ifo Schnelldienst: Elektroautos keine Allheilmittel für Klimaschutz
Elektroautos werden in den nächsten Jahren kaum einen Beitrag zur Minderung der deutschen CO2-Emissionen leisten, behaupten drei Forscher in einem am 17.04.2019 verschickten ifo-Schnelldienst. Auf die Einführung von E-Autos folge „nicht per se eine Reduktion des CO2-Ausstoßes im Straßenverkehr“. Der CO2-Ausstoß batterieelektrischer Autos liege weit über dem eines Dieselmotors. Dagegen seien erdgasbetriebene Verbrennungsmotoren die „ideale Übergangstechnologie zu langfristig mit Wasserstoff oder ‚grünem Methan‘ betriebenen Autos“.
Berücksichtige man den heutigen Energiemix Deutschlands und den Energieaufwand bei der Batterieproduktion, liege der CO2-Ausstoß batterieelektrischer Autos nur im günstigsten Fall knapp über dem eines Diesels, ansonsten aber weit darüber. Das „bestätigt“ einer Medienmitteilung aus dem Münchner ifo-Institut zufolge ein Artikel von Christoph Buchal, Physikprofessor an der Universität zu Köln, dem ifo-Energieexperten Hans-Dieter Karl und Ex-ifo-Präsident Hans-Werner Sinn. Zwei konkrete Beispiele dienten den Wissenschaftlern als Beispiele: Ein modernes Elektroauto (Tesla Model 3) und ein modernes Dieselfahrzeug (Mercedes C 220 D). Neben dem CO2-Ausstoß der Batteriefertigung berücksichtigen die Autoren alternative Energiequellen für den Strom, um die Auswirkungen auf den CO2-Ausstoß der Elektroautors zu berechnen – unterstellen jedoch, dass sich am deutschen Energiemix künftig nichts ändern wird. Die Forscher versuchen zu zeigen, „dass bei einem mit Erdgas betriebenen Verbrennungsmotor die Gesamtemissionen schon heute um ein knappes Drittel niedriger liegen als selbst beim Dieselmotor“. „Langfristig gesehen bietet die Wasserstoff-Methan-Technologie einen weiteren Vorteil: Sie ermöglicht die Speicherung der überschießenden Stromspitzen des Wind- und Sonnenstroms, die bei einem steigenden Anteil dieses regenerativen Stroms stark zunehmen werden“, erklärt Professor Buchal.
Die Autoren kritisieren in ihrer Studie, dass der EU-Gesetzgeber die CO2-Emissionen von Elektroautos mit einem Wert von „null“ in die Berechnungen der Flottenemissionen einfließen lässt. Dies suggeriere, dass Elektroautos keine Emissionen verursachten und verführt die drei zu folgende Polemik: „Wir erläutern die gegenwärtige Faktenlage so detailliert, weil wir in der postulierten vollständigen Emissionsfreiheit der E-Autos eine zielgerichtete industriepolitische Täuschung vermuten und in der Folge eine unvermeidliche Enttäuschung der Öffentlichkeit befürchten, wenn sich die erhofften technischen CO2-Minderungen nicht einstellen.“
Neben dem CO2-Ausstoß bei der Fertigung ergäben sich aber in fast allen EU-Ländern erhebliche CO2-Emissionen durch die Beladung der Akkus mit Hilfe des Stroms aus dem jeweiligen nationalen Produktionsmix. Auch die Diskussion um die Elektroautos in Deutschland sehen die Autoren kritisch, da sich diese sehr stark auf batteriebetriebene Fahrzeuge konzentriert. Ein großes Potenzial haben aber auch andere Technologien, wie mit Wasserstroff betriebene Elektroautos oder mit „grünem“ Methan betriebene Autos mit Verbrennungsmotoren. „Die Methantechnologie ist eine ideale Brückentechnologie von Erdgasautos, die mit konventionellen Motoren fahren, hin zu Motoren, die eines Tages mit Methan aus CO2-freien Energiequellen fahren können. Insofern kann man der Bundesregierung nur raten, im Sinn einer Technologieoffenheit auch die Wasserstoff- und Methantechnologie zu fördern“, betont Professor Sinn. Die Bundesregierung tut das zum Beispiel mit der Nationalen Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie. Die Begriffe „synthetische Kraftstoffe“, „Designer-“ oder „E-Fuels“ (siehe: solarify.eu/alternative-kraftstoffe-synthetische-treibstoffe-desinger-fuels-e-fuels), mit denen Verbrenner schadstofffrei fahren können, kommen in dem Artikel nicht vor.
Kaum veröffentlicht, melden sich schon die Kritiker: Die Professoren-Prophezeiung, dass „auch moderne Elektroautos in den nächsten Jahren schwerlich in der Lage sein werden, einen Beitrag zur Minderung der deutschen CO2-Emissionen zu leisten“, dürfe auf Basis der „Entscheidungen der Studienmacher, eigenen Annahmen zu folgen und andere Fakten zu vernachlässigen, wohl zumindest bezweifelt werden,“ heißt es im Online-Portal WinFuture.
Bundesumweltministerium und Umweltbundesamt verteidigen die Klimabilanz von Elektroautos. Sie verwiesen auf eine aktuelle, umfassende Studie des Heidelberger ifeu-Instituts für die Agora-Energiewende-Initiative, die zu einem positiven Ergebnis kommt. Danach ist die CO2-Bilanz eines Batterieautos in Deutschland bei einem Strommix wie im Jahr 2016 drei Prozent besser als die eines Dieselautos und 12 Prozent besser als die eines Benziners. Vor allem Stadtautos mit kleinem Akku seien weniger klimabelastend als Verbrenner. Siehe auch: Solarify.eu/2019/04/06/581-elektroautos-beschleunigen-den-klimaschutz-von-jahr-zu-jahr-mehr
Dass es den Autoren wohl eher um etwas anderes geht, als einen Auto-Vergleich, zeigt dieser Satz: „Von grünen Politikern und von vielen NGOs wird das krachende Scheitern der deutschen Klimapolitik gegeißelt, obwohl es dieselben politischen Kräfte waren, die die Kanzlerin seinerzeit zur Abschaltung der Kernreaktoren drängten.“
Am Schluss des 53seitigen Traktats im (unkommentierten) Wortlaut dieses Zitat: „Uns ist bewusst, dass sich Deutschland trotz dieser Zusammenhänge international verpflichtet hat, seinen CO2-Ausstoß zu verringern, weil es der Welt etwas Gutes tun will. Es wäre uns aber wohler, wenn der Bevölkerung klar wäre, dass diese Wohltaten womöglich nicht in Form einer Verlangsamung des Klimawandels, sondern als Verringerung der Kosten der fossilen Energie für die Großverbraucher der Welt zustande kommen, dass also unsere Opfer möglicherweise ganz anderen Bevölkerungsschichten helfen als jenen, die unter dem Klimawandel zu leiden haben. Da sich Europa auf die Produktion von Kleinwagen verlegt, können in den USA noch mehr Riesen- SUVs gefahren werden als ohnehin schon. Leider kann man diese Gefahr so lange nicht ausschließen, wie die Pariser Vereinbarungen nicht in sanktionsbewehrte Verpflichtungen umgewandelt werden und im Übrigen (fast) alle Länder mitmachen. Wenn man Gutes tun will, muss man sich auch fragen, ob die realisierten Maßnahmen überhaupt wirken. Diese Diskussion hat in Deutschland noch nicht stattgefunden, weil die gesamte Klimaproblematik im Hinblick auf die Möglichkeiten diskutiert wird, den Verbrauch durch technische Möglichkeiten einzuschränken, anstatt zu fragen, wie man das Verhalten der Anbieter der fossilen Brennstoffe auf den Weltmärkten verändern kann, ohne das leider nichts erreicht werden kann.“
->Quelle und weitere Informationen: