Kommissionsmitglieder warnen: Noch ist der Kohleausstieg völlig offen.
Worauf kommt es bei der Umsetzung des Kohlekompromisses jetzt an? Das wollten das NGO-Bündnis Klima Allianz und der Deutsche Naturschutzring am 08.05.2019 in Berlin wissen. Eingeladen waren ehemalige Mitglieder der Kohlekommission, Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) und die Schülerin Franziska Wessel von Fridays for Future. Diese legte gleich zu Beginn den Finger in die Wunde: „Wenn wir das 1,5-Grad-Ziel nicht einhalten, ist egal, was ihr Politiker Kleines getan habt.“ Wir müssen handeln, jetzt und entschlossen, das ist ihr Appell. Allein: Die am Abend versammelten Experten und Politiker musste sie davon gar nicht mehr überzeugen. Clemens Weiß von energiezukunft war dabei.
Union verweigert Diskussion – und wird zum Thema
Das Hauptproblem saß gar nicht im Raum. Aus der Union war niemand gekommen, um über Kohleausstieg und Klimaschutz zu diskutieren. Er wisse nicht, ob CDU und CSU den Kohleausstieg und ein Klimaschutzgesetz in den nächsten acht Monaten stemmen könnten, sagte der Koalitionspartner in Person von Matthias Miersch, SPD-Vize im Bundestag. „Wir dürfen nicht den Fehler machen zu denken, dass die Diskussion um den Kohleausstieg schon abgeschlossen wäre. Sie fängt gerade erst an“, warnt er.
Fehlt die Kraft?
„Mein Eindruck ist, dass die Kanzlerin diesen Kampf führen will“, sagte Miersch weiter. Er sei sich aber nicht sicher, ob das Parlament entsprechende Kohleausstiegs- oder Klimaschutzgesetze umsetzen könne und meinte damit die Unionsfraktion im Bundestag. Diese hatte sich in der Vergangenheit nicht als Vorkämpfer für Energiewende und Klimaschutz gezeigt.
Umweltministerin Svenja Schulze formulierte ihre Kritik an der Union als Mitglied der Bundesregierung sanfter. Sie erinnere der Kampf um das Klimaschutzgesetz an ihre damalige WG-Zeit: Nur wenn man sich – wie nun im Klimakabinett – verbindlich zusammensetze, würden die Aufgaben wirklich erledigt. Die harten Auseinandersetzungen müsse man aushalten. Zum Kohleausstieg gab sie zu: Bei den Verhandlungen mit den Kohle-Konzernen darf ihr Ministerium nicht mitmischen.
Wirtschaftsministerium offenbar überfordert
Das zuständige Wirtschaftsministerium macht seit Monaten keine gute Figur. Kai Niebert, Präsident des Deutschen Naturschutzrings und ebenfalls Mitglied der Kohlekommission, erzählte, das Ministerium habe für die Verhandlungen zur Abschaltung und Entschädigung der Kohlekraftwerke „noch keine Kapazitäten“. So habe man ihm das mitgeteilt. „Da frage ich mich schon: Wie gut ist das Ministerium überhaupt organisiert?“ Die Frage falle derzeit öfter.
Die Verhandlungen müssten eigentlich längst begonnen haben, schließlich soll noch in diesem Jahr das Kohleausstiegsgesetz stehen. Offenbar haben bisher lediglich Vorgespräche über den Zeitplan stattgefunden.
Wichtig ist der Einstieg
Weitgehend einig waren sich die Teilnehmer darin, dass das Ergebnis der Kohlekommission nicht genug ist. Das 1,5-Grad-Ziel werde nicht erreicht, wohl aber das Klimaziel für 2030, wenn die anderen Bereiche wie Verkehr und Wärme mitziehen. Und die Bundesregierung endlich den Ökostrom-Ausbau voranbringt.
Optimistisch blickten sowohl Niebert als auch Schulze auf das Kohleausstiegsdatum. Offiziell hatte die Kommission das Enddatum 2038, frühestens 2035 genannt. Sei der Einstieg in den Kohleausstieg allerdings einmal geschafft, könne sich eine Dynamik entwickelt, an deren Ende der Kohleausstieg deutlich vor 2038 stattfinden könnte. So die Vermutung.
Schneller Kohleausstieg möglich
Dafür seien die Überprüfungszeiten im Kohlekompromiss günstig gewählt, sagte Niebert. Ab 2023 soll der Ausstieg regelmäßig überprüft werden. Ebenfalls zu diesen Zeiten stehen Verschärfungen der Klimaschutzzusagen für das Pariser Klimaabkommen an. Deutschland könnte dann das Tempo des Kohleausstiegs anziehen. Vorausgesetzt, CDU und CSU stimmen diesem überhaupt zu. cw
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