Ostländer machen nicht mit – BEE und Germanwatch fordern Nachbesserung
Gestern (20.06.2019) titelte n-tv noch optimistisch: „Gipfel könnte CO2-Plan fassen – Merkel bekennt sich zu klimaneutraler EU“. Nach einigem Zögern unterstütze die Bundesregierung nun doch „ausdrücklich“ die Verpflichtung, „Klimaneutralität bis zum Jahr 2050 zu erreichen“, so Merkel kurz vor Beginn des EU-Gipfels in Brüssel. Doch daraus wurde nichts: „EU-Klimaziel wird zur Fußnote“ – die Verhandlungen seien vor allem am Widerstand aus Osteuropa gescheitert, so derSpiegel tags darauf.
Nachdem sich das Kohlestrom-Land Polen, aber auch Tschechien, Ungarn und Estland geweigert hatten, wurde die verbindliche Festlegung, der zufolge die EU bis 2050 klimaneutral werden müsse, aus der Abschlusserklärung des Gipfels gestrichen „und zur Fußnote degradiert“ wörtlich: „Für eine große Mehrheit der Mitgliedstaaten muss die Klimaneutralität bis 2050 erreicht werden“¹). Jetzt heißt es nur noch lasch, dass die EU sich an die Vorgaben des Pariser Klimaabkommens halten soll.
Klimeneutralität bis 2050 hätte bedeutet, dass die CO2-Emissionen der EU auf ein Minimum reduziert und alle unvermeidbaren Emissionen mit Klimaschutzmaßnahmen hätten kompensiert werden müssen. Diesen Zustand bis zur Mitte des Jahrhunderts zu erreichen, gilt als notwendig, um gemäß des Pariser Klimabakommens eine Erwärmung des Weltklimas über 1,5 Grad zu vermeiden.
Das Klimakapitel der Abschlusserklärung: „Der Europäische Rat unterstreicht, wie wichtig der Klimagipfel des Generalsekretärs der Vereinten Nationen im September für die Intensivierung der globalen Klimaschutzmaßnahmen ist, damit das Ziel des Übereinkommens von Paris auch durch die Fortsetzung der Anstrengungen, den Temperaturanstieg auf 1,5 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, verwirklicht wird. Er begrüßt die aktive Beteiligung der Mitgliedstaaten und der Kommission an den Vorbereitungen.
Im Anschluss an die sektorenbezogenen Gesprächsrunden der letzten Monate ersucht der Europäische Rat den Rat und die Kommission, die Beratungen über die zu schaffenden Voraussetzungen, Anreize und günstigen Rahmenbedingungen voranzubringen, um unter Wahrung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit, unter Berücksichtigung der nationalen Gegebenheiten der Mitgliedstaaten und unter Wahrung ihres Rechts, ihren Energiemix selbst festzulegen, einen gerechten und sozial ausgewogenen Übergang zu einer klimaneutralen EU im Einklang mit dem Übereinkommen von Paris¹ bewerkstelligen, und dabei auf den Maßnahmen aufzubauen, die bereits vereinbart wurden, um das für 2030 angestrebte Emissionsminderungsziel zu erreichen. Der Europäische Rat wird seine diesbezüglichen Vorgaben bis zum Jahresende fertigstellen, damit Anfang 2020 die langfristige Strategie der EU angenommen und dem UNFCCC übermittelt werden kann. In diesem Zusammenhang ersucht der Europäische Rat die Europäische Investitionsbank, ihre Tätigkeiten zur Unterstützung des Klimaschutzes zu intensivieren.
Die EU und ihre Mitgliedstaaten sind nach wie vor entschlossen, die Mobilisierung internationaler Finanzmittel für den Klimaschutz aus den verschiedensten privaten und öffentlichen Quellen zu verstärken und sich für eine zügige, gut organisierte und erfolgreiche Wiederauffüllung des globalen Klimaschutzfonds einzusetzen.“
BEE: Ziele und Maßnahmen müssen dennoch kurzfristig nachgeschärft werden
Das Scheitern der Klimapläne beim EU-Gipfel sein ein „ein fatales Zeichen für den Klimaschutz und die Sicherung unserer Lebensgrundlagen. Die Verhandlungen zeigen aber auch, dass nur einzelne Länder blockiert haben, während fast alle EU-Staaten die Treibhausgasneutralität bis 2050 weiterhin wollen. Im Sinne des Klimaschutzes und der erneuerbaren Wertschöpfung in Europa sollte diese deutliche Mehrheit auch ohne erfolgreichen Kompromiss entsprechend ihres Votums handeln“, kommentierte BEE-Präsidentin Simone Peter die „Ergebnisse“ des EU-Gipfels.
„Die Unterstützer der Treibhausgasneutralität müssen nun ihren Worten schnell Taten folgen lassen. Denn weiterhin bleibt unklar, wie die europäischen Staaten die Pariser Klimaziele erreichen wollen. Wenn weder das CO2-Einsparziel noch die Maßnahmen für 2030 angepasst werden, können die entscheidenden Technologien für den Klimaschutz, die Erneuerbaren Energien, ihre Wirkung nicht ausreichend entfalten. Damit würde bis 2030 ein relevanter Teil des verbleibenden CO2-Budgets verbraucht und das 1,5-Grad-Ziel wäre de facto gestrichen“, machte Peter deutlich.
„Es ist schlicht unglaubwürdig, weiterhin Klimaschutz mit angezogener Handbremse zu betreiben und danach völlig unerwartet Vollgas geben zu wollen, um die Klimagasneutralität bis 2050 zu schaffen. Für das Europäische Parlament heißt das, in dem bevorstehenden Prozess der 2023-Ziel-Überprüfung Druck zu machen, damit die geltenden Rats- und Kommissionsbeschlüsse nachgebessert werden. Außerdem bedarf es einer deutlichen Anhebung der in den jeweiligen Richtlinien festgeschriebenen verbindlichen Ziele für Erneuerbare, Energieeffizienz und auch Triebhausgasminderung“. Eine Anhebung des 2030-Treibhausgasreduktionsziels von 40 auf 55 Prozent habe jüngst auch der Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, gefordert.
„In Deutschland ist die Politik jetzt gefordert, das in der EU unterstützte Ziel Treibhausgasneutralität bis 2050 in die nationale Zielsetzung der Bundesregierung zu überführen und das nach Paris überkommene 80 bis 95%-Ziel zu ersetzen. Hinter diese Zusage darf die Regierung jetzt nicht mehr zurückfallen. Der zaghafte Entwurf des Nationalen Energie- und Klimaplans muss dringend nachgeschärft werden. Das angekündigte Klimaschutzgesetz wird sich konsequent an der kurz vor dem EU-Gipfel abgegebenen Ankündigung zur Treibhausgasneutralität bis 2050 messen müssen – die Bereitschaft zur Mehrarbeit im Sommer hat die Regierung ja bereits signalisiert. Ziel muss ein stetiger und geordneter Ausbau der Erneuerbaren Energien sein. Das ist auch für die lokale Akzeptanz mitentscheidend“, so Peter abschließend.
Folgt: Germanwatch: Deutschlands spätes Einlenken mitschuld am Scheitern