Selbstversuch: klimaneutral leben in Berlin
Hundert Haushalte in Berlin haben versucht, ihren CO2-Ausstoß drastisch zu senken. Dabei lernten sie, was hilft: digitales Tracking, Unterstützung durch die Gruppe – und die richtige Ausrüstung, wie Mareen Linnartz in der Süddeutschen Zeitung vom 31.05.2019 schrieb.
Wann beginnt Fieber? Bei 38,2 Grad. Wie schnell darf man in geschlossenen Ortschaften fahren? 50 km/h. Wie groß ist der CO2-Ausstoß eines Deutschen jedes Jahr? Eben. Das weiß kaum einer und vielleicht ist genau das schon ein Teil des Problems. Denn was man nicht sieht und nicht riecht und was deswegen irgendwie nicht existiert, ist keine konkrete Gefahr und damit auch keine feste Größe im Bewusstsein.
Der jährliche CO2-Ausstoß eines Deutschen beträgt: 11,6 Tonnen – ein sehr hoher Wert. Wollte man klimaneutral leben, dürfte man etwa eine Tonne ausstoßen. Wollte man persönlich das von der Bundesregierung gesetzte Ziel erreichen, bis zum kommenden Jahr den CO2-Austoß um 40 Prozent zu verringern, müsste man ausgehend vom Durchschnitt bei sieben Tonnen landen. Die Bundesregierung hat dieses Vorhaben längst kassiert, es ist unerreichbar. Aber knapp hundert Berliner Haushalte wollten es im vergangenen Jahr trotzdem schaffen. Als Selbstversuch – und als Teil der Studie „Klimaneutral leben in Berlin“ (KliB), federführend geleitet vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (weiterlesen…).
Reallabor „Klimaneutral leben in Berlin“ zieht Bilanz: Jeder Einzelne kann etwas zur Klimastabilisierung beitragen, aber ohne die Politik geht es nicht
Die Klima-Bilanz der KliB-Haushalte ist rund 35% besser als der deutsche Durchschnitt
„Jeder kann einen großen Beitrag zur Klimastabilisierung leisten, etwa durch eine Ernährung mit mehr Gemüse und wenig Fleisch, indem man öfter auf Rad oder öffentliche Verkehrsmittel umsteigt oder zu Hause auf Grünstrom umstellt“, sagt Fritz Reusswig, Leiter des Projekts „Klimaneutral leben in Berlin“. Während der Bundesdurchschnitt bei etwa 11 Tonnen CO2 pro Jahr liegt, waren die am KliB-Reallabor freiwillig teilnehmenden Haushalte von Anfang an schon deutlich klima-affiner. „Je besser die eigene Klima-Bilanz ist, desto schwieriger wird es, weiteres CO2 einzusparen. Aber auch dann gibt es noch Möglichkeiten, den eigenen CO2-Fußabdruck weiter zu senken“, erklärt Reusswig. Besonders erfolgreich waren Haushalte, die im Rahmen des Reallabors Energieberatungen beanspruchten – sie konnten ihren CO2-Fußabdruck um bis zu 40 Prozent senken. Andere Haushalte waren weniger erfolgreich dabei, Emissionen einzusparen – etwa wenn in Familien mit Kindern mal ein Schüleraustausch nach Neuseeland zwar den Horizont, aber auch die Klima-Bilanz um einige Emissionen erweiterte. Im Mittel senkten die KliB-Haushalte ihren CO2-Fußabdruck um etwa 10 Prozent und landeten damit bei 7,8 Tonnen pro Kopf – rund 35 Prozent besser als der deutsche Durchschnitt. Ein persönlicher CO2-Fußabdruck, der mit den globalen Klimaschutzzielen von Paris, den Klimaschutzzielen des Bundes und dem Klimaneutralitätsziel des Berliner Senats für 2050 übereinstimmt, müsste aber auf ungefähr 1 Tonne CO2 pro Kopf und Jahr herunterkommen.
->Quellen: