, stabile und allgemein gültige Rahmenbedingungen zu schaffen und deren Einhaltung zu garantieren. Anreize aus staatlichen oder Umlage-Mitteln (wie das EEG) bewirken keine relevante Änderung für das gesamte System, wenn sie punktuell angelegt sind (technologisch fixiert), zu lange gewährt werden und nicht automatisch bei Erreichen vorher bestimmter Ziele auslaufen.
Erfolgreiche Revolutionen setzen in der Regel die Aufklärung der Revolutionäre voraus. In puncto Energiewende wurde es bisher versäumt, in einem umfassenden Dialog zwischen Gesellschaft und Politik/Wirtschaft eine vertrauensvolle Basis der Zusammenarbeit auf der Grundlage einer verbindlichen Definition der Ziele des Umbaus der Energieversorgung zu schaffen. Damit fehlt der Revolution namens „Energiewende“ die gemeinsame Richtung, die Akteure arbeiten teils gegeneinander oder verharren in abwartender Stellung.
Ein breites Bewusstsein von den Charakteristiken des Energiesystem-Umbaus zu schaffen ist die allererste und wichtigste Aufgabe. Dadurch wird der Fortschritt dieses Prozesses, der bisher nur in Zielen, aber kaum in Wegen definiert wurde, wesentlich beschleunigt. Von großer Bedeutung ist die Vermittlung der subsidiären Struktur der Energieversorgung und damit der Ausweitung des Raumes für Optionen von regionalen Lösungen über die nationale Ebene hin zur internationalen und vor allem europäischen Dimension. Auf der untersten Ebene der individuellen Befassung mit Energie wird damit eine breite Teilhabe erreicht und die Abstraktheit der Problematik aufgelöst. Dass nationale und internationale Aktionen mühevoll und langwierig sind, darf nicht davon abhalten solche Architekturen mit Nachdruck anzustreben. Nationale vorbereitende Lösungen können Teile des subsidiären Systems schneller realisieren. Sie sind dann willkommen, wenn sie automatisch internationalen Regelungen weichen. Dies ist besonders einfach, wenn die internationale Dimension von Anfang an mitgedacht wird, selbst wenn sie erst später realisiert wird.
Der Weg zum beschleunigten Umbau des Energiesystems führt über einen Umbau des regulatorischen Ansatzes hin zu einem technologieoffenen Raum, in dem die Akteure ihre Konzepte ohne Bevorzugung durch staatliche Steuerung implementieren können. Es wird eine treibende Kraft benötigt, die am besten in einer geeigneten Bepreisung fossiler Energieträger realisiert wird, da diese alle Anwendungen gleichmäßig erfassen kann.
Das in Deutschland eingesetzte „Klimakabinett“ ist ein Ansatz, um die auf viele Regierungsstellen verteilte Aufgabe des Umbaus des Energiesystems zu koordinieren. Dort könnte das zentrale Konzept der systemischen Behandlung umgesetzt werden. Günstig wäre es, die hohen Erwartungen an die Politik durch einige systemisch wirkende Vorabmaßnahmen (Anlage 16) so zu erfüllen, dass ohne Schaden für den langfristig anzulegenden Umbau des Energiesystems gleichwohl eine anhaltende Motivation zu dessen Realisierung entsteht.
Die Politik geht die Revolution der Energieversorgung sehr zaghaft an und verbleibt im Bereich der wenig „schmerzhaften“ Maßnahmen, die allerdings auch nur wenig wirksam sind. Es darf erwartet werden, dass sich der Raum für das „politisch Mögliche“ erheblich ausweitet, wenn eine hinreichende und nicht-ideologische Information und Kommunikation mit den Nutzern des Energiesystems erfolgt.
Die hier entwickelten Vorstellungen legen eine entschlossene Weiterentwicklung des bisher verfolgten Weges in eine nachhaltige Energiezukunft nahe. Die bisher gemachten Ansätze und erreichten Veränderungen sollen jedoch keineswegs gering geschätzt werden. Vielmehr sollen diese Gedanken motivieren, den systemischen Charakter der Energieversorgung über alle Ebenen des Systems hinweg als Leitmotiv zum Entwurf eines schlüssigen Transformationsprozesses zu nutzen. Diesen zu gestalten und unmittelbar umzusetzen, ist eine vordringliche Aufgabe in Deutschland und Europa mit einer andauernden Priorität auch nach der derzeitigen Hochphase in den Medien.