Die Vision von „crowd oil“
Heute scheint der Appetit der Öffentlichkeit auf eine groß angelegte CO2-Abscheidung und unterirdische Speicherung (CCS) in Verbindung mit einer fortgesetzten Nutzung fossiler Energieträger gering zu sein, vor allem aus Sicherheitsgründen. Auch wenn das öffentliche Bewusstsein für die Notwendigkeit, eine CO2-negative Gesellschaft zu werden, vor allem aufgrund der IPCC-Berichte und ihrer Berichterstattung zunimmt, steht die Option der CCS unter Verwendung von luftgefiltertem CO2 immer noch vor der Herausforderung, kein wertvolles Produkt zu erzeugen. Um dies zu erreichen, bedarf es eines anderen Ansatzes, um einen wirtschaftlichen Anreiz zu schaffen, wie z.B. durch Steuern oder freiwillige Spenden finanzierte Ausgleichszahlungen.
Möglicherweise ist es wahrscheinlicher, dass die Bevölkerung öffentliche Unterstützung erhält, wenn sie erneuerbare Energien und Solarthermie oder Abwärme nutzt, um CO2 zu sammeln und es in ihren Häusern, Wohnungen und Büros zu Kohlenwasserstoff-Brennstoffen zu recyceln. Die in diesen dezentralen synthetischen Ölquellen erzeugten Produkte könnten konventionelle fossile Brennstoffe ersetzen oder für eine spätere Nutzung gelagert werden. Dies kann beispielsweise bei der Stromerzeugung in Brennstoffzellen oder Mikrogasturbinen zu Zeiten des Defizits an erneuerbarer Energieversorgung, aber auch als Transportkraftstoff in der Zukunft der Fall sein. Die Menschen könnten entweder als Einzelpersonen auftreten, die selbst die für die Umstellung erforderliche Infrastruktur besitzen und die Kraftstoffe für ihre eigenen Zwecke nutzen oder an den Markt verkaufen. Sie könnten sich aber auch mit anderen zusammenschließen, um die Infrastruktur oder Teile davon zu teilen und so effizienter zu nutzen. Sie könnten auch ihre Kräfte bei der Vermarktung der Kraftstoffe oder der Finanzierung von Investitionen in neue Infrastrukturen zur Herstellung solcher Kraftstoffe bündeln.
Es könnten auch bestehende oder neue Unternehmen beteiligt sein, z.B. Betriebsabläufe, die CO2 emittieren (vorzugsweise nicht fossilen Ursprungs oder unvermeidlich) oder größere Bürogebäude, in denen eine CO2-Abtrennung durchgeführt werden kann. Diese könnten z.B. an die regenerative Stromerzeugung durch Photovoltaik auf den Dächern vieler Einfamilienhäuser sowie an Konversionsanlagen an verschiedenen Standorten angeschlossen werden. Darüber hinaus können kollektive oder private Stromnetze und andere Infrastrukturen und Unternehmen für die Sammlung (Brennstoffe) und Verteilung (CO2) von Strom und Gas eingerichtet werden. Es ist zu beachten, dass je nach lokalem Angebot und Nachfrage sowie der verfügbaren Infrastruktur sehr unterschiedliche Lösungen entstehen können, und dass dies eine große Anzahl von Menschen in die Lage versetzen würde, als sogenannte „Prosumer“ aktiv an der neuen Energiewirtschaft teilzunehmen. Heute beschränkt sich dieses Konzept auf Strom und schließlich Wärme, aber in Zukunft kann es auch auf Brennstoffe anwendbar sein.
Die lokale Erzeugung von chemischen Energieträgern ist besonders attraktiv in Regionen mit unterentwickelter Infrastruktur. Schwer erreichbare Inseln und andere entlegene Orte könnten eine autonome Versorgung mit allen benötigten Endenergieträgern etablieren, um den Transport über große Entfernungen zu vermeiden, manchmal mit enormen Energie- und Kostenaufwand.
Bei massivem weltweiten Einsatz könnten schließlich mehr Kraftstoffe entlang dieser Vision von „Crowd Oil“ produziert werden, als in den verbleibenden nicht elektrifizierbaren Segmenten von Verkehr und Industrie benötigt wird, was dann zu einer CO2-negativen Erzeugung einer synthetischen Ölreserve für die zukünftige Nutzung führen könnte. Das klingt angesichts des heutigen enormen täglichen Verbrauchs an fossilen Brennstoffen zwar sehr futuristisch, kann aber langfristig eine wertvolle Alternative zur Karbonisierung als CO2-Senke darstellen.
Die unregelmäßige Verfügbarkeit von erneuerbarer Energie aus Windkraftanlagen und Photovoltaik bringt technische und wirtschaftliche Herausforderungen mit sich, die es zu bewältigen gilt. Die Energiespeicherung kann dazu beitragen, die Übereinstimmung zwischen der Verfügbarkeit von Strom und der Kapazität für die Verarbeitung zu dem gewünschten Brennstoff zu verbessern. Darüber hinaus müssen auch Abweichungen der Verfügbarkeit von CO2 aus dem Abscheidungssystem berücksichtigt werden. Die intermittierende Versorgung reduziert die Kapazitätsauslastung und erhöht somit zwangsläufig die Kosten pro Liter produziertem Brennstoff.
Folgt: Lokale Kraftstoffsynthese