Luftverkehr soll klimafreundlich werden

Im Wortlaut: Deutscher Bundestag – Drucksache 19/11039 – 19. Wahlperiode

Antrag der Abgeordneten Bernd Reuther, Frank Sitta, Torsten Herbst, Dr. Christian Jung, Daniela Kluckert, Oliver Luksic, Grigorios Aggelidis, Renata Alt, Christine Aschenberg-Dugnus, Nicole Bauer, Jens Beeck, Dr. Jens Brandenburg (Rhein-Neckar), Dr. Marco Buschmann, Britta Katharina Dassler, Hartmut Ebbing, Dr. Marcus Faber, Daniel Föst, Thomas Hacker, Katrin Helling-Plahr, Markus Herbrand, Manuel Höferlin, Dr. Christoph Hoffmann, Reinhard Houben, Olaf in der Beek, Gyde Jensen, Dr. Marcel Klinge, Pascal Kober, Dr. Lukas Köhler, Carina Konrad, Michael Georg Link, Till Mansmann, Dr. Martin Neumann, Hagen Reinhold, Dr. Wieland Schinnenburg, Matthias Seestern-Pauly, Bettina Stark-Watzinger, Benjamin Strasser, Katja Suding, Stephan Thomae, Dr. Andrew Ullmann, Gerald Ullrich, Johannes Vogel (Olpe), Sandra Weeser, Nicole Westig und der Fraktion der FDP

Forschung und Innovationen für klimafreundliches Fliegen

Der Bundestag wolle beschließen:

  1. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Zahl der Passagiere steigt seit Jahren an. Trotz der vielen Flugausfälle im Jahr 2018 stehen die Prognosen im Luftverkehr auf Wachstum. Eine Studie von EUROCONTROL geht davon aus, dass im Jahr 2040 im Vergleich zu 2017 ein Anstieg des Flugaufkommens um 53% zu verzeichnen sein wird (vgl. „Challenges of Growth EUROCONTROL).Die Konsequenz ist ein höherer CO2-Ausstoß. Auf nationaler und europäischer Ebene, sowie in der Luftverkehrswirtschaft wird in umweltfreundliche Lösungen investiert. Die Verbesserungen der Umweltbilanz betreffen dabei unterschiedliche Bereiche und Maßnahmen des Luftverkehrs (Technologie, Betrieb, Flughäfen, marktbasierte Maßnahmen). Laut dem European Aviation Environmental Report 2019 der EASA, EEA und EUROCONTROL reichen die kombinierten Maßnahmen nicht aus, um das Wachstum im Luftverkehr zu kompensieren.

Die Luftverkehrsbranche arbeitet bereits seit Jahren daran, ihren Umwelteinfluss durch schädliche Emissionen zu reduzieren. Sie hat sich vorgenommen, den Kraftstoffverbrauch pro Jahr um 1,5 Prozent zu senken. Ab 2020 soll das Wachstum des Luftverkehrs dann CO2-neutral erfolgen. Aus diesem Grund verabschiedeten 2016 die Mitgliedsstaaten der staatlichen UN-Luftfahrtorganisation ICAO das Instrument CORSIA (Carbon Offsetting and Reduction Scheme for International Aviation). Mithilfe dieses Instruments soll ein erhöhtes Passagieraufkommen zu keinem Anstieg der CO2-Emissionen führen. Deswegen müssen die Fluggesellschaften (aircraft operators) ab 2020 Zertifikate kaufen, um mehr CO2 emittieren zu dürfen. Die Erlöse aus den Emissions Einheiten (emission unit) werden anschließend in CO2-sparende Projekte investiert, die von der UN überwacht werden. Die CO2-Emissionen, die bei innereuropäischen Flügen entstehen, werden seit 2012 im EU-ETS eingepreist. Im Gegensatz zu CORSIA handelt es sich hierbei um ein Cap (Obergrenze), verbunden mit einem Zertifikatehandel. Die Gesamt-zahl der Emissionszertifikate ist begrenzt und nimmt mit der Zeit ab. In der Folge wird eine absolute Reduktion der CO2-Emissionen in den Sektoren erreicht, die im Zertifikatehandel integriert sind

Das Ziel dieser Maßnahmen ist die Netto-CO2-Emissionen der Luftfahrt bis zum Jahr 2050 gegenüber 2005 zu halbieren. Um allerdings langfristig CO2-neutral fliegen zu können, müssen wir nicht nur das CO2-Wachstum eindämmen, sondern auch den heutigen Ausstoß von Kohlenstoffdioxid begrenzen. Die Schwierigkeit liegt darin, dass Flugzeuge auf einen Energieträger mit besonders hoher Energie-dichte angewiesen sind. Daher werden bis zum jetzigen Zeitpunkt lediglich fossile Kraftstoffe in der Luftfahrt verwendet. Rückgrat dieser Reduktion von Emissionen im Luftverkehr sind neben alternativen Antrieben und Kraftstoffen, die das größte Potential bergen, eine bessere Aerodynamik und neue Werkstoffe beim Bau zukünftiger Modelle.

Im Gegensatz zum bodengebundenen Verkehr wird es in absehbarer Zeit in der Luftfahrt keine Alternative zu flüssigen, kohlenwasserstoffbasierten Kraftstoffen geben (http://aireg.de/)*). Allerdings haben nachhaltige Flugkraftstoffe langfristig das Potenzial, einen wichtigen Beitrag zur Minderung der künftigen Umweltauswirkungen in der Luftfahrt zu leisten. Dabei wird bei sog. synthetischen (künstlich erzeugten) Kraftstoffen zwischen „biobasierten“ und „nicht-biobasierten“ Flugkraftstoffen unterschieden. Biobasierte Kraftstoffe werden aus anderen Quellen als Erdöl gewonnen. Damit diese Kraftstoffe im Flugzeugbetrieb eingesetzt werden können, müssen sie Drop-In-Eigenschaften besitzen, d.h., sie müssen strenge Treibstoffspezifikationen er-füllen und ein vergleichbares Verhalten wie fossile Kraftstoffe während des Verbrennungsprozesses aufweisen (EASA, EEA und EUROCONTROL: European Aviation Environmental Report 2019). Darüber hinaus besteht ein erhebliches Interesse an nicht biobasierten Ausgangsstoffen, insbesondere die sogenannten Drop-in-Power-to-Liquids „Elektrokraftstoffe“. Diese Methode ermöglicht die Herstellung eines synthetischen alternativen Brennstoffs zu fossilem Kerosin. Dazu wird erneuerbarer Strom zur Erzeugung von Wasserstoff aus Wasser durch Elektrolyse und einer Kombination mit Kohlenstoff aus CO2 genutzt (idealerweise aus der Luft gefangen). Alternativ zum sog. „grünen“ Wasserstoff aus Elektrolyse mittels EE-Strom kann auch sog. „blauer“ Wasserstoff aus Erdgas hergestellt werden. Dazu wird nach der Förderung der Kohlenstoff abgespalten und gespeichert bzw. genutzt.

Damit besitzt der Power-to-Liquid-Prozess eine im Vergleich mit konventionellen oder biobasierten Kraftstoffen günstige Klimabilanz mit nahezu null Emissionen (Roth, Schmidt, 2017, Power-to-Liquids: A new pathway to renewable jetfuel). Diese alternativen Kraftstoffe sind allerdings noch nicht marktreif, weil sie pro Tonne ein Vielfaches des handelsüblichen Kerosins kosten. Experten gehen da-von aus, dass erst zwischen 2030 und 2035 mit den ersten Regionalflugzeugen auf Basis von alternativen Kraftstoffen und Antrieben gerechnet werden kann. Aufgrund der hohen Produktionskosten gibt es momentan allerdings wenige Demonstrationsprojekte. Risikokapital, wie es in den USA für derartige Projekte bereitgestellt wird, kann den Innovationen zur Marktreife verhelfen. In der aktuellen Luftfahrt-Förderkulisse des Bundes klafft eine systemische Lücke. Das Luftfahrtforschungsprogramm (LuFo) ist für die notwendigen, großen Demonstrationsvorhaben nicht ausgelegt. Gleichzeitig fehlt den weiteren Förderinstrumenten die dringend notwendige Technologieoffenheit. Nur ein sehr weit gefasster Forschungsansatz kann effizient zu marktgängigen Lösungen führen. Notwendig ist daher ein neues Instrument zur Forschungsförderung, bei dessen Nutzung die besten und innovativsten Lösungen offen um eine monetäre Zuwendung konkurrieren können. Zur kurzfristigen Finanzierung sollen bereits veranschlagte Forschungsmittel im Bereich Klima- und Umweltschutz sowie Forschungsgelder im Etat des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur entsprechend umgeschichtet werden. Kernstück einer neuen technologieoffenen und kompetitiven Forschungsförderung soll ein neu zu schaffender „Nationaler Zukunftsfonds“ sein.

Ein Flugzeug verbraucht nicht nur im Flug oder bei Start und Landung Kerosin. Daher sind neben den technischen Innovationen optimal aufeinander abgestimmte betriebliche Prozesse am Boden und in der Luft, sowie die Umsetzung des Einheitlichen Europäischen Luftraums für eine weitere Senkung des Kraftstoffverbrauchs wichtig. Am Boden bedeutet das z.B. keine zusätzliche Rollzeit zwischen dem Verlassen der Parkposition und dem Start sowie zwischen der Landung und dem Erreichen der Parkposition. Um die CO2-Bilanz weiter zu verbessern, sollte der Triebwerkeinsatz weiter reduziert werden.

Auch die Flugsicherung kann ihren Teil zur CO2-Minderung beitragen. Durch sogenannte „ungehinderte Trajektorien“ (unimpeded trajectories) werden Emissionen weiter reduziert. Das beinhaltet u.a. einen kontinuierlichen Steig- und Sinkflug, eine optimale Reiseflughöhe, eine direkte Flugroute und keine zusätzliche Zeit in der „Arrival Sequencing and Metering Area“ (ASMA). Die Wichtigkeit dieser Maßnahmen zur Emissionsminderung sollten neben dem unumstößlichen Vorrang der Sicherheit bei der Aus- und Fortbildung der Fluglotsen eine wichtigere Rolle spielen. Darüber hinaus kann eine weitere Automatisierung der Flugsicherung dazu beitragen, dass Lufträume entzerrt werden und eine direkte Flugführung häufiger möglich ist. Eine weitere Reduktion der CO2-Emissionen kann durch die Implementierung eines einzigen europäischen Luftraums (Single European Sky) erzielt werden, der eine bestmögliche Flugführung, losgelöst von unterschiedlichen nationalen monetären Anreizen, unterstützt.

2. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf

  1. eine Förderstruktur zu entwickeln, die jährlich bis zu 200 Mio. Euro über fünf Jahre für klimafreundliche Innovationen im Luftverkehr mit Risikokapital bereitstellt. Die Projektförderung hat unabhängig von der Politik, technologieoffen und unbürokratisch zu erfolgen;
  2. langfristig ein Szenario zu entwickeln, in dem die Luftverkehrssteuer abgeschafft wird, damit die Airlines mehr Mittel für innovative und klimafreundliche Technologien zur Verfügung haben;
  3. die Möglichkeiten der bereits vorhandenen prozessbasierten Innovationen voll auszuschöpfen durch:

– Vorantreiben der Automatisierung der Flugsicherung.
– Auf die DFS einwirken und sogenannte „ungehinderte Bahnen“ (un-impeded trajectories)
zur Emissionsminderung nutzen.
– Bei der Ausbildung der Fluglotsen die Emissionsminderung stärker berücksichtigen.
– Sich auf europäischer Ebene für die Schaffung des Single European Sky einsetzen.

Berlin, den 24. Juni 2019

Christian Lindner und Fraktion

Begründung

Die Luftverkehrssteuer, im Jahr 2012 eingeführt wurde, benachteiligt die heimischen Fluggesellschaften und Flughäfen. In der Folge sind sie international weniger wettbewerbsfähig und weisen eine niedrigere Investitions- und Innovationskraft auf. Seit ihrer Einführung ist die Steuer von ca. 1 Mrd. Euro auf inzwischen über 1,2 Mrd. Euro angestiegen. Das Geld fehlt den deutschen Fluggesellschaften insbesondere für klimaneutrale Investitionen in Klima- und Lärmschutz.

Auf eine kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion gab die Bundesregierung zu erkennen, dass eine Absenkung der Luftverkehrssteuer in dieser Legislaturperiode nicht vorgesehen ist (Drucksache 19/4652). Das Luftverkehrskonzept des BMVI, dessen Umsetzung im Koalitionsvertrag festgehalten ist, legt hingegen eine Prüfung der Absenkung der Luftverkehrssteuer nahe und ggf. die Haushaltseinnahmen durch die Luftverkehrssteuer in Forschungs- und Entwicklungsprojekte im Luftverkehrsbereich zu investieren.

Eine Studie von pwc, die der Branchenverband BDL in Auftrag gegeben hat, kommt ebenfalls zu dem Schluss, dass die Abschaffung der Luftverkehrssteuer sinnvoll ist. Sie würde u.a. zu einer Zunahme der Investitionskraft führen. Mit den Einsparungen könnten leiseres und klimafreundliches Fluggerät angeschafft werden. Davon profitieren besonders mittelständische Unternehmen, die als Zulieferindustrie wichtige Impulse für klimafreundliches Fliegen geben. Zum jetzigen Zeitpunkt werden allerdings Innovationen für ökoeffizientes Fliegen von morgen nicht ausreichend unterstützt.


*) Die Initiative für Kerosin aus regenerativen Energien aireg – Aviation Initiative for Renewable Energy in Germany e.V. bündelt Engagement, Knowhow und langjährige Erfahrung aus Industrie, Wirtschaft und Wissenschaft im Bereich der deutschen Luftfahrt. Ziel von aireg ist es, Forschung, Produktion und Einsatz von alternativen Flugkraftstoffen in Deutschland voranzutreiben: 2025 sollen regenerative Kraftstoffe 10 % des bundesweit getankten Kerosins ausmachen.

->Quellen: