Im Freundes- und Familienkreis darüber reden
Wenn eine Information von nahestehenden Menschen kommt, wird sie meist ernster genommen – das weiß die Sozialforschung schon lange. Eine Studie im Fachmagazin PNAS kam nun zu dem Ergebnis, dass sich das allgemeine Bewusstsein für den Klimawandel erhöhen ließe, wenn mehr darüber gesprochen würde. So könne gar einen selbstverstärkender Prozess in Gang kommen, wie Klimafakten.de am 18.07.2019 vermeldete.
Wer etwas fürs Klima tun möchte, der könnte zum Beispiel öfter mit Freunden oder Familienmitgliedern darüber reden. Ungefähr so lässt sich das Ergebnis einer Studie zusammenfassen, die vergangene Woche im Fachjournal PNAS erschienen ist. Autoren sind Matthew H. Goldberg und Anthony Leiserowitz vom Yale Program on Climate Change Communication (YCCC), das sich seit Jahren mit Klimakommunikation beschäftigt. Weitere Autoren sind Edward Maibach von der ebenfalls US-amerikanischen George Mason University und Sander van der Linden von der britischen University of Cambridge, die auch beide ausgewiesene Experten auf dem Gebiet sind.
Für die Studie wurden Antworten 1.263 erwachsener US-Bürger ausgewertet, die das YCCC 2015 erhoben hatte im Zusammenhang mit einer Untersuchung über die Wirkung von Aussagen des Papstes zum Klimawandel. Die Probanden sind ein repräsentativer Querschnitt der US-Öffenlichkeit und wurden zweimal im Abstand von sieben Monaten befragt. Bei der Auswertung stießen die Forscher auf einen interessanten Mechanismus, den sie „a proclimate social feedback loop“ nennen – zu deutsch etwa „eine soziale Pro-Klima-Rückkopplung“.
Jetzt wissenschaftlich belegt: Bei Gesprächen im Freundes- und Familienkreis sind Menschen aufnahmebereit für wissenschaftliche Fakten
In ihrem Aufsatz beschreiben die Autoren drei Zusammenhänge, die sie in den Daten fanden: Erstens lernten Menschen wichtige Fakten über den Klimawandel, wenn sie mit Freunden oder Familienmitgliedern über das Thema sprachen – etwa jene Tatsache, dass es einen breiten Forscherkonsens zu Grundfragen des menschengemachten Klimawandels gibt.
Wenn – zweitens – Menschen um diesen Konsens wissen, dann reden sie auch mehr über das Thema. (Aus der Wechselwirkung dieser beiden Mechanismen ergibt sich die oben erwähnte Rückkopplung.)
Die dritte Erkenntnis: Wem der Forscherkonsens bekannt war, der akzeptierte auch selbst eher die Realität des menschengemachten Klimawandels, und der zeigte eine größere Besorgnis ob der drohenden Folgen. „Unsere Befunde zeigen“, schreiben die Autoren in ihrer Studie, „dass Menschen – durch Diskutieren – ihre Freunde und Familienmitglieder in eine verstärkende Rückkopplungs-Schleife bringen können, die zu einer tieferen Beschäftigung mit dem Thema Klimawandel ermutigt“.
Klima-Gespräche als Mittel gegen die „Schweigespirale“
Vermutlich ist die Wirkung persönlicher Gespräche vor allem deshalb so groß, weil viele Menschen – vor allem, aber nicht nur in den USA – eine gewisse Scheu davor haben, über den Klimawandel zu reden. Das Thema ist abstrakt und komplex, und außerdem gilt es als kontrovers – weshalb es eher ungern thematisiert wird, gerade in privaten, informellen Gesprächen. Das führt dann unter anderem dazu, dass viele Menschen die Einstellungen in der Gesellschaft zum Klimawandel falsch einschätzen – meist unterschätzen sie, so zeigten verschiedene Studien, wie viele (andere) das Thema besorgt.
Weil aber auf der anderen Seite Klimaschutzgegner und Leugner der Klimaforschung organisiert und sehr lautstark aufträten, fühlten sich Klimaschutz-Befürworter fälschlicherweise in der Minderheit und blieben oft defensiv. Dies führe zu einer „sozialen Stille“ um das Thema und setze eine sogenannte „Schweigespirale“ in Gang.
„Klimaaktive Leute zu ermutigen, mit ihren weniger aktiven Freunden und Familienmitgliedern zu reden, dürfte laut unseren Studienergebnissen eine wirksame Strategie sein, das öffentliche Engagement durch soziale Netzwerk-Aktivierung zu steigern“, so das Autorenteam.
„Es ist von großer Bedeutung“, wer eine Botschaft überbringt
Entscheidend für die Wirkung der persönlichen Gespräche ist es nach Einschätzung der Forscher, dass sie unter sich nahestehenden Menschen stattfinden. „Wer eine Botschaft überbringt, ist von großer Bedeutung“, fasst Hauptautor Matthew Goldberg im Interview mit der Los Angeles Times eine verbreitete Erkenntnis der Sozialforschung zusammen.
„Kommt eine Botschaft von einem glaubwürdigen Kommunikator oder jemandem, der moralische Autorität besitzt, dann ist sie sehr überzeugend. Und Freunde und Familienmitglieder sind die wichtigsten Botschafter – sie sind einem zum Beispiel am nächsten, man ignoriert sie nicht so leicht.“
Als „wichtig“ und „neu“ schätzt Philip Schmid, Kommunikationswissenschaftler an der Universität Erfurt, die Untersuchungsergebnisse ein. Er forscht selbst über die effektive Vermittlung von Forschungsergebnissen (insbesondere im Bereich Impfen).
Auch Robert Brulle, Umweltsoziologe an der Drexel University in Philadelphia und Autor zahlreicher Studien zur Klimakommunikation, bewertet die PNAS-Studie positiv. Sie zeige deutlich, „dass nicht-polarisierte Debatten innerhalb eines vertrauten Sozialnetzwerks zu höherem Verständnis und höherer Akzeptanz der Klimaforschung führen können“, sagte Brulle dem US-Nachrichtenportal ThinkProgress. „Sich an Klimadebatten zu beteiligen statt sie zu meiden – das ist etwas, was wir alle tun sollten.“