Bundes-Stromübertragungsnetz – eine Überlegung wert
Die Grünen-Bundestagsfraktion hat mit einem Antrag einen erneuten Vorstoß zur Verstaatlichung der Stromnetze unternommen. Sie wollen aus den momentan bei der KfW geparkten Anteilen am Netzbetreiber 50 Hertz die Basis für die Gründung einer Bundesnetzgesellschaft machen. Die Staatsanteil an den vier großen Übertagungsnetzen sollen dann mit der Zeit in einer Bundesnetzgesellschaft zusammengefasst werden. Die Grünen erhoffen sich dadurch einen Impuls für den Netzausbau. Zudem seien die Stromnetze als kritische Infrastruktur besonders schützenswert und damit eine Beteiligung des Bundes sinnvoll.
Zwar wollte die Bundesregierung mit der Beteiligung von 20 Prozent an 50 Hertz nur den Einstieg des chinesischen Netzbetreibers SGCC verhindern, und wollte die Anteile Bank eigentlich nur bei der KfW „zwischenparken“. Doch die deutschen Netze sind mitnichten frei von staatlicher (allerdings nicht deutscher) Beteiligung. Der 50-Hertz-Mehrheitsaktionär Elia gehört knapp zur Hälfte belgischen Kommunen. Eigentümer des größten deutschen Netzgebietes ist Tennet, ein 100-prozentiger Staatskonzern der Niederlande.
„Fraglich ist, ob der Bund tatsächlich fähig und willens ist“, so Karsten Wiedemann, Leiter Energiepolitik und Neue Märkte bei energate messenger, „die enormen Summen aufzuwenden, die für den Umbau der konventionellen Netze zu Smart Grids nötig sein werden. Doch wenn man diese Aufgabe den – vielerorts klammen – Kommunen zutraut, die den Großteil der deutschen Verteilnetze besitzen, warum dann nicht auch dem Bund im Übertragungsnetz?“
Im Wortlaut: Der Antrag der Grünen „Öffentlichen Einfluss auf das Stromnetz stärken“
Deutscher Bundestag – Drucksache 19/9564 – 19.Wahlperiode – 18.04.2019
Antrag der Abgeordneten Dr. Ingrid Nestle, Dr. Julia Verlinden, Lisa Badum, Dr. Bettina Hoffmann, Sylvia Kotting-Uhl, Steffi Lemke, Gerhard Zickenheiner, Harald Ebner, Matthias Gastel, Oliver Krischer, Christian Kühn (Tübingen), Renate Künast, Friedrich Ostendorff, Corinna Rüffer, Markus Tressel und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Öffentlichen Einfluss auf das Stromnetz stärken
Der Bundestag wolle beschließen:
I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Die vier Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz Transmission GmbH, TenneT TSO GmbH, Amprion GmbH und TransnetBW GmbH errichten und betreiben die Höchstspannungsnetze in Deutschland. Damit leisten sie einen unverzichtbaren Beitrag zum Gelingen der Energiewende. Denn für die Erneuerbaren ist der schnelle Ausbau der Stromleitungen von zentraler Bedeutung. Auch die Betriebsführung der Netze muss sich an den Bedürfnissen der Energiewende ausrichten, wenn diese erfolgreich zu Ende geführt werden soll.
Beim Übertragungsnetz Strom handelt es sich um ein natürliches Monopol, bei dem es per Definition keinen Wettbewerb geben kann und damit auch die Vorteile einer privatwirtschaftlichen Lösung wegfallen. Vor diesem Hintergrund sollte der Staat im Rahmen der aktuellen Marktlage mehr Verantwortung übernehmen und Einfluss auf dieses Monopol zurückgewinnen, das zudem auch eine kritische Infrastruktur ist. Dies kann er zum Beispiel erreichen, indem er seine Anteile an den deutschen Netzbetreibern erhöht und in eine Bundesnetzgesellschaft überführt. So kann er noch direkter darauf hinarbeiten, dass das Stromnetz den Anforderungen der Energiewende und des Kohleausstiegs gerecht wird und verfügt auch selbst über alle relevanten Daten. Auch Bürger, die entlang neuer Stromleitungen woh-nen, kritisieren immer wieder die private Eigentümerstruktur der Netzbetreiber.
Seit dem letzten Sommer hält die Staatsbank KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau) bereits 20 Prozent am Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz. Der Erwerb der Anteile durch die KfW wurde von der Bundesregierung jedoch als Brückenlösung bezeichnet mit dem Ziel die Anteile an 50Hertz perspektivisch wieder zu veräußern.
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
- gesetzlich festzulegen, dass die Anteile an den Übertragungsnetzbetrei-bern, die bereits dem Bund gehören, nicht verkauft und stattdessen in eine Bundesnetzgesellschaft in Bundeshand überführt werden;
- gesetzlich dem Bund ein Vorkaufsrecht bei Anteilsverkäufen oder Kapi-talerhöhungen der Übertragungsnetzbetreiber einzuräumen, mit dem Ziel Schritt für Schritt seine Anteile am Netz auszubauen. Dabei ist sicherzu-stellen, dass spekulative Preiserhöhungen ausgeschlossen werden.
Berlin, den 2. April 2019
Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion
Begründung
In den meisten europäischen Ländern befinden sich die Übertragungsnetzbetreiber im Voll- oder Teilbesitz von Staatsunternehmen. In Deutschland jedoch gehören die Übertragungsnetze zum Teil Staatsunternehmen anderer Länder und befinden sich ansonsten im Besitz von Akteuren unterschiedlichster Interessen. Das ist das Resultat der marktradikalen FDP-Politik von 2012. Damals verhinderte der damalige FDP-Wirtschaftsminister, dass die Übertragungsnetze in eine Bundesnetzgesellschaft überführt wurden.
Anstatt einer Bundesnetzgesellschaft ergibt sich jetzt der folgende Flickenteppich:
- Die Amprion GmbH gehört zu 25,1 Prozent der RWE AG und zu 74,9 Prozent der M31 Beteiligungsgesellschaft mbH & Co Energie KG. Dabei handelt es sich um ein Konsortium von überwiegend deutschen Finanzinvestoren.
- Der Übertragungsnetzbetreiber TenneT gehört zu 100 Prozent dem niederländischen Staat. Die regulierten Ge-schäftsaktivitäten werden in zwei Geschäftsbereichen in den Niederlanden und in Deutschland gesteuert und von der niederländischen und der deutschen Regulierungsbehörde überprüft. TenneT übt auch im nicht regulierten Bereich Tätigkeiten aus und hält beispielsweise 17 Prozent Anteile an der nordwesteuropäischen Strombörse EPEX Spot SE.
- 50Hertz gehört über ein Firmengeflecht dem belgischen Übertragungsnetzbetreiber Elia zu 80 Prozent und der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) zu 20 Prozent. Die Anteile der Eigner liegen in einer Holdinggesellschaft nach belgischem Recht, der Eurogrid International CVBA/SCRL.
- Der Übertragungsnetzbetreiber TransnetBW gehört de facto zu 100 Prozent dem Erzeugungsunternehmen EnBW AG. Die EnBW AG gehört wiederum fast zur Hälfte (46,75 Prozent) dem Land Baden-Württemberg und zu 46,75 Prozent dem Zweckverband Oberschwäbische Elektrizitätswerke (OEW), welcher wiederum von Gemeinden in Baden-Württemberg gehalten wird. Der Rest verteilt sich auf kleinere Aktionäre.
->Quellen: