Polens Versagen, groß zu denken

Kommentar von Sam Morgan und Alexandra Brzozowski auf EURACTIV

„Wir wissen nicht, worauf sie hinauswollen“. „Es ist unmöglich, eine Debatte darüber zu führen“. „Wir waren bereit, uns die Haare auszureißen“ – nur einige der diplomatischen Reaktionen auf die Blockade eines Klimaplans durch Polen beim Gipfel des Rates vergangene Woche. Polen weigerte sich am 20.06.2019, die Idee zu unterstützen, dass die EU bis 2050 klimaneutral wird, und scheute sich vor der Idee, im Klartext der Schlussfolgerungen des Rates eine ausdrückliche Frist zu setzen.

CO2 – Montage © Solarify

Viele EU-Diplomaten waren frustriert und ratlos, da viele von ihnen der Meinung waren, dass die überzeugenden Argumente bereits klar dargelegt worden seien. Es reichte schließlich aus, 24 weitere Länder zu überzeugen. Die wichtigsten Befürworter des Klimaplans haben freiwillig zugegeben, dass die Ökologisierung der Wirtschaft viel kosten wird, aber es wurde auch viel darüber gesprochen, wo die Finanzierungsquellen liegen, wie groß der wirtschaftliche Nutzen der Emissionssenkung sein wird und welches enorme Potenzial für die Schaffung von Arbeitsplätzen besteht.

Ein Blick auf einige der polnischen Medienberichte über den Gipfel zeigt jedoch, dass die mangelnde Bereitschaft von Premierminister Mateusz Morawiecki zur Zusammenarbeit mit der großen Mehrheit zu Hause als großer Erfolg gewertet wurde. Ein Sender sagte sogar, dass Polen von einem durch Deutschland angeführten Programm, um noch reicher zu werden und saubere Energietechnologie in den östlichen Ländern zu verkaufen, verschont geblieben sei. Zuerst klingt das nach Alu-Hut (engl. „tin-foil hat“ – zur Abwehr fremder Kontrolle), nach einer „Soros-steckt-dahinter“-Verschwörungstheorie. Aber es gibt ein Fünkchen Wahrheit: Der Plan 2050 ist im Grunde genommen eine Anlagestrategie, deren Ziel es ist, uns vor den schlimmsten Folgen des Klimawandels zu bewahren.

Auf die werden diese Woche wahrscheinlich einen Vorgeschmack bekommen, wenn Hitzewelle und  Waldbrände bereits in rekordverdächtigem Tempo verheerende Schäden anrichten. Natürlich wird Deutschland Solarmodule und Windturbinen an diejenigen verkaufen wollen, die sie brauchen. Keine andere große Volkswirtschaft der Welt hat eine so ehrgeizige Roadmap vorgelegt, so dass die Belohnungen für den ersten Schritt enorm sind.

Die Frage ist, warum will Polen das nicht auch tun? Polnische Energiekonzerne bündeln bereits ihre Ressourcen für den Bau eines eigenen Elektroautos und Unternehmen investieren dort in die Batterieproduktion. Offensichtlich ist das nur die Spitze des Eisbergs. Aber Polen hat Ende dieses Jahres Parlamentswahlen, so dass die Antwort auf die Frage wie immer lautet: Politik. Die Unterzeichnung einer Vereinbarung, die hohe Vorlaufkosten und den damit verbundenen Verlust von Arbeitsplätzen mit sich bringt, ist für Morawiecki zu problematisch.

Ein ehrgeizigerer Politiker hätte die Wähler davon überzeugt, dass diese Strategie noch mehr Arbeitsplätze in anderen Sektoren verspricht, Energieunabhängigkeit, reduzierte Gesundheitskosten und, was zählt, saubere Luft, die nicht so viele Menschen umbringt. Denn zwischen 2001 und 2010 kosteten die Klimaschäden Polen 12 Milliarden Euro, während die verschmutzte Luft jährlich mehr als 40.000 Menschen das Leben nahm. Die Gesundheit von unzähligen weiteren Betroffenen wurde und wird weiter leiden.

Morawiecki sagte, er habe das Abkommen blockiert, um polnische Unternehmen und Bürger zu schützen. Da er riskiert, ein 25 Milliarden Euro teures Programm für saubere Luft in die Pfanne zu hauen und Europa seines Vorsprungs im Bereich der sauberen Energien zu berauben, wird klar, dass diese Aussage völliger Unsinn ist.

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