Im Wortlaut: Zusammenfassung (Hervorhebungen im Original)
Im Pariser Klimaabkommen von 2015 hat die Weltgemeinschaft vereinbart, die vom Menschen verursachte globale Erwärmung der Erde auf weniger als 2°C zu beschränken, um die daraus entstehenden Schäden für Menschheit und Natur abzumildern. Dieses Ziel ist nur noch zu erreichen, wenn sofort sowohl nationale wie auch internationale Vereinbarungen eingehalten werden. Schäden durch Abschmelzen von Schnee und Eis, Anstieg des Meeresspiegels, Ausweitung von Trockenzonen, Extremwetter und steigender Verlust von Artenvielfalt und Lebensräumen an Land und im Meer können nur noch durch erhebliche und bereits in den kommenden zehn Jahren wirksame Anstrengungen begrenzt werden. Ansonsten werden große Regionen der Erde nicht mehr bewohnbar sein, selbst wenn sich einzelne Regionen als „Klimagewinner“ verstehen. Bei uns und weltweit wächst zudem der Generationenkonflikt darüber, dass wir heute die Lebensgrundlagen unserer Kinder und Kindeskinder aufbrauchen. Nicht zuletzt werden die Kosten des Klimawandels weiter dramatisch ansteigen. Nur mit einer entschlossenen und zügig umgesetzten Klimapolitik – national, mit den zentralen europäischen Partnern und durch weltweite Kooperation kann es gelingen, die sich bereits abzeichnenden katastrophalen Auswirkungen des Klimawandels zu mindern.
Deutschland verfehlt die Klimaschutzverpflichtungen
Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben konkrete und rechtlich verbindliche Emissionsreduktionsziele für 2020 und 2030 vereinbart und für die Bereiche Verkehr und Gebäude länderspezifische Zielvorgaben definiert. Nach heutigem Stand wird Deutschland diese Ziele weder für 2020 noch für 2030 erreichen. Deutschland muss nun schnell wirkende Maßnahmen einleiten, nicht nur, um hohe finanzielle Belastungen für die Gesellschaft infolge der Nicht-Einhaltung der Ziele zu vermeiden. Deutschland muss stattdessen ein Klimaschutzpaket verabschieden, welches ethisch begründet und sozial verträglich ist und Innovationen fördert. Bisher hat die Bundesregierung im Klimaschutzplan 2050 Reduktionsziele für einzelne Sektoren definiert. Demnach soll der CO2-Ausstoß in Deutschland bis spätestens 2030 für alle Sektoren zusammen um mindestens 55% gegenüber 1990 sinken. Um dieses Ziel zu erreichen, braucht die nationale Klimapolitik jetzt eine konsequentere, transparentere und zügigere Umsetzungsstrategie. Sie muss der Bevölkerung, den Unternehmen und den politisch handelnden in den Ländern und Kommunen insgesamt Planungssicherheit geben und schnell Weichen stellen, um den immer teureren und immer weniger sozial ausgewogenen „Business as usual“-Pfad zu verlassen und auf den Pfad einer nachhaltigen Entwicklung zu gelangen.
Chancen für einen grundlegenden wissenschaftsbasierten Erneuerungsprozess
Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina fordert deshalb nachdrücklich einen unmittelbaren Transformationsschub. Es bedarf sofortiger Maßnahmen, um die Klimaziele 2030 zu erreichen. Diese Maßnahmen sollten drei grundsätzliche Ziele anstreben:
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- sollten die auf europäischer Ebene verbindlich vereinbarten Zielwerte für die CO2-Emissionen wirksam erreicht werden;
- sollte dies in sozial ausgewogener Weise erfolgen und
- sollte dies zu den geringstmöglichen volkswirtschaftlichen Kosten geschehen.
Um dies zu erreichen, sollte es zunehmend unattraktiv werden, CO2-Emissionen zu verursachen – CO2-sparendes Verhalten sollte hingegen belohnt werden.
Mit dieser Ad-hoc-Stellungnahme untermauert die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina entscheidende wissenschaftlich fundierte Leitplanken und richtet ihr Augenmerk dabei insbesondere auf umsetzbare Maßnahmen, die bereits zwischen 2020 und 2030 ihre Wirkung entfalten können. Es geht um eine sektorübergreifende Wende im Bereich der Energieerzeugung und -nutzung, welche ohne einen adäquaten CO2-Preis nicht gelingen kann. Darüber hinaus müssen weitere mittel- bis langfristige Maßnahmen beispielsweise in den Bereichen Landnutzung, Ernährung, Küstenschutz, Schutz der Artenvielfalt, Widerstandskraft von Öko- und Sozialsystemen sowie auch demographische und öffentlichkeitspolitische Aspekte ergänzt werden, die in dieser Stellungnahme nicht berücksichtigt werden.
Die Politik muss der Bevölkerung die Konsequenzen und Alternativen von Maßnahmen umfassend und klar vermitteln – vor allem auch die Chancen und Vorteile des Klimaschutzes gegenüber den durch Klimawandel verursachten Schäden, die sprunghaft ansteigen werden. Bei ei-nem „Business as usual“-Pfad dürften allein die Kosten der Nicht-Einhaltung der verbindlichen europäischen Klimaziele für Deutschland bei bis zu 62 Milliarden Euro bis 2030 liegen.
Mit der rasch wachsenden Unterstützung durch die Bevölkerung hat die Politik heute die einmalige Chance, die politischen und gesellschaftlichen Weichenstellungen für die nachhaltige Transformation in die Wege zu leiten und so die Lebensqualität für jetzige und zukünftige Generationen zu erhalten. Der Umbau des Systems der Energieversorgung und -nutzung ist ein gesamtgesellschaftliches Projekt, zu dem alle Bevölkerungsgruppen beitragen können und müssen. National nachhaltige und glaubwürdige Klimapolitik ist ein wesentlicher Schritt, um eine stärkere Position in der internationalen Zusammenarbeit einzunehmen und um gemeinsam den sich abzeichnenden ökologischen und zivilisatorischen Systemkollaps verhindern.
Deutschland hat in der Vergangenheit zahlreiche Innovationen international vorangetrieben. Die dafür notwendigen Investitionen und die daraus resultierenden Produkte und Verfahren haben manches Mal die Grundlage für die hohe Lebensqualität und den Wohlstand in Deutschland gelegt. Klimaorientierte Innovationen leisten jetzt schon einen wichtigen Beitrag zur Wertschöpfung der Wirtschaft und somit auch zum Wohlstand in Deutschland. Vor dem Hintergrund kommender wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Erneuerungsprozesse, sollte eine verantwortliche Politik daher umgehend verlässliche Rahmenbedingungen schaffen, die klimafreundliche Innovationen attraktiver machen und so die Nutzung fossiler Energieträger zurückdrängen. Arbeitsplätze und eine prosperierende Industrie werden nicht durch Protektion veralteter Technologien und Wirtschaftsstrukturen erhalten oder geschaffen.
Folgt: Maßnahmen