Technische Effizienzrevolution
Die Wirtschaftsleistung müsste weitgehend von den Treibhausgasemissionen und vom Naturverbrauch entkoppelt werden. Er verwies auf den Club of Rome-Bestseller von Gunter Pauli: „Building the Blue Economy – 10 years, 100 innovations, 100 million jobs“. Die Blue Economy habe schon viele Milliarden Dollar aktiviert und drei Millionen Jobs geschaffen. Analog dazu nannte Weizsäcker sein Buch „Faktor Fünf“ – auch ein Club of Rome Bericht zum Thema Nachhaltiges Wachstum. Als Beispiel nannte er Franz Josef Radermachers klimaneutrale Verbrennungsmotoren – die klängen zunächst zwar absurd, seien aber machbar: Power-to-Gas und CO2-Recycling: Solar oder Windstrom spalten Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff. H2 und CO2 vereinigen sich zu CH3OH, genannt Methanol. Methanol wird wie sonst Benzin oder Kohle in den vorhandenen Autos und Industrien verbrannt – das sei aber nicht die einzige Lösung (siehe: solarify.eu/alternative-kraftstoffe-synthetische-treibstoffe-desinger-fuels-e-fuels).
„Ökonomisch laufen die meisten Entkopplungstechnologien nur, wenn der Naturverbrauch teurer wird. Die Märkte schaffen das nicht. Also müssen wir politisch dafür sorgen, dass die Preise halbwegs die ökologische Wahrheit sagen!“ Weizsäckers Grundidee: CO2– und Rohstoffpreise laufend parallel zu den Effizienzgewinnen anzuheben – das sei sozialverträglich und industrieverträglich und „wunderbar kalkulierbar für Investoren“. Technikfolgenabschätzung (und gleichzeitig Kritik am „disruptive“ Hype): Es gebe immer wieder faszinierende neue Technologien. Aber fast immer enthielten sie Gefahren, „manchmal tödliche“. Der amerikanische Hype der „disruptive technologies“ ignoriere die Gefahren. Technikfolgenabschätzung sei hier „das Mittel der Wahl“. Besonders brisant ist in Weizsäckers Augen hier eine Technologie, die man beschönigend „gene drive“ nenne. Damit könne man theoretisch ganze Tierarten ausrotten. Und die zugehörige Lobby versuche, „jegliche rechtliche Einschränkung oder Folgenabschätzung zu verhindern“.
Eine Balance zwischen Innovation und Stabilisierung sei nötig – etwa eine Bewegung namens „Fridays for Stabilization“, eine Balance zwischen Mensch und Natur, Kurzfrist und Langfrist oder öffentlichen und privaten Gütern. Menschheit und Natur seien ja nicht nur durch die Klimaerwärmung in Gefahr. Die aberwitzige Beschleunigung der Wirtschaftsprozesse ruft ja darüber hinaus die große Gefahr der Destabilisierung auf den Plan. Es werde viel Zeit kosten, „bis sich dieser Systemfehler der Geschwindigkeitsprämien und der Verhinderung negativer Rückkopplung in unserer Zivilisation herumspricht. Dann aber bekommen wir hoffentlich eine „Fridays for Stabilization“ Bewegung.“
In einer späteren Diskussion wies Weizsäcker darauf hin, dass die amerikanische analytische Philosophie dazu führe, „dass man bestimmte Fragen gar nicht mehr stellt.“ Die Nachhaltigkeitsziele der UN seien wunderbar, aber was in der Realität damit geschehe? In den ersten 11 Zielen heiße es immer wieder „Wachstum, Wachstum, Wachstum“. Das hätten die Entwicklungsländer da hineingebracht, als man sie mit ins Boot geholt habe. Wenn die aber verwirklicht würden, dann seien die drei wichtigsten – Klima, Ozeane, Luft – praktisch tot.