EU-Gipfel in Sibiu: Enttäuschung über Deutschland groß

 Klimaschutz und Schutz der Bürger – nur unter ferner liefen – Offener Brief von Fridays for Future

Beim letzten Gipfel vor der Europawahl im rumänischen Sibiu wollte die EU den Aufbruch in eine Zukunft ohne Großbritannien inszenieren – eigentlich. Doch ausgerechnet bei dem Zukunftsthema sperrte sich die Kanzlerin: Der EU-Rat setzte Klimaschutz nicht höher auf die Agenda. Die Bundesregierung beweist sich in Bezug auf das EU-Klimaziel für 2050 nicht handlungsfähig. Darüber zeigt sich die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch enttäuscht und besorgt.

„Die Menschen in Europa machen sich wie nie zuvor Sorgen über die Klimakrise. Darauf hat dieser EU-Zukunftsgipfel keine Antwort gegeben“, sagt Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch. „Wir haben uns gemeinsam mit vielen anderen gewünscht, dass die EU den Schutz der Bürger vor der Klimakrise höher auf die Tagesordnung setzt. Doch das ist noch nicht gelungen.“

Erst nach der Europawahl wollten die Regierungen darüber entscheiden, welche strategische Rolle sie in der neuen Legislaturperiode dem Schutz vor der Klimakrise durch Klimaschutz und -anpassung  geben wollen. Leider habe insbesondere auch die Bundesregierung in Sibiu verhindert, dass es eine Richtungsentscheidung für einen Ausstieg der EU aus Kohle, Öl und Gas bis spätestens 2050 geben konnte.

„Die Bundesregierung hat blockiert, weil sie noch keine abgestimmte Position dazu hat. Das Wirtschaftsministerium, das hier vor allem auf der Bremse steht, untergräbt den Ruf Deutschlands als Treiber von Innovationen. Eine fortgesetzte Blockade durch Deutschland wäre extrem peinlich für die Kanzlerin, den Wirtschaftsminister und das Land insgesamt.“

Beim Europäischen Rat am 20. und 21.06.2019 solle es nun um die im Pariser Klimaabkommen zugesagte Konkretisierung des EU-Klimaziels gehen. „Ein gutes Drittel der EU-Staaten unterstützt sehr engagiert den Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas bis spätestens 2050. Weitere zeigen Bereitschaft, hier mitzuziehen. Daher kommt Deutschland eine Schlüsselrolle zu“, so Christoph Bals. „Die Europawahl wird nun auch zur Klimawahl. Das Ergebnis dort kann dazu führen, dass die Bundesregierung die notwendigen Entscheidungen auf EU-Ebene nicht länger blockiert.“

Offener Brief von Greta Thunberg und „Fridays for Future“

Die „Fridays for Future“-Bewegung fordert seit Wochen ein Umdenken in der europäischen Politik – doch passiert ist nichts. In einem offenen Brief an die EU-Staatschefs, den NEON exklusiv veröffentlicht, fordern Greta Thunberg, Luisa Neubauer und 16.000 Schüler: „Machen Sie das Klima zur Priorität!“

20-25000 Demonstranten bei Fridays4Future in Berlin – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

„An alle Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union,
es ist jetzt schon mehr als sechs Monate her, dass Schüler und Studierende inspiriert durch Greta Thunberg in ganz Europa die #FridaysForFuture-Streiks gestartet haben. Wenn wir seitdem jedes Mal einen Cent bekommen hätten, wenn uns ein Politiker gesagt hat, dass der Klimawandel nicht auf nationaler Ebene, durch ein einzelnes Land allein, angegangen werden kann, sondern nur durch internationales oder europäisches Handeln – wir wären jetzt reich.

Am 9. Mai kommt Ihre Gruppe von Premierministern, Kanzlern und anderen Staatschefs in Sibiu zusammen, um über die Zukunft Europas zu sprechen. Nur wird Europa keine Zukunft haben, wenn wir keine Lösung für die Klimakrise finden. Werden Sie also über das Klima sprechen? Werden Sie es in Zukunft zur Priorität machen? Werden Sie es als Krise benennen und es nicht als „Nachhaltigkeitsthema“ abtun?

Machen Sie das Klima zur Priorität!

Legen Sie verbindliche Ziele für Europa fest, um der Klimakrise zu begegnen!

Handeln Sie für unsere Zukunft!

Im Moment erleben Europa und die ganze Welt eine Bewegung, die es so noch nie zuvor gegeben hat. Wir junge Menschen haben uns in einer Anzahl und Häufigkeit mobilisiert, welche viele für unmöglich gehalten hatten. Wir haben es aber getan. Denn wir haben einfach Angst. Wir haben Angst, dass mächtige Menschen damit angefangen haben, unsere Zukunft zu verkaufen. Und weil wir uns von Ihnen verraten fühlen, da Sie wiederholt das Ergreifen dringender Maßnahmen versäumen. Denn wir jungen Menschen wachsen mitten im sechsten Massensterben auf. Und das auf einem Planeten, der bereits im unvorstellbaren Maße Schaden genommen hat. Wir stehen jetzt vor der größten Katastrophe der Menschheitsgeschichte. Diese Krise hat uns junge Europäer zusammengebracht. Wir sind vereint: eine europäische Generation, die in eine Klimakrise hineingeboren wurde. Und deren Zukunft von einer Europäischen Union abhängt, die ihre Verantwortung für den Schutz unserer Zukunft anerkennt.

Immer wieder haben Sie uns in Brüssel, Straßburg und Paris gesagt, dass Sie bereit seien, europäische Antworten auf diese Krise zu finden. In Sibiu werden sich nun Schülern und Studierende aus ganz Europa den Streikenden aus Rumänien anschließen, um Sie an Ihre Worte zu erinnern und Sie aufzufordern, sich mit uns zu treffen. Derzeit sind Sie noch weit davon entfernt, Maßnahmen und verbindliche Ziele zu schaffen, um weit vor 2050 ein CO2-neutrales Europa zu ermöglichen – was, wie die Wissenschaft belegt, die einzige Möglichkeit ist, um den Planeten auf einen Kurs von 1,5 Grad zu bringen.

Die EU ist der drittgrößte Emissions-Verursacher der Welt. Sie trägt eine enorme Verantwortung, nicht nur für unsere Zukunft, sondern auch für das Leben von Milliarden Menschen auf der ganzen Welt.

Werden Sie dieser Verantwortung gerecht. Machen Sie das Klima zur Priorität. Es ist der einzig vernünftige Weg.

Im vergangenen Monat haben Sie uns eingeladen, vor dem Europäischen Parlament zu sprechen. Sie sagten, Sie hätten uns verstanden. Sie sagten, Sie würden sich für dringende Maßnahmen einsetzen. Also handeln Sie. Die ganze Welt, so wie wir auch, schaut Ihnen zu.“ (nach stern.de/fridays-for-future—offener-brief-an-eu-staatschefs-beim-gipfel-in-sibiu)

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