1.474 MW weniger Reserve benötigt

Bundesnetzagentur gibt Bedarf für Winter bekannt

Im Winter 2019/2020 werden Erzeugungskapazitäten aus Netzreservekraftwerken von 5.126 MW gebraucht. Verglichen mit dem für den vergangenen Winter festgestellten Bedarf in Höhe von 6.600 MW reduziert sich der Netzreservebedarf um 1.474 MW. Jochen Homann, Präsident der Bundesnetzagentur, dazu laut einer Medienmitteilung: „Erst der weitere Netzausbau wird den Reservebedarf signifikant senken“.

Strommast und Umspannwerk Wiesbaden – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Zusätzlich ermittelt die Bundesnetzagentur regelmäßig der Bedarf für einen weiter in der Zukunft liegenden Winter ermittelt. Für den diesmal betrachteten Winter 2022/2023 beträgt der Netzreservebedarf 10.647 Megawatt. Der deutliche Anstieg gegenüber dem Winter 2019/2020 hat folgende Gründe:

  • Nach der neuen europäischen Stromhandelsverordnung von 2019 muss der Umfang an Transportkapazitäten, der Stromhändlern für den grenzüberschreitenden Stromhandel zur Verfügung steht, in den nächsten Jahren schrittweise erhöht werden. Um diese zusätzlichen Kapazitäten bereitzustellen, werden die Übertragungsnetzbetreiber regelmäßig zusätzliche Redispatch-Maßnahmen durchführen müssen. Die erfolgreiche Umsetzung des geplanten Netzausbaus bleibt wesentliche Bedingung dafür, die erwarteten Steigerungen infolge der verpflichtenden Kapazitätssteigerungen an den Grenzen bis zum Jahr 2025 zu dämpfen und langfristig die Netzreserve abzulösen.
  • Ende 2022 gehen die letzten Kernkraftwerke außer Betrieb. Hierdurch wird sich das Gefälle der installierten Erzeugungskapazitäten zwischen Nord- und Süddeutschland vergrößern. Die dadurch bedingte Zunahme des Transportaufkommens zwischen dem erzeugungsreichen Norden und dem vergleichsweise erzeugungsarmen Süden Deutschlands erhöht den Redispatchbedarf.

„Es gibt nach wie vor einen Bedarf an Netzreserve, um das deutsche Stromnetz in kritischen Situationen stabil zu halten. Dies macht die Bedeutung eines zügigen Netzausbaus deutlich,“ erläutert Homann. „Für den kommenden Winter besteht wieder ein Bedarf, der aus inländischen Reservekraftwerken bereits gedeckt werden kann. Wie im vergangenen Jahr muss von den deutschen Übertragungsnetzbetreibern keine Leistung aus ausländischen Kraftwerken beschafft werden“, so Homann weiter.

Die Übertragungsnetzbetreiber hatten der Bundesnetzagentur am 28.02.2019 ihre Systemanalyse und den daraus resultierenden Bedarf an Netzreservekraftwerken zur Bestätigung vorgelegt. Die Bundesnetzagentur hat den Bedarf antragsgemäß bestätigt.

Temporärer Rückgang des Netzreservebedarfs

Ein wichtiger Grund liegt in Fortschritten bei der effizienteren Ausnutzung des vorhandenen Netzes, vor allem hinsichtlich des witterungsabhängigen Freileitungsmonitorings. Dabei wird die Leitungsauslastung der Außentemperatur angepasst. Zudem hat die Fertigstellung der Leitungen Hamburg/Nord-Dollern, Elbekreuzung, St. Peter-Norf, Wehrendorf-St. Hülfe sowie Fellerhöfe-St. Tönies wie erwartet dazu beigetragen, den Netzreservebedarf zu senken. Dies unterstreicht die Bedeutung des Netzausbaus nach Ausschöpfung von Effizienzreserven.

Künftige Bedarfsermittlungen werden die Umsetzung der Empfehlungen der Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung und den dann zu erwartenden Kraftwerkspark und Netzausbaustand berücksichtigen. Durch die jährliche Bedarfsanalyse ist sichergestellt, dass dies in dem Fall rechtzeitig erfolgt.

Keine Kontrahierung ausländischer Kraftwerke

Der ermittelte Netzreservebedarf im Winter 2022/2023 ist zwar höher ist als die zu diesem Zeitpunkt voraussichtlich verfügbare Leistung der inländischen Netzreservekraftwerke. Von einem Interessenbekundungsverfahren zur Beschaffung von Netzreserveanlagen aus ausländischen Kraftwerken wird derzeit allerdings noch abgesehen. Dafür sprechen u.a. folgende Gründe:

  • Der Bedarf für Winter 2022/23 ist noch mit hohen Unsicherheiten behaftet.
  • Es ist noch offen, in welchem Umfang zur Deckung des Redispatchbedarfs tatsächlich auf vertragliche Netzreservekraftwerke zurückgegriffen werden muss oder ob ein regional koordinierter Redispatch mit den Übertragungsnetzbetreibern der Nachbarländer einfachere und ebenso zuverlässige Lösungen erbringt. Die Bundesnetzagentur wird sich dafür einsetzen, dass Netzüberlastungen, die durch den europäischen Stromhandel entstehen, auch mit gemeinsamen europäischen Lösungen begegnet wird.
  • Es ist heute noch nicht absehbar, in welchem Umfang im Winter 2022/2023 Leitungen vorübergehend abgeschaltet werden müssen, um den Netzausbau in diesen Trassen zu ermöglichen.
  • Die Bundesregierung erarbeitet derzeit ein Maßnahmenpaket (Aktionsplan Stromnetze), um den Redispatchbedarf weiter zu senken.

Die Bundesnetzagentur hält daher an der Praxis fest, Netzreserve im Ausland erst zu kontrahieren, wenn die Bedarfsanalyse für den unmittelbar folgenden Winter einen entsprechenden Bedarf ergibt.

Erzeugungsleistung für Netzstabilität

Die Vorhaltung der Netzreserve dient dazu, Überlastungen im Übertragungsnetz zu verhindern, die aufgrund des unzureichenden Netzausbaus bestehen. Bei hoher Stromnachfrage und gleichzeitig hoher Erzeugung aus Windenergieanlagen muss das überlastete Netz stabilisiert werden. Dann wird Erzeugungsleistung vor dem Engpass vermindert und gleichzeitig die Erzeugungsleistung hinter dem Engpass erhöht.

Dieser „Redispatch“ genannte Ausgleichsmechanismus wird zunächst mittels am Markt agierender Kraftwerke durchgeführt. In bestimmten Netzsituationen reichen diese Kraftwerke jedoch nicht zur Netzentlastung aus. In diesen Fällen müssen zusätzlich Netzreservekraftwerke eingesetzt werden. Die Netzreserve besteht aus zur Stilllegung angezeigten Kraftwerken, die systemrelevant sind und deshalb nicht stillgelegt werden dürfen.

Kraftwerke aus der Netzreserve dürfen nicht mehr am Stromerzeugungsmarkt eingesetzt werden, sondern ausschließlich auf Anforderung der Netzbetreiber zum Redispatch. Die Netzreservekraftwerke sind daher nur noch in relativ wenigen Stunden eines Jahres in Betrieb.

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