Erneuerbare synthetische Treibstoffquellen – drei anschauliche Beispiele
In Büro-, Geschäfts- und öffentlichen Gebäuden wird kontinuierlich ein erheblicher Luftvolumenstrom zu Lüftungs-, Kühl- oder Heizzwecken umgewälzt. Ein typischer volumetrischer Wechselkurs für Bürogebäude ist 5-10 mal pro Stunde. Obwohl die CO2-Konzentration in der Luft gering ist, kann die absolute CO2-Menge in Kontakt mit dem Klimagerät beträchtlich sein. So bietet beispielsweise eines der Wahrzeichen Frankfurts am Main, der Messeturm, 63.000 m² Bürofläche. Bei 3 m Deckenhöhe ergibt sich ein Gesamtvolumen von ca. 200.000 m³. Basierend auf der oben genannten empfohlenen Lüftungsrate für Bürogebäude ergibt sich ein geschätzter Luftstrom von 1-2 Mio. m³/h. Bei 400 ppm CO2 in Luft entspricht dies 0,75-1,5 t CO2/h, das zur Abscheidung bereit ist. Nach kürzlich veröffentlichten Daten zur CO2-Abtrennung aus der Luft beträgt der Energiebedarf pro Tonne abgetrenntes CO2 etwa 1,43 MWh Wärme und 0,37 MWh Strom. In Kombination mit einer Klimaanlage wäre der Bedarf an zusätzlicher elektrischer Energie wesentlich geringer, da nur der zusätzliche Druckverlust des CO2-Absorbers abgedeckt werden müsste. Somit wäre vor allem eine zusätzliche Wärmeeinbringung von 1,07-2,15 MW erforderlich, wenn das gesamte CO2 in der Kontaktluft zurückgewonnen würde. Das erforderliche Temperaturniveau beträgt 100 °C, das mit Solarwärme, Fernwärme oder Reaktionswärme aus dem folgenden exothermen Kraftstoffsyntheseschritt, z.B. Fischer-Tropsch-Synthese, kompatibel ist.
Von Bedeutung sind die jüngsten Ergebnisse des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), der Climeworks AG, der sunfire GmbH und der INERATEC GmbH aus dem laufenden Leuchtturmprojekt „Power-to-X“, Teil der so genannten „Kopernikus-Initiative“ (siehe solarify.eu/2017/05/25/kopernikus-hat-schon-viel-erreicht/) des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) zur Unterstützung der Energiewende. Sie berichten von einer Containeranlage, welche die CO2-Abtrennung aus Normal-Luft, die Hochtemperatur-Ko-Elektrolyse von CO2 zusammen mit Dampf zur Erzeugung von Synthesegas und eine ultrakompakte zweistufige Kraftstoffsynthese auf Basis des Niedrigtemperatur-Fischer-Tropsch-Verfahrens und Hydrocracking integriert, die 344 kg flüssige Kohlenwasserstoff-Kraftstoffe und 24 kg Wachs pro Tonne CO2-Abtrennung produzieren kann. Die Kohlenstoffeffizienz ist hoch, da die gasförmige Produktfraktion nach der Kraftstoffsynthese wieder in die Co-Elektrolyse zurückgeführt wird. Der Rezirkulationsstrom enthält hauptsächlich nicht umgesetztes CO2, CO und H2 sowie einige CH4 und geringe Mengen an C2- bis C4-Kohlenwasserstoffen, die in der Synthese als Nebenprodukte gebildet werden. Aufgrund des Vorhandenseins von Inertgas in der Einspeisung muss ein kleiner Teil des Rezirkulationsstroms abgeführt werden. Doch selbst im schlimmsten Fall mussten pro Tonne CO2, die abgetrennt wurde, höchstens 80 kg des Rezirkulationsstroms abgeführt werden, was einem Kohlenstoffverlust von nur 10,1% entspricht. Der Kohlenstoffwirkungsgrad des integrierten Prozesses liegt somit zwischen 89,9% und nahezu 100%.
Diese Zahlen wurden aus der experimentellen Leistung der einzelnen Einheiten zusammen mit einer Prozesssimulation für den integrierten Prozess im Rahmen des Detailengineerings einer experimentellen Proof-of-Concept-Anlage mit einem Auslegungsdurchsatz von 1,25 kg/h CO2 abgeleitet. Darüber hinaus wurde für den integrierten Prozess eine Gesamtenergieeffizienz von 50-60% in einem Bereich zwischen 100 kW und 10 MW für die CO-Elektrolyseeinheit ermittelt. Der Schlüssel zur hohen Gesamtenergieeffizienz liegt in der Nutzung der Reaktionswärme der Fischer-Tropsch-Synthese zur Bereitstellung des Dampfes für die CO-Elektrolyse, die durch die verwendete fortschrittliche Reaktortechnik ermöglicht wird. Basierend auf diesen Daten entspricht die CO2-Abscheidemenge des Frankfurter Messeturms einer Produktionsrate von flüssigen Kohlenwasserstoff-Kraftstoffen von 250-500 kg/h oder 2.000-4.000 t/a, die 40-80 mikrostrukturierte Fischer-Tropsch-Synthesemodule oder 5-10 Behälter des aktuellen INERATEC-Designs sowie die passenden CO-Elektrolyseeinheiten benötigt. Es ist zu beachten, dass die gleiche Berechnung unter der Annahme, dass die gesamte verfügbare Bürofläche in Frankfurt am Main, Deutschland, von 11,59 Mio. Quadratmeter mit dieser Technologie ausgestattet wäre, zu einer vorläufigen potenziellen Produktionsrate von 370.000-740.000 t/a führt. Dementsprechend erhält man für die fünf Städte mit der größten Bürofläche in Deutschland zusammen 2,4 – 4,8 Mio. t/a.
Darüber hinaus werden unter Berücksichtigung der 25.000 Lebensmittelgeschäfte der drei größten Akteure des deutschen Lebensmitteleinzelhandels (mit einer durchschnittlichen Fläche von ca. 1.200 m²), unter Belüftung (Heizung und Klimatisierung) ca. 10.000 m³/h und unter Dachkondensatoren des Kühlsystems für Kühlgeräte und Kühlschränke ca. 40.000 m³/h, insgesamt ca. 50.000 m³/h der Luftumwälzung in jedem einzelnen Markt, durchgeführt. Dies entspricht einer CO2-Menge von 40 kg/h, die abgetrennt und in 14 kg/h flüssige Kohlenwasserstoff-Kraftstoffe umgewandelt werden müssen, die in einer containerisierten Anlage behandelt werden können. Ein enormer Skaleneffekt, der sich aus Zehntausenden von Speichern ergibt, die jeweils mit einer Anzahl von Syntheseeinheiten und den passenden CO-Elektrolyseeinheiten in einem oder mehreren Kompaktcontainern ausgestattet sind, bedeutet, dass insgesamt etwa 1.000 Tonnen CO2 pro Stunde, entsprechend 350 Tonnen CO2 pro Jahr und Speicher, zur Verarbeitung zu Kohlenwasserstoff-Brennstoffen abgetrennt werden könnten. Beeindruckend ist, dass bei einer Umwandlung vor Ort 3 Mio. Tonnen Kohlenwasserstoff-Kraftstoffe pro Jahr bereitgestellt werden könnten, was etwa 8% des gesamten deutschen Dieselverbrauchs von 38,7 Mio. Tonnen oder 30% des gesamten Kerosinverbrauchs von 10 Mio. Tonnen entspricht.
Und was ist mit miniaturisierten Versionen? Sehr kleine CO2-Abscheide- und Konversionseinheiten für den Wohnbereich, wie sie beispielsweise im Rahmen des aus dem EU-Horizont-2020-Programm geförderten und von der Gensoric GmbH geleiteten Willpower Energy Projekts entwickelt wurden, könnten gewinnbringend in Niedrigenergiehäusern eingesetzt werden, die zur Erfüllung von Hygienestandards (Feuchtigkeit und Gerüche) technisch belüftet werden müssen, da ihre hochisolierten Wände und Fenster keinen ausreichenden Luftaustausch ermöglichen (siehe solarify.eu/power2liquid-fuer-zuhause).
Besonders interessant ist die Umsetzung in Quartieren mit einem hohen Anteil an Niedrigenergiehäusern wie z.B. im Vauban-Viertel in Freiburg. Für eine 70 m² große Wohnung mit einem Bad, einem zusätzlichen WC, einer Küche und einem Kellerraum kann ein Mindestnennluftstrom von 140 m³/h nach der nationalen Norm DIN1946-642 geschätzt werden. Mit 5-6 Wohnungen pro Haus und 400 ppm CO2 in der Umgebungsluft könnte ein Gebäude maximal 0,5 kg CO2 pro Stunde abfangen, was, in Kohlenwasserstoffe umgewandelt, 4-5 kg Kraftstoff pro Tag ergibt. Die an der Elektrolyseeinheit in diesem Maßstab benötigte Leistung liegt im Bereich von 4-5 kW. Systemintegration, sehr kompakte Bauweise, kostengünstiger und vollautomatischer Betrieb sowie Langzeitstabilität und Robustheit sind unerlässlich.
Eine Alternative zu einzelnen Produktionseinheiten wäre eine massenhafte größere Produktionsstätte in der Nachbarschaft. Alle 354 Gebäude in Vauban würden zusammen beispielsweise ca. 200 kg/h CO2 abfangen, was in ein bis zwei Containern des aktuellen INERATEC-Konzeptes entspricht ca. 620 Tonnen Kohlenwasserstoffkraftstoff pro Jahr. Die 5.500 Einwohner im futuristischen und ökologischen Stadtteil Vauban besitzen 1.146 Autos. Das ist zugegebenermaßen weit weniger als der Durchschnitt in Deutschland, wo sich mehr als 46 Millionen Autos im Besitz von etwas mehr als 82 Millionen Menschen befinden. Bei einem Verbrauch von 6 l Kohlenwasserstoff-Kraftstoff pro 100 km könnte jedes der Autos in Vauban jedoch 11.000 km pro Jahr fahren, wobei die 620 Tonnen Kraftstoff aus den eigenen Produktionsstätten synthetisiert werden, was in der Nähe der durchschnittlichen Laufleistung eines Autos in Deutschland liegt (ca. 14.000 km/a).