#Faktenfuchs: „Zu wenig CO2, kaum Wirkung“ ist falsch
Im Internet kursiert bereits seit acht Jahren ähnlich einem Kettenbrief eine Rechnung, die suggerieren soll, das vom Menschen in die Atmosphäre emittierte CO2 sei vernachlässigbar gering, deswegen könne davon keine Klimaerwärmung ausgehen. In einem am korrigierten Beitrag der Reihe #Faktenfuchs befasste sich BR24Der menschliche CO2-Beitrag in der Luft sei so klein, dass er das Klima gar nicht beeinflussen könne. Fazit des #Faktenfuchs vorab: „Das stimmt nicht.“
Die uralte Rechnung
„Wir haben 0,038% CO2 in der Luft. Davon produziert die Natur selbst etwa 96%, den Rest, also 4%, der Mensch. Das sind 4% von 0,038%, also 0,00152%. Der Anteil von Deutschland ist hieran 3,1%. Somit beeinflusst Deutschland mit 0,0004712% das CO2 in der Luft“ – soweit die uralte Rechnung
Darin stecken jedoch mindestens zwei Fehler:
- Sie unterstellt grundsätzlich, dass von einer geringen Menge nur geringe Wirkung ausgeht. Das ist nicht der Fall.
- Sie blendet aus, dass die Natur nicht nur CO2 produziert, sondern auch CO2 aufnimmt, damit praktisch im stabilen Gleichgwicht ist.
Die Rechnung setzt zudem Äpfel mit Birnen gleich: Denn die 97 Prozent natürlichen CO2-Emissionen gehören zu einem geschlossenen Kreislauf:
- Menschen, Tiere und Pflanzen atmen einerseits Milliarden von Tonnen CO2 aus –
- andererseits wandeln Pflanzen das CO2 (zusammen mit anderen Stoffen) durch die Photosynthese wieder in Blätter und Holz um.
- Dieser biologische Kohlenstoffkreislauf ist seit Jahrmillionen geschlossen. Die CO2-Konzentration in der Atmosphäre stieg erst an, seit der Mensch dem System riesige Mengen an zusätzlichem Kohlenstoff aus fossilen Lagerstätten zuführt. Diese vom Menschen verursachten Emissionen machen zwar tatsächlich nur etwa 2-3 Prozent aus – dabei handelt es sich aber in der Gesamtsumme um Milliarden Tonnen Kohlendioxid, diese Riesenmenge wird dem ursprünglich stabilen Kohlenstoffkreislauf ständig netto hinzugefügt.
Die Schlussfolgerung, dass Deutschland zur Erderwärmung nur ein paar hundertstel Promille beitrage, ist deswegen falsch.
Kleine Menge, große Wirkung
CO2 ist ein Spurengas und macht nur etwa 0,04 Prozent der Atmosphäre aus – im Gegensatz zu Stickstoff (rund 78 Prozent) und Sauerstoff (rund 21 Prozent) ein verschwindend geringer Anteil. Das sagt allerdings nichts über die Wirkung aus. Denn Treibhausgase haben im Gegensatz zu Stickstoff und Sauerstoff eine besondere Eigenschaft: CO2-Moleküle bestehen aus drei Atomen (Stickstoff und Sauerstoff aus jeweils nur zwei: N2 und O2). Die chemische Struktur macht CO2-Moleküle (und noch stärker Methan) besonders empfänglich für Wärmestrahlung. Sie nehmen Wärme auf und geben sie auch in Richtung Erdoberfläche wieder ab. Das ist der Treibhauseffekt. Und – so das Umweltbundesamt – schon ein geringer CO2-Anteil genügt, um die Atmosphäre zu erwärmen.
CO2-Konzentration in der Atmosphäre steigt stetig – aktuell auf mehr als 415 ppm
Den CO2-Anteil der Atmosphäre in der Vergangenheit kann man an Eisbohrkernen nachvollziehen, seit 1958 durch direkte Messungen im Mauna Loa-Observatorium auf Hawaii*) und anderen Messstationen. Bis zum Beginn der Industrialisierung lag der Wert über Jahrtausende bei knapp 280 ppm (parts per million), das heißt auf 1 Million Gasteilchen in der Atmosphäre kamen 280 CO2-Teilchen. Seitdem ist der Wert auf mehr als 400 ppm gestiegen, zuletzt laut „World Meteorological Organisation“ auf 405 ppm. Diese Werte kann man direkt messen.
*) Seit 1974 misst die NOAA-Station am Mauna Loa auf Hawaii kontinuierlich die CO2-Konzentration. Begonnen hatte damit bereits Charles David Keeling Ende der 1950er Jahre. Daraus ist dann 1957 die ständig steigende nach ihm benannte Keeling-Kurve entstanden, die seit 1957. Am 13.05.2019 wurde ein neuer Rekord erreicht. Gemessen wurde erstmals eine CO2-Konzentration von 415,50 ppm, wie die mit den Messungen beauftragte Scripps Institution of Oceanography (heute Teil der Universität von Kalifornien in San Diego) mitteilte.
Der globale Kohlenstoffkreislauf
Die vom Menschen emittierten vier Prozent ergeben nach statista.com 2017 mehr als 36 Gigatonnen. Die kommen zum stabilen CO2-Kreislauf von 120 Gigatonnen Kohlenstoff durch die Natur (60 Gigatonnen aus Böden + 60 Gigatonnen aus Landpflanzen aus Böden und Landökosystemen) dazu. Dass jährlich sogar ein wenig mehr CO2 aus der Atmosphäre aufgenommen wird, blendet die Rechnung aus. Die anthropogenen CO2-Emissionen aber reichern immer mehr CO2 in der Atmosphäre an – seit Beginn der Industrialisierung ganze 44 Prozent.
Taschenspielertrick mit verwirrend viel Nullen
Wenn man herausfinden will, wie viel der Mensch im Vergleich zur Natur zum Zugewinn an CO2 beiträgt, ist es also völlig irreführend und falsch, den Anteil am jährlichen CO2-Umsatz mit dem CO2-Gesamtgehalt zu verrechnen. Das tut die zitierte Rechnung mit ihrem Ergebnis, die Menschheit sei zu 0,00152 Prozent beteiligt am steigenden CO2-Gehalt. Diese Zahl beeindruckt mit ihren vielen Nullen hinterm Komma, ist aber völlig sinnlos.
Woher kommt die irreführende Rechnung?
BR24 wörtlich: „Die Rechnung ist Teil eines Textes, der unter anderem in sozialen Medien immer wieder geteilt wird. Er schildert die Begegnung zwischen einem Autor namens Robert I. und einem Klimaschützer auf einem Wochenmarkt und erweckt damit den Eindruck authentisch, direkt aus dem Leben gegriffen zu sein. Das stimmt in dieser Form nicht. Die Schilderung inklusive der Rechnung kursiert seit vielen Jahren in verschiedenen Varianten, sie nahm ihren Anfang offenbar als Leserbrief im Jahr 2010, als Autor tauchte ein sogenannter Urban Cleve auf. Später wurde die Rechnung dann auf Facebook als Erlebnis eines Robert I. wieder aufgegriffen, der zuerst an der FH Ulm studiert haben soll, dann an der TU Aachen (eine TU Aachen gibt und gab es übrigens nicht, die Universität hieß früher RWTH Aachen, international inzwischen RWTH Aachen University). Der Text ist zu einer Art Kettenbrief geworden, mit dem Klimawandelleugner Zweifel säen. Der Faktenchecker-Verein Mimikama veröffentlichte bereits einen Text, der den Weg dieses Textes detailliert nachvollzieht.
Übrigens erkennt man schon an den bloßen Zahlen, dass die Rechnung alt ist: Deutschlands Anteil an den weltweiten Emissionen liegt aktuell bei rund 2 Prozent, nicht mehr bei 3,1 Prozent (vor allem weil der Anteil von Ländern wie China gewachsen ist). Auch der zitierte CO2-Anteil von 0,038 Prozent in der Atmosphäre lässt vermuten, dass die Rechnung schon vor einigen Jahren entstanden ist, er entspricht dem CO2-Gehalt um das Jahr 2005 herum.“
Fazit von BR24
Die Behauptung, der menschliche CO2-Beitrag sei zu gering, um das Klima zu beeinflussen, ist falsch. Die zitierte Rechnung, mit der die Behauptung gestützt werden soll, blendet wichtige Fakten aus. Das Klimasystem reagiert schon auf geringe Mengen des Treibhausgases sehr sensibel. Die Natur aber trägt nicht zum Anstieg des CO2-Anteils bei. Der Mensch hingegen schon. Der Zuwachs seit Beginn der Industrialisierung beträgt 44 Prozent.
->Quellen: