Gustav Nyström – Der Holzmagier

Batterien aus Papier und Sensoren aus Nanozellulose

Als neuer Leiter der Forschungsabteilung Cellulose & Wood Materials der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) überrascht Gustav Nyström mit unkonventionellen Zielen, schreibt Andrea Six auf empa.ch. Batterien aus Papier und Sensoren aus Nanozellulose sollen aber vor allem eines: einen Beitrag leisten zur Lösung elementarer Forschungsfragen mit gesellschaftlicher Relevanz.

Wenn Gustav Nyström einen Baum sieht, sieht er mehr als ein biologisches Wunderwerk. „Ein Baum ist ein großarti­­ges Beispiel dafür, wie in der Natur beziehungsweise in der Evolution Funk­tiona­lität, Struktur und Schönheit miteinander verschmelzen“, sagt der neue Empa-Abteilungsleiter. Stamm, Blätter und Wurzeln sind für ihn aber auch eine Quelle für neuartige Materialien, die eine enorme Fülle von Anwendungen ermöglichen. Und gerade weil Wälder ein Drittel der Schweizer Landesfläche bedecken und eine nachhaltige und gut nutzbare Ressource sind, ist Holz für Nyström so faszinierend.

Holz – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Holz neu zusammenbauen

In Zeiten des Klimawandels ist der Forscher überzeugt, dass man auf CO2-neutrale Rohstoffe setzen sollte. Und damit liegt er im Trend der aktuellen Kreativen, die Wolkenkratzer und Fahrräder aus Holz designen. Nyström will gleichfalls das Potenzial, das Holz als Rohstoff bietet, maximieren, indem er Holz mit völlig neuen Eigenschaften versieht. Wird Holz beispielsweise elektrisch leitfähig, magnetisch oder mit Hilfe von Mikroorganismen strukturell verändert, können innovative Kompositmaterialien für neue Anwendungen entstehen.

Zwar baut Nyström ebenfalls auf die spezifischen mechanischen und molekularen Eigenschaften des Rohstoffs. Seine Ideen dringen jedoch um einiges weiter in die Tiefe der Materie als nur an die Oberfläche. Denn die Komponenten, aus denen Holz besteht, lassen sich im Nanobereich zu neuen Materialien zusammenfügen, die im Ergebnis kaum mehr Ähnlichkeit mit dem altbekannten Werkstoff haben. So arbeitet sein Team etwa mit zähflüssiger Nanozellulose. Als Hydrogel lässt sich Nanozellulose mittels 3-D-Plotter beispielsweise zu Sensoren ausdrucken, die in Sportkleidung oder in der Robotik eingesetzt werden können.

„Als Forscher will ich die Zusammenhänge derartiger neuer High-Performance-Materialien verstehen. Aber ich will mit meiner Arbeit vor allem zu einer besseren Zukunft beitragen“, sagt Nyström. Eines seiner neuen Projekte ist eine Batterie … aus Papier. „Bestimmte Strukturen im Holz lassen sich zur Energiespeicherung nutzen“, erklärt er. Der gebürtige Schwede hat sich bereits während seiner Dissertation in Uppsala mit energiespeichernden Nanofibrillen aus natürlich vorkommender Zellulose beschäftigt. Nun will er ein Projekt zu Batterien aus Papier an der Empa starten.

Papierbatterien sind nicht so neu, wie es scheint (siehe unten: „Quellen“):
1. Das vorgeschlagene Design ist einfach zu produzieren, kostengünstig, flexibel und effizienter als bisher vorgeschlagene papierbasierte Batterien, schrieb Rachael Flores am 29.06.2018 auf der Internetseite der Binghamton University im US-Bundesstaat New York. Demnach haben Forscher der Binghamton University eine biologisch abbaubare, papierbasierte Batterie entwickelt, die effizienter ist, als das bisher möglich war. Seit Jahren geistert die Möglichkeit von Papierbatterien als umweltfreundliche Alternative durch die Wissenschaft. Allerdings waren die bisher vorgelegten Entwürfe nie stark genug, schwierig herzustellen und es war fraglich, ob sie wirklich biologisch abbaubar waren. Das neue Design soll nun all diese Probleme lösen.
2. Der Internetseite Fibers-in-process.de (nach eigener Aussage „Portal zum Thema nachhaltige Papierwirtschaft“) zufolge haben in Schweden eine Verpackungsfirma (BillerudKorsnäs) und die Universität Uppsala Papierbatterien entworfen und ermöglichen so Energiespeicherung in Verpackungsmaterialien. Sie entwickelten sie aus Grundlagenforschung auf der Basis reiner Zellulose aus Algen mit der gleichen Faserart, die BillerudKorsnäs normalerweise für die Herstellung von Verpackungsmaterial verwendet. Diese Entwicklung öffnet neue Perspektiven sowohl für preiswerte als auch für umweltfreundliche Batterien. Langfristig soll die Großserienproduktion und der zukünftigen Einsatz von Papierbatterien für Anwendungen wie z.B. Smart Packaging möglich werden.

Getränkeflaschen aus Holz

 

Nyström fokussiert sich auf dringliche Probleme unserer Zeit wie eben Energiespeicherung und sucht Lösungen auf der Basis neuer Materialien. Dazu gehören die Batterien aus nachhaltigen Rohstoffen, die sich in der Umwelt von allein abbauen, aber auch Getränkeflaschen aus Holzbestandteilen – Stichwort Plastikmüll. Hierzu entwickelt sein Team Polymere auf Holzbasis und Zellulosepartikel in Kombination mit Proteinen, die umweltbelastende Alltagsgegenstände wie Plastikflaschen oder transparente Verpackungsfolien ersetzen sollen, ohne als Müllinsel die Ozeane zu verschmutzen. Limonade in Zelluloseflaschen und Folien aus umweltfreundlichen Polymeren sind für Nyström keine Utopie, sondern eine notwendige Selbstverständlichkeit.

Essenziell für das Gelingen ist die Vielfalt in seinem Team, davon ist Nyström überzeugt. So legt er Wert darauf, dass möglichst viele verschiedene Disziplinen vertreten sind. Es mag ungewöhnlich klingen, dass er als Physiker in seinem jetzigen Forschungsbereich aufgeht. Doch umgeben von Chemikern, Holzwissenschaftlern und Biophysikern bleibe das Denken eben immer beweglich und vor allem kritisch. Und nur in diesem Schmelztiegel der Disziplinen könne Kreativität entstehen. Das gelte ebenfalls für die Herkunft der Forschenden.

„Ich schätze die Internationalität in unserem Team. Die Forschenden bringen interessante Erfahrungen mit, und wir profitieren davon, dass an anderen Universitäten andere Inhalte in anderem Stil vermittelt werden“, sagt Nyström. Er selbst hat in Schweden und Deutschland studiert. Sein Kindheitstraum sei dies aber nicht gewesen. „Ich bin auf dem Land aufgewachsen. Als Kind wollte ich Fischer werden. Unter ‚Professor‘ konnte ich mir nichts vorstellen.“ Heute bezeichnet er sich selbst als kreativ, fokussiert und vor allem gut organisiert. „Ich habe drei kleine Kinder. Damit ich meine Zeit zwischen Arbeit und Familie gut balancieren kann, muss ich praktische und stimmige Lösungen finden, um dem Wirbel des Alltags zu trotzen.“

Der Erfolg eines Teams fuße zudem auf der Offenheit, mit der kommuniziert werde. „Kreativität entsteht nur dann, wenn Gedanken und Informationen geteilt und kritisch hinterfragt werden.“ Wenn aber niemand das Risiko eingehen wolle, seine Ideen zu teilen, entstünden keine neuen Projekte.

Gustav Nystroem – Foto © empa.ch

Gustav Nyström: Nach dem Physikstudium am KTH Royal Institute of Technology in Stockholm und an der Technischen Universität Darmstadt erwarb der gebürtige Schwede 2012 den Doktortitel an der Universität Uppsala in Schweden in organischer Elektronik und papierbasierter Energiespeicherung. Vor seiner Tätigkeit an der Empa war Nyström im Departement Gesundheitswissenschaften und Technologie an der ETH Zürich als leitender Wissenschaftler und Dozent tätig. Seit März 2018 arbeitet der 38-Jährige an der Empa und leitet die Abteilung für Cellulose & Wood Materials.

Auf Augenhöhe mit Kanada

Letztlich sollen in Nyströms Labor auf der Basis von Holz und Zellulose neue Kompositmaterialien entstehen, deren Entwicklung in allen Bereichen des Forschungsfeldes verwurzelt ist. Proteine aus Holzschädlingen, Nanozellulose aus Algen oder feuerfestes Holz – gerade im Zusammenspiel der Forschungsansätze sieht Nyström das grosse Potenzial. „Exzellente Forschung kann zwar bedeuten, dass man ein Puzzleteilchen für ein hochkomplexes Problem findet“, sagt er. „Ich finde es aber eleganter, einfachere Lösungen zu finden, die potenziell mehr Menschen helfen können. Statt das allerschwierigste Puzzle der Welt zu lösen, geht es manchmal vielleicht darum, erst einmal ein einfacheres Puzzle zu erfinden.“ Und gerade darum schätzt es Nyström, an der Empa Grundlagenforschung mit industrieller Anwendung zu verknüpfen. „International steht die Schweiz in der Forschung zu Zellulose und Holz mit Schwergewichten wie Kanada oder den USA in Konkurrenz. Und doch halten wir ausgezeichnet mit.“

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