Auszüge aus der Sommer-PK der Kanzlerin
In ihrer Sommerpressekonferenz am 19.07.2019 behandelte Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Reihe von Themen, die Forschung, Nachhaltigkeit und Klima betreffen. Solarify hat die interessanten Abschnitte ausgewählt und Zwischentitel eingefügt.
Eingangs-Statement: Noch einmal zurück zum Thema Klimaschutz, das uns in Europa beschäftigt, das uns aber auch national beschäftigt. Wir wissen, dass wir Mühe haben oder wahrscheinlich nicht die Verpflichtungen einhalten werden, die wir uns bis zum Jahr 2020 gesetzt haben. Umso wichtiger ist es für die Bundesregierung, die Verpflichtungen für 2030 einzuhalten, und dafür brauchen wir rechtliche Rahmenbedingungen. Gestern hat das Klimakabinett noch einmal getagt und sich – auch in Anwesenheit zweier Gutachter – mit den Gutachten befasst, die über die Frage erstellt wurden: Wie kann man am besten die Klimaschutzziele erreichen? Denn es geht ja nicht nur darum, dass man sie im nächsten Jahrzehnt bis 2030 erreicht, sondern auch darum, dass man im nächsten Jahrzehnt auch Jahr für Jahr sein Budget nicht überbeansprucht – wir haben in Jahresscheiben zugeteilte CO2-Emissionen für Deutschland.
Wir haben uns auch mit dem sogenannten Nicht-ETS-Bereich befasst, also dem Bereich, der nicht dem Zertifikatehandel unterliegt. Hier geht es nicht nur um die Frage, ob wir die Ziele erreichen, sondern auch, wie wir sie volkswirtschaftlich am effizientesten erreichen, und so, dass wir die Gesellschaft auch weitestgehend auf diesem Weg mitnehmen können. Das hat uns gestern sehr stark beschäftigt. Wir haben uns verpflichtet, unsere CO2-Emissionen um 55 Prozent mit Blick auf unsere CO2-Emissionen im Jahre 1990 zu reduzieren.
Klimakabinett entscheidet am 20.09. – Klimaneutralität bis 2050
Wir wollen die Entscheidungen am 20. September im Klimakabinett treffen. Das wird rechtzeitig vor dem großen Gipfel sein, zu dem UN-Generalsekretär António Guterres eingeladen hat, um mit den Staaten über das Pariser Abkommen zu sprechen. Wir haben uns des Weiteren auch verpflichtet – mit der Mehrzahl der Mitgliedstaaten der Europäischen Union -, dass wir Klimaneutralität bis zum Jahre 2050 erreichen wollen. Auch das wird uns noch vor große Herausforderungen stellen.
Wir haben im Zusammenhang mit dem Thema Klimaschutz zwei Themen auf der Tagesordnung, die von großer Bedeutung sind. Das eine ist der Ausstieg aus der Kohle mit Blick auf die Verstromung. Das betrifft zum einen die Braunkohle. Hier hat uns die Kommission, die sich mit dem Ausstieg befasst, das Enddatum „spätestens 2038“ gegeben. Hier geht es jetzt um die Umsetzung der Verpflichtungen, die die Bundesregierung in Bezug auf die Länder, die Braunkohleabbau haben, eingegangen ist. Hierzu werden wir im August/September ein Gesetz vorlegen, das diesen Strukturwandel dann auch beschreibt. Bis zum Jahresende müssen wir dann auch die Planungen mit Blick auf die Energiesicherheit und die Energieversorgung in Deutschland ändern.
Wald als CO2-Senke
Das zweite Thema, das auch sehr stark mit dem Klima verbunden ist, ist das Thema des Waldes. Wir haben sehr, sehr große Waldschäden. Sie wissen, dass der Wald als Senke im Bereich des Klimaschutzes funktioniert, und im Augenblick haben wir eben sehr große Probleme mit der Erhaltung unserer Waldsubstanz. Tausende von Waldbauern sind davon betroffen, und deshalb werden wir gerade auch im Rahmen unseres Energie- und Klimafonds das Thema der Wiederaufforstung als eine große Aufgabe sehen.
Für die Erreichung der Ziele 2030 will ich sagen: Man kann noch nicht die Details nennen, aber das, was uns die Gutachter sagen und was ich deshalb auch richtig finde, ist, dass der effizienteste Weg zum Erreichen der Ziele eine Bepreisung von CO2 ist. Das bedeutet dann aber auch, dass wir im Gegenzug die soziale Ausgewogenheit beachten müssen. Das heißt, wir wollen nicht mehr Geld einnehmen als Staat, sondern wir wollen einfach die Anreize anders setzen, und das heißt: Bepreisung von CO2, um CO2-Emissionen möglichst zu vermeiden.
Zweites großes Thema Forschung und Entwicklung
Wir haben als Bundesregierung – das ist mir sehr wichtig – ein zweites großes Thema: Das ist Forschung und Entwicklung, und das auch mit Blick auf die Digitalisierung und die Herausforderungen der Digitalisierung. Der Bundesforschungsministerin ist es gelungen, mit den Ländern die großen Pakte über die Forschung und die Hochschulpolitik bis zum Jahre 2030 zu vereinbaren. Damit haben wir jetzt Berechenbarkeit – 120 Milliarden Euro bis 2030 von Bund und Ländern für den Pakt für Forschung und Innovation. Wir haben außerdem einen Digitalfonds aufgelegt, wir haben den Digitalpakt Schule abgeschlossen, wir haben eine nationale Weiterbildungsstrategie verabschiedet, und wir haben auch die Möglichkeit, die digitale Infrastruktur für den öffentlichen Bereich zu verbessern, das heißt, alle Dienstleistungen, die der Bürger in Anspruch nimmt, in Zukunft mit einem Verwaltungsportal von Bund, Ländern und Kommunen bis Ende 2022 abzuschließen. Das wird hohe Zeit, aber wir haben uns dieser Frage voll gewidmet.
Wir sehen, dass wir nach zehn Jahren Wachstum jetzt eine etwas schwierigere Phase mit geringerem Wachstum haben. Das ist für uns Ansporn, nicht nur in den Bereichen Forschung und Entwicklung weiterzumachen, sondern natürlich auch die Binnenkonjunktur anzukurbeln – das ist etwas, wozu wir immer wieder aufgefordert wurden.“
„Fridays for Future“
Frage: Frau Bundeskanzlerin, 300 Meter von hier findet ja gerade die Demonstration von „Fridays for Future“ statt. Da demonstrieren jetzt seit Monaten tausende Schüler für eine durchgreifende Klimapolitik. Sie sprachen gerade von der Umsetzung der Verpflichtungen und der Bepreisung des CO2-Ausstoßes. Das klingt ein bisschen vage, und auch das Klimakabinett ist gestern ja quasi erst einmal ohne Beschlüsse auseinander gegangen. Welche zeitnahen und wirklich konkreten Maßnahmen kann die deutsche Regierungschefin diesen jungen Menschen eigentlich zusagen?
BK’in Merkel: Na ja, wir versuchen ja, immer wieder deutlich zu machen, wie unser Zeitplan aussieht. Der ist nicht vage, sondern der ist sehr klar getaktet. Wir werden am 20. September die Beschlüsse fassen, die notwendig sind, um sozusagen davon ausgehend dann ein Gesetzespaket zu verabschieden. Das heißt, da werden wir sagen, wie eine Bepreisung aussieht und ob es eine Bepreisung gibt. Ich plädiere dafür, dass wir neben anderen Maßnahmen auch eine Bepreisung haben werden. Welche Art des Sozialausgleichs wir sehen…
Aber Sie verstehen sicherlich auch, dass das sehr wohldurchdacht sein muss; denn das ist dann eine sehr umfassende Veränderung unserer Vorgehensweise. Insofern muss das auch vernünftig nach allen Seiten abgeklopft werden. Wir müssen die Menschen mitnehmen. Es muss klar werden, dass wir hier nicht eine Einnahmesituation für den Staat schaffen wollen, sondern dass wir auch einen Anreiz für Innovationen schaffen wollen. Oft werden ja Bepreisung und Innovation gegeneinander gestellt. Das Gegenteil ist der Fall: Durch Bepreisung können Innovationen erzwungen werden beziehungsweise nicht erzwungen, sondern es wird sozusagen ein Anreiz für sie geschaffen; denn Menschen haben dann ein Interesse daran, kohlenstoffarme Wege für die Realisierung bestimmter Dinge zu wählen.
Bis dahin liegt noch sehr, sehr viel Arbeit vor uns, aber der 20. September wird hier ein sehr entscheidender Tag sein. Ich glaube, den Schülerinnen und Schülern kann man das auch sehr gut sagen: dass wir mit Hochdruck arbeiten, aber dass wir hier auch neue Wege gehen und diese neuen Wege natürlich durchdacht sein müssen, damit wir dann auch wirklich wissen, was wir tun und wie wir es tun, und dass wir uns dann auch einigermaßen sicher sind, die Ziele zu erreichen – wobei das natürlich auf elf Jahre im Voraus immer auch bedeutet, dass man zwischendurch wieder schauen muss, wie sich die Dinge entwickeln.
Ich glaube, die neuesten Zahlen sagen 28 Prozent, und die Grünen sind doch dahinter. Trotzdem sind die Grünen zurzeit sehr stark, das muss man einfach so akzeptieren. Das wirft für uns natürlich die Frage auf: In welchen Themenbereichen müssen wir besser werden und Antworten bringen? Da glaube ich zum Beispiel, dass wir zeigen müssen, dass wir die Klimaschutzziele einhalten, aber trotzdem auf Innovation setzen und trotzdem auf wirtschaftlichen Fortschritt setzen.
Folgt: „Klimaschutzgesetz schon vor Greta im Koalitionsvertrag vereinbart“