Symposium zu den großen Herausforderungen in Umwelt, Klima, Gesellschaft und Nachhaltigkeit
Die Herausforderungen sind gewaltig – egal ob Klimawandel, Globalisierung, Digitalisierung, Artensterben, ökonomische Ungerechtigkeit oder Sicherheit. Wie lassen sich hier Denkmuster durchbrechen, Chancen erkennen und intelligent Handlungspotenziale bündeln? Ernst Ulrich von Weizsäcker, anerkannter und engagierter Vordenker, setzt sich seit Jahrzehnten mit diesen drängenden Fragen auseinander und entwickelt Antworten – zuletzt im Club of Rome-Bericht „Wir sind dran“. Wir sind dran: das bedeutet jetzt handeln und konkrete Maßnahmen umsetzen. Anlässlich seines 80. Geburtstags hielt Weizsäcker im Symposium die Keynote und setzte den Rahmen für die darauf folgenden Arbeitskreise und Diskussionen.
„Wir sind dran“
Weizsäcker begann mit seinem und Anders Wijkmans jüngstem Buch: „Wir sind dran“, dem dritten großen Club of Rome Bericht, erschienen 2018 (siehe: solarify.eu/was-wir-aendern-muessen-wenn-wir-bleiben-wollen). Der erste große Bericht hieß bekanntlich „Die Grenzen des Wachstums“. Das 1972 erschienen Buch war ein Weltbestseller. Der zweite große Bericht erschien 1991: „The First Global Revolution“ und sei heute fast vergessen. „Weil die globale Revolution völlig anders verlief.“
Im dritten großen Bericht gehe es um die „Nichtnachhaltigkeit der ‚Vollen Welt’“. Die heutigen Religionen und Denkmuster stammten alle aus der Zeit der leeren Welt und eigneten sich nicht für die volle Welt. Die erklärte Weizsäcker so: Nachhaltig sei die frühere, die „Leere Welt“ gewesen. Damals sei die Welt viel größer gewesen als die Erfordernisse menschlichen Wirtschaftens – „heute ist die ‚volle Welt‘ dafür viel zu klein“. Aus der Leeren Welt stammten
- unsere Fruchtbarkeit,
- die Kulturen der Welt,
- die Raubbau Ökonomie.
„Aber die Welt war halt wunderschön groß.“ Für den Unterschied zwischen leer und voll nannte Weizsäcker Beispiele: „Wenn du in der leeren Welt bist und willst mehr Fische haben, dann brauchst du
- mehr Fischer,
- mehr Boote,
- mehr Angeln oder Netze …“
… und in der Vollen Welt?
- Schutzzonen mit Fischfang Verboten;
- Fischfarmen;
- Wirf weibliche Fische ins Meer zurück!
„… also ungefähr das Gegenteil dessen, was man in der leeren Welt machte!“ Die Volle Welt heiße jetzt das Anthropozän, neu, entstanden nach 1950! Weizsäcker präsentierte einen makabren Messwert zum Anthropozän: 97% des Körpergewichts der auf dem Land lebenden Wirbeltiere seien Haust- und Schlachttiere (67%) und wir selbst (30%). Nur 3% bleiben für Wildtiere. Wir Menschen lassen den Wildtieren fast keinen Raum mehr. Da sei es kein Wunder, dass nun das Artensterben zum großen Drama werde – wenn das IPBES warne. eine Million Arten seien gefährdet oder bereits ausgestorben. Die dafür verantwortliche Umweltzerstörung finde heutzutage findet vor allem in den Entwicklungsländern statt.
Das Klima entwickle sich alles andere als nachhaltig. Die Temperaturen steigen unentwegt. Der Klimaschock von 2018 (28 große Waldbrände allein in Schweden) habe den großen Erfolg von Greta Thunberg erst möglich gemacht. Aber nicht nur in Schweden: In Australien gebe es Jahrhundertdürre – in Indien immer wieder seit 10 Jahren, und ganz schlimm eben, im Juni 2019.
Vor uns die Sintflut?
Höchst bedrohlich sei der Meeresspiegelanstieg. Die Lufterwärmung sei vergleichsweise harmlos. Die Weltmeere nähmen viel mehr Wärme auf als die Atmosphäre. „Also ist die Bedrohung durch Meeresspiegelanstieg sehr real.“ Und die Übergänge könnten plötzlich kommen. Den Sprung kennen wir als „die Sintflut“. Weit über eine Milliarde Menschen leben heute direkt am Meer – allein in Asien ca 800 Millionen: „Wenn die auf einmal zu Flüchtlingen werden, haben wir ein Flüchtlingsproblem tausend mal größer als 2015!“
Natürlich seien wir froh über das Klimaabkommen von Paris gewesen. Aber wie reagiere die Politik? „Tja, wir müssen uns mehr ums Klima kümmern. Aber das wird verdammt teuer. Also brauchen wir jetzt erstmal viel mehr Wachstum.“ Ist das die richtige Antwort? Nein, es ist die falsche Antwort! Denn das Wachstum gehe ziemlich strikt mit CO2-Ausstößen einher.
Wir seien scheinbar halbwegs anständige Diagnoseärzte: Die globale Erwärmung ist eine schwere Krankheit. Aber als Therapeuten seien wir komplette Versager. Systematisch schlügen wir Therapien vor, welche die Krankheit verschlimmerten – „wenn das nicht eine philosophische Krise anzeigt!“ Na ja, meinte Weizsäcker, „Wahrheit ist eben unbequem, und Lügen bequem für Populisten und andere.“
Das Bevölkerungswachstum stehe im Zentrum der Vollen Welt. Ihre Dynamik sei vor allem in den Entwicklungsländern. Ebenso wie bei Kohlekraftwerken: auch hier sei die Dynamik in den Entwicklungsländern: Weltweit seien 1.380 neue Kohlekraftwerke in Planung oder im Bau – 90 Prozent davon (also mehr als 1200!) in den Entwicklungsländern. Weizsäcker: „Insofern ist eine Klimapolitik, die nur die Industrieländer betrifft, weitestgehend sinnlos!“
Folgt: Missliche Lage der Parteien