Süddeutsche: Kritische Reaktionen auf Science-Artikel über Aufforstung und Klimawandel
„51 Millionen Hektar Wald: Hier kann Europa aufforsten, um Klimawandel zu stoppen“ – Wälder als Rettung: ‚Die wichtigste Waffe gegen die Klimakrise sind Bäume‘“ – „Neue Wälder als Klimaretter?“ – „Kampf gegen Erderwärmung – Bäume pflanzen gegen Klimawandel“ – „Wie ein gigantischer Wald das Klima retten soll“ lauteten die ans Reißerische grenzenden Überschriften über etwas, das sonst kaum Aufsehen erregt: Eine in Science publizierte und in Berlin präsentierte Untersuchung der ETH Zürich von Jean-François Bastin und Thomas Crowther (siehe solarify.eu/aufforsten-gegen-die-klimakatastrophe). Ihr Gegenstand: Durch Aufforstung ganzer Wälder könnten zwei Drittel des bisher emittierten CO2 aus der Atmosphäre zurückgeholt werden. Doch jetzt regt sich Widerspruch: „Diese Rechnung geht nicht auf“, berichtet Marlene Weiss in der Süddeutschen Zeitung.
Bastins und Crowthers Forschungsergebnisse klängen zwar gut, aber die Studie sei schnell auf Kritik gestoßen – und die werde „immer lauter“. Dabei gehe es weniger um die Daten, als um deren „Interpretation und Darstellung, unter anderem in der einleitenden Zusammenfassung, dem Abstract.“ So habe etwa Pep Canadell, Leiter des Global Carbon Projects, getwittert: „Ich bin enttäuscht, dass Science einen Abstract zu einem – ansonsten guten – Artikel erlaubt hat, der sagt, dass Bäume pflanzen ‚bislang unsere effektivste Klimalösung‘ ist. Das ist sachlich falsch und eine Ablenkung.“
Dabei seien „die Methoden nach Ansicht von Experten gut und modern, die Analyse neu und relevant, Aufforstung ist nach einhelliger Meinung ein wichtiger Ansatz im Kampf gegen den Klimawandel mit vielen positiven Nebeneffekten.“ Aber bei der Einordnung werde es „hakelig“, so die SZ-Autorin. Das französisch-schweizerisch-italienische Autorenteam schrieb, wenn man 900 Millionen Hektar mit Bäumen bepflanze, könnten diese 205 Gigatonnen Kohlenstoff binden – im Lauf der Industrialisierung sind etwa 300 Gigatonnen Kohlenstoff zusätzlich in die Atmosphäre gelangt. Weiss dazu: „Dieser Vergleich unterstellt, zwei Drittel der bisherigen CO2-Last ließen sich einfach per Bebaumung zurückholen. Das lässt sich aber kaum halten. Das hat mehrere Gründe. Der erste ist rein rechnerisch: Wenn eine Tonne Kohlenstoff in Form von CO2 emittiert wird, verbleibt nur rund die Hälfte davon in der Atmosphäre; der Rest wird in einem sich stetig neu justierenden Gleichgewicht von der Erde eingelagert, vor allem in den Ozeanen.“
Marlene Weiss zitiert am Ende ihres Artikels Myles Allen, Geowissenschaftler an der University of Oxford: „Die 200 Gigatonnen Kohlenstoff, welche die Studie nennt, entsprechen weniger als 20 Jahren heutiger Emissionen“, sagt Myles Allen. „Ja, heroische Aufforstung kann helfen, aber es ist an der Zeit, damit aufzuhören, so zu tun, als gäbe es eine ’natürliche Lösung‘ für die weitere Nutzung fossiler Brennstoffe. Die gibt es nicht. Tut mir leid.“
->Quelle und vollständiger Artikel: sueddeutsche.de/klimawandel-zu-schoen-um-wahr-zu-sein