Industrie und Verbände dafür – Politik weiß nicht so recht
Offenbar hat sich die Bundesregierung auf eine CO2-Bepreisung geeinigt. Das aber ziemlich lustlos: Das Wirtschaftsministerium bestätigt eher gleichgültig, die CSU blockiert und NRW-Ministerpräsident Laschet rechnet nicht mit schneller Einführung. Und die Kanzlerin hat erst einmal „nein“ dazu gesagt. Clemens Weiß hat die aktuelle Lage am 30.04.2019 im Portal energiezukunft zusammengefasst.
Im Bundeswirtschaftsministerium gehe man „davon aus, dass eine CO2-Bepreisung in irgendeiner Form wohl kommen werde“. So zitiert die FAZ einen Beamten (siehe: solarify.eu/medien-regierung-vor-einigung-auf-co2-steuer). Noch lustloser geht es wohl kaum in dem Ministerium, das für die Energiewende zuständig ist. „Man muss den Mitarbeitern allerdings zugutehalten: Dem Ministerium fehlen gut 40 Fachleute für Energiepolitik, wer soll also neue Projekte anschieben? Der zuständige Staatssekretär Andreas Feicht, ebenfalls verspätet gekommen, betont seit Monaten wie sein Chef, Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU): „In dieser Legislaturperiode werden wir gar nichts mehr reformieren“.
Exkurs: Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich zwischenzeitlich allerdings skeptisch über die CO2-Steuer geäußert. Verringerung von CO2-Emissionen gehe über Steuern eher nicht, da müsse man entweder nach dem Ordnungsrecht entsprechende Maßnahmen für jeden einzelnen Sektor beschließen – oder Zertifikate verkaufen. Beim Klimaschutz sollten die Bürger möglichst wenig belastet werden. Auf jeden Fall müsse man auch über Entlastungen für Menschen nachdenken, die viel mit dem Auto unterwegs seien – so die Kanzlerin am 30.04.2019 im Rahmen eines Bürgergesprächs im Raffineriestandort Schwedt, Brandenburg.
Einführung wohl beschlossen
Clemens Weiß hatte diese Information noch nicht, als er seinen Text schrieb: „Insofern ist die Meldung etlicher Medien, die Bundesregierung habe sich auf die Einführung eines CO2-Preises grundsätzlich geeinigt, schon einmal ein großer Fortschritt. Auch in Verbänden und der Industrie gehen viele davon aus. Durch die Einführung einer Abgabe auf Kohlendioxid müsste jeder, der bei Herstellung, Nutzung oder Dienstleistung CO2 in die Luft stößt, eine Abgabe zahlen. So würden fossile Energien, allen voran Benzin, Diesel, Kohle und Erdgas teurer, klimafreundliche Alternativen dagegen attraktiver.“
Lieber später als früher
Aber was heiße „bald“? Armin Laschet, CDU-Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, sagt: „Ob das in dieser Wahlperiode möglich sein wird, glaube ich nicht“, meldete dpa. Behält er recht, würde das bedeuten: Vor 2022 geht nichts. Laschet gilt als einflussreich, schon beim Kohlekompromiss hatte er mächtig dazwischengefunkt. Am Montag meldeten sich weitere CDU-Vertreter: Ausgemacht sei ein CO2-Preis jedenfalls noch nicht. Warten heißt die Devise in der Union. Worauf bleibe unklar.
Schwung in die Debatte um eine CO2-Bepreisung hatte Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) gebracht. Seit Herbst verfolgt sie das Konzept und hatte zunächst starke Ablehnung aus der Union erfahren, aber auch von ihrem Parteikollegen, Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz. Dieser hat seinen Widerstand inzwischen aufgegeben.
Jugend bewegt die Politik
Seit die Jugend mit den Fridays for Future-Protesten für mehr Klimaschutz aufbegehrt und sich ein Großteil der Bevölkerung mehr Klima- und Naturschutz wünscht, wacht die Politik auf. Das erfolgreiche Volksbegehren „Rettet die Bienen“ in Bayern war Teil dieses Weckrufs. Nun diskutieren die Parteien ernsthaft über Klimaschutz, vielen wird offenbar klar: Wir müssen etwas tun.
Vor einigen Wochen beauftragte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) den Chef der Wirtschaftsweisen, einen Plan für eine CO2-Bepreisung zu erarbeiten. Damit folgt sie sämtlichen Regierungsberatern und wissenschaftlichen Gremien, die teils seit Jahren einen Preis pro ausgestoßener Tonne Kohlendioxid fordern. In der Frage entschieden hat sich die Kanzlerin [siehe Schwedt, S_Y] noch nicht.
Soziale Lösung gilt als Konsens
In den Ministerien sind Juristen mit der Frage beschäftigt, wie eine Einführung erfolgen könnte und ob der CO2-Aufschlag als Steuer oder Abgabe eingeführt wird. Einig ist man sich in der Koalition darüber, dass die Einnahmen zumindest zum Teil an die Bürger zurückgezahlt werden sollen. Abschauen könnte man sich erfolgreiche Konzepte etwa in der Schweiz, Frankreich, Schweden, Großbritannien oder Kanada.
So kompliziert wie einige Politiker behaupten, ist das System nicht. Vor allem für die wirtschaftsnahen CDU-Kreise ist der CO2-Preis eigentlich ein ideales, weil marktwirtschaftliches Konzept. Weshalb sich gerade diese Gruppe, ebenso die FDP, dagegen wehrt, ist kaum verständlich. Sogar in der Industrie gilt das Instrument als sinnvoll.
20 Euro sind zu wenig
Umweltministerin Schulze plädiert mit ihrem Vorschlag zunächst für einen Preis von 20 Euro pro Tonne CO2. Das könnte ein guter Einstieg sein, für den Klimaschutz müsste diese Summe allerdings schnell ansteigen. Experten wie der Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz gehen davon aus, dass eine Tonne Kohlendioxid bis zum Jahr 2020 zwischen 40 und 80 US-Dollar kosten muss und zwischen 2020 und 2030 mindestens 50 bis 100 Dollar. Nur so lassen sich die Klimaziele des Pariser Abkommens einhalten.
Im Juli soll das Klimakabinett der Bundesregierung über einen CO2-Preis beraten. Bis Ende Mai müssen dort alle zuständigen Minister die Klimaschutz-Vorschläge für ihren Bereich präsentieren. Am Ende soll ein Paket stehen, mit dem die Klimaziele für 2030 eingehalten werden können. Ein CO2-Preis ist nur ein Teil davon.“ cw
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