Mit Satelliten gegen Klimagase

„Win-win“ für Klima und Konzerne?

Methanemissionen sind Wissenschaftlern zufolge verantwortlich für mindestens ein Viertel der gesamten globalen Erwärmung, schreibt Dave Keating auf EURACTIV.com. Die Freisetzung von Methan aus Bohrungen ist seit längerem ein großes Problem der Öl- und Gasindustrie. Nun könnten sich Daten der EU-Satellitensysteme als Lösung erweisen.

Im globalen Kampf gegen den Klimawandel steht gemeinhin die Reduzierung der CO2-Emissionen im Vordergrund. Dies ist insofern logisch, da CO2 den größten Teil der Treibhausgase ausmacht. Doch die für „immerhin“ rund ein Viertel der globalen Erwärmung verantwortlichen Methanemissionen sind mehr als 80 mal schädlicher als CO2, obwohl das Gas nicht so lange in der Atmosphäre verbleibt.

Methanemissionen stammen aus diversen Quellen, einschließlich – und vermutlich am bekanntesten – der Blähungen von Rindern.  Aber eine der problematischsten Quellen, die wohl am einfachsten zu bewältigen wäre, ist das Methan, das bei der Öl- und Gasförderung in die Atmosphäre entweicht. Fossile Brennstoffe stoßen nicht nur bei ihrer Verbrennung zur Energiegewinnung CO2 aus, sondern geben auch Methan an die Luft ab, wenn sie aus der Erde gefördert werden. Methan kann außerdem über stillgelegte Bohrschächte freigesetzt werden.

Tatsächlich dürfte Methan ein weitergehendes Problem darstellen, da es nicht nur zur Erderwärmung beiträgt, sondern auch zur Bildung von bodennahem Ozon, einem Luftschadstoff, der für rund eine Million Todesfälle pro Jahr verantwortlich ist. Die Statistiken sind atemberaubend: Nach Angaben der Internationalen Energieagentur emittierte die Öl- und Gasindustrie 2017 rund 76 Megatonnen Methan. 60 Prozent davon sind menschengemacht, der größte Teil davon in der Landwirtschaft.

Emissionseinsparungen möglich

Das klingt zunächst einmal nach schlechten Nachrichten. Da die Wissenschaft aber vor allem auf die besonderen Eigenschaften von Methan aufmerksam macht, wird auch deutlich, dass es viel einfacher sein könnte, diese Emissionen zu reduzieren als es beim CO2 der Fall ist. Möglicherweise könnte eine Methan-Reduzierung die Verlangsamung des globalen Temperaturanstiegs schnelle beeinflussen als die Einsparung von CO2.

Nach Angaben der IEA könnte die Öl- und Gasindustrie ihre Emissionen um 75 Prozent reduzieren, wenn sie die Methanemissionen in den Griff bekommt. Noch erstaunlicher: zwei Drittel dieser Reduzierung könnten demnach ohne Nettokosten für die Industrie bewerkstelligt werden. Denn Methanemissionen bedeuten Umsatzverluste für die Konzerne: Geschätzt etwa drei Prozent der weltweiten Erdgasproduktion treten aus und gehen somit „durch die Luft“ verloren.

Im vergangenen Jahr haben sich 13 der weltweit führenden Öl- und Gasproduzenten verpflichtet, die Methanemissionen ihrer Endprodukte bis 2025 auf 0,25 Prozent zu begrenzen (2017 lag der Wert bei 0,32 Prozent). Außerdem wollen die Mitglieder der Oil and Gas Climate Initiative die „durchschnittliche Methanintensität in allen globalen Operationen“ langfristig auf 0,20 Prozent senken. Die Initiative teilte in einer Erklärung mit, dadurch würden etwa 350.000 Tonnen Methan weniger pro Jahr in die Atmosphäre gelangen. Das weitaus größere Problem war bisher aber die Ermittlung von Orten, wo die Lecks auftreten.

Mit Satelliten gegen die Gase

Nun scheinen Experten des Satellitenbeobachtungsprogramms Copernicus der Europäischen Union einen Trick entdeckt zu haben, wie sie Öl- und Gasunternehmen exakt wissen lassen können, wo derartige Methanlecks auftreten und wie die Firmen sie stoppen können. Während der Sustainable Energy Week in Brüssel trafen sich Experten des Erdbeobachtungsprogramms mit Vertretern des Energiesektors, um die mögliche Nutzung der Daten des „Copernicus“-Systems für die Überwachung und Vorhersage von Methanemissionen zu erörtern.

Heinrich Bovensmann, Forschungsleiter am Institut für Umweltphysik in Bremen, stellt fest, dass die Daten der Satelliten für die Unternehmen entscheidend sein werden, wenn sie Maßnahmen zur Reduzierung der Methanemissionen ergreifen wollen. Denn: „Solange wir keine klaren Daten zur Messung der Emissionsraten haben, können wir auch nichts tun,“ sagt er. Elisabeth Hamdouch, stellvertretende Leiterin der Copernicus-Abteilung bei der Europäischen Kommission, betont, dasselbe gelte für die politischen Entscheidungsträger. Die Daten seien „zunehmend verfügbar“, damit Maßnahmen gegen Methanemissionen ergriffen werden könnten. „Das Programm ist lediglich ein Informationswerkzeug. Es liegt an den Entscheidungsträgern, wie sie es nutzen wollen,“ mahnt sie.

Eine der Schwierigkeiten für Unternehmen bei der Erkennung von Methanfreisetzungen besteht darin, dass Wind sie schnell verwirbelt. Das macht es schwierig festzustellen, woher die Emissionen genau stammen. Die über Copernicus verfügbaren Satellitenbeobachtungstools sollen es aber ermöglichen, den Ursprung des Lecks zu lokalisieren. Bill Hirst, leitender Wissenschaftler für Atmosphärenüberwachung bei Shell Global Solutions, erklärte während der Energiekonferenz in Brüssel, inzwischen könne man eine „Emissionsrate“ berechnen, um festzustellen, wie viel gefundenes Methan aus der Erde stammt und beispielsweise bei einer Bohrung freigesetzt wurde.

Das Überwachungssystem ist noch nicht perfekt. Zum Beispiel hat es derzeit Schwierigkeiten, Methan über dem Meer zu erkennen. Grund dafür ist die dunkle Meeresoberfläche: Nur wenn die Sonne aufs Wasser scheint, sind die Emissionen vollständig sichtbar. Hirst sagte mit Blick auf das Copernicus-Programm, er würde Politikern raten, die Vorteile der verfügbaren Satellitendaten zu nutzen, denn die Reduzierung der Methanemissionen sei im Kampf um die Senkung der Treibhausgasemissionen ein relativ leicht zu erreichendes Ziel. Hirst weiter: Methan verbleibt laut Hirst „etwa neun Jahre in der Atmosphäre; beim CO2 sind es Jahrhunderte. Wenn ich jetzt einen Zauberstab schwenken und sofort alle CO2-Emissionen abschaffen könnte, würde ich die Auswirkungen erst in einem Jahrhundert sehen. Aber wenn ich die Methanemissionen – und zwar nur die von Menschen verursachten – reduzieren würde, könnte ich schon sehr bald Erfolge sehen.“

Die Europäische Union verfügt bereits über Strategien zur Bekämpfung der Methanemissionen aus Abfällen. Aus Sicht einiger Experten könnte jedoch vor allem die Reduzierung des unfreiwillig bei der Öl- und Gasförderung freigesetzten Methans sowohl für das Klima als auch für die Gewinne der Ölindustrie eine Win-Win-Situation sein. (Bearbeitet von Frédéric Simon und Tim Steins)

Solarify merkt an: Nicht vergessen werden darf bei allen Vermeidungsbemühungen Methan als Rohstoff: Denn die thermische Spaltung von Methan in Kohlenstoff und Wasserstoff gilt aber auch als potenzielle Technologie zur Wasserstofferzeugung ohne direkte CO2-Emissionen. Methan (CH4), kann unter bestimmten Reaktionsbedingungen (u. a. Temperaturen über 500 °C) und unter Verwendung von Sauerstoff oder Wasserdampf gespalten werden. Dabei laufen u. a. folgende chemische Reaktionen ab: CH4 + ½ O2 -> CO + 2 H2CH4 + H2O -> CO + 3 H2. Siehe auch: solarify.eu/methanspaltung-wieder-aktuell und solarify.eu/methanspaltung-methane-cracking-auch-methane-crack

->Quelle: Euractiv.de/win-win-fuer-klima-und-konzerne-mit-satelliten-gegen-klimagase