Wasser-Photovoltaik auf dem Vormarsch
„Das Rennen um die weltweit erste Offshore-Solaranlage hat begonnen“, betitelt das Handelsblatt am 26.07.2019 einen Artikel von Kathrin Witsch: Schwimmende Solarkraftwerke seien „weltweit im Trend“. Nur: noch vertrügen sie kein Salzwasser. Aber: „nicht nur Windräder zieht es hinaus aufs offene Meer“. Ein belgisch-luxemburgisches Konsortium will die erste schwimmende PV-Anlage in der Nordsee bauen. Das Pilotprojekt soll nächstes Jahr ans Netz gehen.
Geleitet wird das Konsortium von dem belgischen Unternehmen Tractebel, einer Tochter des französischen Energieversorgers Engie. Mit den stetig sinkenden Kosten für Solarenergie sei die Entwicklung hin zu Offshore-Anwendungen der nächste logische Schritt und eine der maßgeblich grünen Energiequellen der Zukunft, heißt es in einem Statement von Tractebel:
„Ein Konsortium aus Tractebel, der Jan De Nul Group, DEME, Soltech und der Universität Gent gibt mit Stolz den Start eines innovativen Projekts im Bereich der schwimmenden Meeres-Solartechnologie bekannt. Die Partner sind davon überzeugt, dass PV-Module in Offshore-Gewässern eine der maßgeblichen zukünftigen grünen Energiequellen sind. In Kombination mit Aquakultur und Offshore-Windkraft am selben Standort ermöglicht diese innovative Technologie eine effizientere Nutzung des verfügbaren Platzes.
während die Kosten der PV-Technologie ständig weiter sinken, ist die Entwicklung hin zu Offshore-Anwendungen, die für starken Seegang geeignet sind, ein logischer nächster Schritt nach der Realisierung von schwimmenden Süßwasser-PV-Anlagen. Diese sind für Seen und Dämme sowie Offshore-Anwendungen für schwachen Wellengang in Lagunen und anderen geschützten Umgebungen geeignet. Es wird erwartet, dass Faktoren wie Bodenknappheit, Großserien-Standardisierung und der NIMBY-Effekt („not in my backyard“) das Wachstum des Offshore-Solarenergiemarktes unterstützen werden, wie es bei der Windenergie der Fall war. Generell kann diese Expansion als Schritt zur Weiterentwicklung der sogenannten Blue Economy gesehen werden, die Konzepte wie Städte auf dem Wasser, Offshore-Energiezentren usw. vorantreibt.
Damit die Solartechnologie in rauen Offshore-Umgebungen funktioniert, müssen die bisherigen PV-Module so angepasst werden, dass sie Salzwasser sowie starken Strömungen und Wellen standhalten. Darüber hinaus muss ein kostengünstiges Konzept für die Schwimmerstruktur entwickelt werden. Zudem wird von Anfang an die Integration der schwimmenden PV-Module ins Ökosystem untersucht, um die Auswirkungen so weit wie möglich zu minimieren.
Die Partner des Konsortiums sind die ersten in Belgien, die diese zukunftsweisende Offshore-Solarlösung erproben. Ihr Ziel ist es auch, als Vorreiter Offshore-Solarparks in der belgischen Nordsee zu realisieren – eventuell in Kombination mit Windparks oder Aquakultur. Auf diese Weise positionieren sich die Partner in diesem neuen, dynamischen Markt.
„Die Motivation, auch mit Solarkraftwerken aufs Wasser zu gehen, kommt natürlich daher, dass wir vor allem in Europa nur begrenzt Flächen zur Verfügung haben“, erklärt Harry Wirth, Experte am Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme (ISE) das gesteigerte Interesse an den so genannten Floating-PVs (deutsch: schwimmende PV-Anlagen).“
Die Idee von schwimmenden Sonnenkraftwerken ist schon alt und seit ein paar Jahren besonders in Südostasien auf dem Vormarsch. Die größte schwimmende Solaranlage befindet sich dementsprechend auch in China: Auf einem ausgedienten und mit Regenwasser gefluteten Tagebau schwimmen mehr als 165.000 Solarpaneele, mit einer Leistung von 40 Megawatt. Europas größte schwimmende Solaranlage befindet sich auf einem See in in einem Steinbruch bei Piolenc in Südost-Frankreich: Die Montagearbeiten sind Ende März 2019 abgeschlossen worden. Auf mehr als 17 Hektar Fläche (rund 25 Fußballfelder) erzeugen nach Unternehmensberechnungen mehr als 46.000 Module saubere Energie für etwa 4700 Haushalte. Errichtet wurde das Projekt „O’Mega 1“ von Akuo Energy, Frankreichs aktuell führendem Erzeuger von Energie aus erneuerbaren Quellen. Eine zweite, mit 20 MW noch größere, ist in Lazer (Hautes-Alpes) im Bau.
Deutschlands größte Anlage dieser Art wird derzeit auf einem Baggersee in Renchen bei Achern gebaut. Die Anlage soll rund 800.000 Kilowattstunden grünen Strom pro Jahr liefern und rund 560 Tonnen CO2 pro Jahr einsparen. Durch die Kühlung des Wassers sei im Vergleich zu Freiflächen- oder Dachanlagen sogar ein Mehrertrag von rund zehn Prozent zu erwarten, so der Entwickler Erdgas Südwest.
In den letzten Jahrzehnten sind entlang der Rheinschiene viele solcher Baggerseen entstanden, da der Bedarf an Baustoffen wie Sand und Kies enorm gestiegen ist und nach wie vor wächst. „Die Kieswerke benötigen viel Energie. Diese regenerativ zu erzeugen und keine zusätzlichen Flächen zu benötigen, das sollte ein wichtiger Beitrag der Branche zum Klimaschutz sein“, ist Thomas Beißwenger, Hauptgeschäftsführer des Industrieverbands Steine und Erden Baden-Württemberg e.V. (ISTE), überzeugt. Nun gilt es, dieses Flächenpotential zu nutzen und somit die regionale Energiewende weiter voran zu bringen.
Weltweit hat sich die auf Wasser installierte Leistung innerhalb von vier Jahren auf 1100 MW mehr als verhundertfacht, vor allem in Südostasien. Das Solarforschungsinstitut Singapur schätzt das Potenzial dieser Spielart auf bis zu 400.000 MW. Dort sieht man beispielsweise die Möglichkeit, die Wasserkraftwerke von Stauseen mit der Floating-Technologie zu ergänzen. Die Kühlwirkung des Wassers ermögliche höhere Modulleistung, umgekehrt würden die Panels das Verdunsten des kostbaren Wassers bremsen.
Schwimmende Anlagen effizienter
„Der Vorteil an den schwimmenden Solarkraftwerken, ist die gesteigerte Effizienz. Photovoltaik liebt zwar Sonne, aber keine Wärme. Auf dem Wasser herrschen generell kühlere Temperaturen, das steigert den Ertrag“, erklärt Wirth. Damit Solarzellen auf dem Wasser nicht untergehen oder an Land treiben, schwimmen sie auf mit Luft gefüllten Containern. Zusätzlich werden sie fixiert und wasserfest verkabelt.
Eine PV-Anlage auf dem offenen Meer stelle jedoch eine besondere Herausforderung dar. Hohe Wellen und auch das Salzwasser erhöhen die Belastungen für die Technologie. Auch in Dubai arbeitet man an einer Möglichkeit, Solarmodule so zu entwickeln, dass sie auch im Salzwasser des persischen Golfs eingesetzt werden können.
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