Konzertierte Kritik am Entwurf des Gebäudeenergiegesetzes

„Staatsversagen“

Auch wenn sich die Minister noch nicht in allen Punkten geeinigt haben, gaben Bundesbau- und -wirtschaftsministerium den seit eineinhalb Jahre überfälligen Entwurf für das Gebäudeenergiegesetz am 29.05.2019 in die Verbändeanhörung. Mögliche Änderungen könnten geplante und bereits genehmigte Immobilien-Projekte unwirtschaftlich machen, warnte Klaus Peter Hesse, Sprecher der Geschäftsführung des Zentralen Immobilien Ausschusses e.V., in einem Gespräch mit energate-immo. Substantiertere Kritik kam von BEE und DUH („Staatsversagen“).

BEE: Festschreiben des Status Quo statt ambitionierter Klimaschutz

„Der gemeinsame Referentenentwurf des Bundeswirtschafts- und des Bundesinnenministeriums des Gebäudeenergiegesetzes (GEG), ist nicht geeignet, der Energiewende im Gebäudebereich entscheidende Impulse zu geben“, sagte Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE). Im Wesentlichen schreibe der Entwurf den Status Quo fest – ohne wirksame Verbesserungen für den Klimaschutz. Damit könnten die Klimaschutzziele in der Wärme- und Kälteversorgung nicht erreicht werden. Schlimmer noch: Er leiste nicht einmal im Ansatz einen zusätzlichen Beitrag zum Erreichen der Klimaziele und unterhöhle damit das Klimaschutzgesetz.

„Als hätte es weder die Ratifizierung des Pariser Klimaschutzabkommens gegeben, noch die stetigen und anhaltenden Proteste junger Menschen für eine effektive Klimaschutzpolitik oder die klare inhaltliche Ausrichtung der Europawahl für Klimaschutz, stolpert die Bundesregierung klimapolitisch weiter. Die Klimaziele geraten so immer weiter aus dem Fokus“, so Peter.

Wärmedämmung an Berliner Wohnhaus (energetische Sanierung) – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Gegenüber dem Entwurf vom November 2018 zeige der aktuelle zum Teil sogar Verschlechterungen. Dies betreffe den Verzicht auf die Umstellung der Ermittlung des Primärenergiebedarfs von Fernwärme. Hier soll es nun bei der überholten Stromgutschriftmethode bleiben. Diese weise den Primärenergieaufwand bei der Fernwärme ausschließlich dem erzeugten Strom zu und tue so, als würde die Wärme primärenergiefrei erzeugt. „Das GEG wird infolgedessen keinen Beitrag zum Umstieg auf Erneuerbare Energien in der Fernwärme leisten. So kann der Kohleausstieg in der Fernwärme nicht vorankommen“ kommentiert Peter. Aus Sicht des BEE sollte – wie im bisherigen Gesetzentwurf – schnell und mit Übergangsfristen für Bestandsnetze von etwa fünf Jahren auf die Carnot-Methode*) umgestellt werden. Diese Einführung nunmehr für den Zeitraum ab 2030 zu prüfen, sei ein erneutes Vertagen von Lösungen, die man heute bereits ergreifen könne.

*) Die Carnot-Methode (benannt nach Nicolas Léonard Sadi Carnot, 1796-1832, Begründer der Thermodynamik)  ist ein Verfahren, um bei energetischen Kuppelprodukten den Brennstoffeinsatz (Primärenergie), aber auch andere Inputfaktoren wie CO2-Emissionen oder variable Kosten aufzuteilen. Sie bedient sich dabei der Arbeitsfähigkeit der energetischen Kuppelprodukte gemäß dem Carnot’schen Wirkungsgrad als Aufteilungsschlüssel. Damit entspricht sie einer exergetischen Äquivalenzziffermethode, da gleicher Exergiegehalt gleich bewertet wird. Primäres Anwendungsgebiet ist die Kraft-Wärme-Kopplung, es sind aber auch andere energetische Kuppelprodukte denkbar, wie z. B. die Erzeugung von Kälte unter Nutzung der Abwärme zu Heizzwecken oder die Erzeugung von Druckluft und Wärme. Sie hat den Vorteil, dass keine externen Referenzwerte für die Aufteilung des Inputstromes auf die Outputströme notwendig ist, sondern dass hierfür nur endogene Prozessparameter benötigt werden. (nach Wikipedia)

Außerdem müsse die Förderung fossil befeuerter Heizsysteme beendet werden. „Klimaschutz und neue Ölheizungen – das passt nicht zusammen. Die Förderung von Öl- und Gasheizungen, die mit fossilen Brennstoffen befeuert werden, muss das GEG in Zukunft ausschließen.“

Erforderlich sei auch, dass die Ziele des GEG ambitioniert gesetzt würden. Es reiche nicht, nur ein allgemeines Klimaziel für 2050 zu formulieren. „Erforderlich sind im GEG auch Ziele für den Anteil Erneuerbarer Wärme und den Anstieg der Energieeffizienz – und zwar nicht nur für 2050, sondern auch Zwischenziele für 2030 und 2040. Dass sich das Energie- und Bauministerium aber nicht einmal auf eine Fortschreibung des seit zehn Jahren geltenden Ziels verständigen kann, den Anteil Erneuerbarer Wärme bis 2020 auf 14 Prozent zu erhöhen, ist nicht nachvollziehbar für ein Gesetz, das frühestens am 1. Januar 2020 in Kraft treten wird.“

Methodenwechsel in der primärenergetischen Bewertung der Nutzwärme der Kraft-Wärme-Kopplung – von der bisher genutzten Stromgutschriftmethode auf die Carnot-Methode. Dies hat vor allem zur Folge, dass

  • KWK-Anlagen mit hohen Stromkennzahlen, wie Gas- und Dampfturbinenkraftwerke oder große Blockheizkraftwerke, deutlich schlechter bewertet werden;
  • ein niedriger Primärenergiefaktor des Brennstoffs, wie bei Biomethan, Holz oder Siedlungsabfällen, einen deutlich geringeren Einfluss auf den Primärenergiefaktor der Nutzwärme hat;
  • die Vor- und Rücklauftemperatur des Wärmenetzes in die Bewertung der Nutzwärme aus KWK-Anlagen einfließen und ein Anreiz für die Absenkung der Temperaturen gegeben wird;
  • Primärenergiefaktoren von Wärmenetzen steigen und primärenergetisch günstige Netze mit sehr hohem Anteil Erneuerbarer Energien zukünftig mit 0,2 bis 0,3 bewertet werden. (Nach Becker Büttner Held: derenergieblog.de/zaesur-im-waermemarkt-der-geg-entwurf-und-die-primaerenergiefaktoren)

DUH: Bundesregierung verpasst Chance für Wärmewende und Klimaschutz erneut

Die Deutsche Umwelthilfe kritisierte, der Entwurf für das GEG , ein Gesetz, das ursprünglich schon zum 01.01.2018 (!) in Kraft treten sollte, sei überfällig. Der Entwurf aber schreibe lediglich die derzeit geltenden energetischen Anforderungen der EnEV 2016 fort. Der Entwurf belege den geringen Stellenwert der Wärmewende für die Bundesregierung, da wichtige klimapolitische Maßnahmen weiterhin nicht ergriffen würden. Der GEG-Entwurf manifestiere den klimapolitischen Stillstand im Gebäudebereich, dabei wären CO2-Einsparungen in diesem Sektor essenziell für Klimaschutz. Die Schlupflöcher im Gesetz stellen das „Efficiency First“-Prinzip des Koalitionsvertrags in Frage.

Laut DUH bleibt der jetzt vorliegende Entwurf weit hinter den aus Klimaschutzsicht nötigen Anforderungen zurück und verkennt damit, dass heute schon langfristig geplant werden muss. Mit dem vorliegenden Entwurf würden heute die Sanierungsfälle von morgen gebaut. So sei der „Niedrigstenergiegebäudestandard“ nicht ehrgeizig und vorausschauend definiert. Zudem enthalte der Entwurf zahlreiche Schlupflöcher, mit denen sich die ohnehin schon schwachen Effizienzanforderungen für Neubauten weiter aufweichen ließen, vor allem durch die sogenannte „Innovationsklausel“.

Barbara Metz, Stellvertretende Bundesgeschäftsführerin der DUH: „Man muss von Staatsversagen sprechen, wenn man sieht wie stiefmütterlich die Bundesregierung mit dem Energieeinsparpotential im Gebäudesektor umgeht. Das Nicht-Handeln bei zentralen klimapolitischen Maßnahmen im Gebäudebereich geht auf Kosten von Investoren, Verbrauchern und des Klimaschutzes. Dieses Nichtstun heute wird den Verbraucher zukünftig Steuern in Milliardenhöhe kosten. Der Klimaschutzbericht macht deutlich: Damit Deutschland seine verbindlichen Klimaziele bis 2030 und letztendlich den klimaneutralen Gebäudebestand bis 2050 erreicht, müssen sogar noch zusätzliche Maßnahmen umgesetzt werden. Es gilt alle vorhandenen CO2- und Energieeinsparpotenziale bei Gebäuden jetzt zu mobilisieren. Wir fordern von der Bundesregierung endlich eine klare Haltung pro Wärmewende über Legislaturperioden hinweg. Nur so schafft man Planbarkeit.“

Weiter kritisierte die DUH, die Bundesregierung schaffe mit dem derzeitigen Vorgehen und kurzfristigen Agieren nach dem Motto „so wenig wie möglich“ heute die Sanierungsfälle von morgen. Die Regierung dürfe beim Thema Wirtschaftlichkeit nicht nur die Anfangsinvestitionen betrachten, sondern den gesamten Lebenszyklus und Sanierungsbedarf eines Gebäudes. Dann zeige sich, dass sich umfangreiche Energieeffizienzmaßnahmen langfristig auszahlten. Der Gesetzesentwurf bleibe hinsichtlich des zu definierenden „Niedrigstenergiestandards“ für neue, öffentliche Nichtwohn-Gebäude ab 2019 und alle anderen Neubauten ab 2021 weit hinter dem aus Klimaschutzsicht Notwendigen zurück.

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