„Die Zukunft wird elektrisch sein“

Gastbeitrag von Michael Faltenbacher, thinkstep

Vor wenigen Tagen, am 31.07.201, veröffentlichte Solarify die scharfe Kritik des niederländischen  Wissenschaftlers Auke Hoekstra von der Technischen Universität Eindhoven an einer Batterie- und Brennstoffzellen-Antrieb vergleichenden Studie, bei der die Brennstoffzelle besser weggekommen war (siehe: solarify.eu/ise-in-der-kritik). Bereits früher hatten andere gar den Diesel besser gefunden als das E-Auto. Ein Gastbeitrag von , Teamleiter Transport & Mobilität beim Nachhaltigkeits-Beratungs-Unternehmen thinkstep.

Solarify veröffentlicht interessant erscheinende Gastbeiträge und Kommentare Dritter unabhängig davon, ob sich ihre Meinung oder der Informationsstand mit dem von Solarify decken.

Fünf Nachhaltigkeitseinblicke in die Debatte um Elektrofahrzeuge

Im April 2019 begannen Hans-Werner Sinn und seine Co-Autoren eine lebhafte Diskussion über batterieelektrische Fahrzeuge und deren CO2-Emissionen im Vergleich zu herkömmlichen Dieselfahrzeugen (siehe: solarify.eu/ifo-studie-ueber-e-autos-stark-umstritten). Bei thinsktep begrüßen wir einen solchen öffentlichen Diskurs, denn es ist wichtig, verschiedene Perspektiven auf so komplexe Herausforderungen zu präsentieren und kritisch über den Übergang zu effizienterer und effektiverer Energie und Mobilität nachzudenken. Mit einem starken fachlichen Hintergrund und langjähriger Erfahrung mit dem Thema möchten wir einige zusätzliche Kommentare in die Diskussion einbringen.

  1. Die Produktionsmenge von Elektrofahrzeugen beeinflusst den Vergleich

Auf der einen Seite sind ganzheitliche Technologievergleiche, die die Herstellung, den Einsatz und die Entsorgung von Fahrzeugen berücksichtigen, nichts Neues. thinktep hat viele solcher Vergleiche durchgeführt, von denen einige veröffentlicht wurden1, 2, 3. In diesen Überlegungen haben wir immer wieder betont, dass ein Elektrofahrzeug zunächst eine bestimmte Laufleistung erreichen muss, um die Emissionen aus der Produktion seiner großen Batterie auszugleichen. Die Erhöhung der Menge an Ökostrom in einem Netzmix im Verhältnis zu nicht erneuerbaren Energiequellen wird die mit diesem Netzmix verbundenen Gesamtemissionen reduzieren. Die Erhöhung der Anzahl der produzierten Elektrofahrzeuge sollte uns also idealerweise veranlassen, mehr erneuerbare Energien zu erzeugen, um die Umweltbilanz von Elektrofahrzeugen im Vergleich zu konventionellen Fahrzeugen zu verbessern.

Die aktuelle Debatte zu diesem Thema hat Argumente von allen Seiten mit einbezogen. Die Argumente betreffen unter anderem die mangelnde Vergleichbarkeit von Diesel- und Elektrofahrzeugen. Natürlich gibt es einige wesentliche Unterschiede zwischen diesen beiden Fahrzeugtypen, wie Reichweite, maximale Antriebsleistung und Drehmomentkurve. Während Dieselfahrzeuge einen Reichweitenvorteil haben, liegt das Elektrofahrzeug in den beiden anderen Kategorien vorne. Es gibt eine gewisse Anzahl von Menschen, die an der Bedeutung solcher Vergleiche zweifeln, aber eben solche Vergleiche sind notwendig, auch wenn unvermeidliche Unterschiede zwischen den Produkten Teil der Gleichung sind.

  1. Emissionen aus der Batterieproduktion sind entscheidend

Viel wichtiger ist jedoch die Quantifizierung der Emissionen aus der Batterieproduktion, die ein besonders kritischer Parameter im Vergleich der beiden Fahrzeugtypen ist. Die von Sinn und seinen Co-Autoren zitierte Batterieproduktionsstudie4 zeigt die immense Bandbreite der für solche Vergleiche veröffentlichten Werte, die Relevanz des Energiebedarfs und der entsprechenden CO2-Emissionen. Ein genauer Blick auf diesen Parameter zeigt, wie wichtig die Produktionsmenge für den Energieverbrauch pro Batteriekapazität ist und dementsprechend sinken die CO2-Emissionen aus der Batterieproduktion mit größeren Produktionsmengen stark (Abbildung 1). Die von den Autoren ermittelten CO2-Emissionen stellen daher keine große Batterieproduktion dar, sondern basieren auf frühen, kleineren Produktionsmengen.

  1. Stromquelle ist wichtig

Darüber hinaus ist die entsprechende Strombeschaffung von immenser Bedeutung. Die Nutzung von Strom mit geringen CO2-Emissionen – insbesondere durch die eigene Produktion von Strom aus erneuerbaren Energien – reduziert den CO2-Fußabdruck der Batterie erheblich. Gleiches gilt für die ständig voranschreitende Optimierung der Batterietechnologien, zum Beispiel durch höhere Speicherkapazitäten und effizientere Produktionsprozesse (etwa durch die bereits angesprochenen Skaleneffekte). Die Hersteller von Elektrofahrzeugen beobachten all diese Entwicklungen weiterhin aufmerksam. Gleiche effiziente Produktionsmaßnahmen führen jedoch nicht zu den gleichen Verbesserungen für ein Verbrennungsfahrzeug, da der Großteil der CO2-Emissionen eines Verbrennungsmotors während der Nutzungsphase (beim Fahren des Fahrzeugs) entsteht.

Abbildung 1: Unterschiede im Energieverbrauch bei der Batterieproduktion – (Quellen: Dai et al.5, Ellingsen et al.6)

Dennoch ist die Annahme, dass der Stromverbrauch sowohl bei Elektro- als auch bei Plug-in-Hybriden keine CO2-Emissionen verursacht, insbesondere unter Berücksichtigung der Verdrängungseffekte, wie sie durch europäische Vorschriften untermauert werden, völlig falsch. Diese Annahme ist eine Voraussetzung für den europäischen Rechtsrahmen. Aber es wäre wesentlich sinnvoller, wenn die EU zumindest die durchschnittlichen europäischen Emissionen aus der Stromerzeugung berücksichtigen würde. Dabei sollte der Fokus auf der so genannten „Tank-to-Wheel-Analyse“ liegen, bei der wir nur die Emissionen des Fahrzeugs analysieren und um eine Well-to-Wheel-Betrachtung unter Berücksichtigung der Emissionen aus der Bereitstellung von Kraftstoff und Strom erweitern.

  1. Ganzheitlicher Ansatz

Aber auch hier würde die Analyse die Produktion und Entsorgung von Fahrzeugen und Batterien nicht berücksichtigen. Eine solche Analyse ist nur in einer Cradle-to-Grave-Ansicht oder einer Ökobilanz möglich. Die Automobilindustrie verfolgt alle notwendigen Ansätze und thinktep stellt dafür Datenbanken und Softwaretools zur Verfügung7. Mit diesen ganzheitlichen Bewertungen werden negative Entwicklungen sichtbar, wenn beispielsweise höhere CO2-Emissionen aus der Batterieproduktion den Break-Even-Punkt bei konventionellen Fahrzeugen auf höhere Lebenszykluskilometer verschieben (siehe Abbildung 2). Um wünschenswerte Ergebnisse zu erzielen, müssen solche Überlegungen auch den Rechtsrahmen für die Zukunft begründen. Glücklicherweise wurde die Idee, Ergebnisse auf der Grundlage standardisierter Lebenszyklusbetrachtungen zu kommunizieren, bereits auf europäischer politischer Ebene diskutiert8.

Abbildung 2: Schematische Darstellung zur Verschiebung des Break-Even-Punktes zwischen Verbrennungsmotor und Elektrofahrzeug bei steigenden Emissionen aus der Batterieproduktion – Grafik © thinkstep

  1. Die Zukunft wird elektrisch sein – wichtig ist der richtige Ansatz

Elektrofahrzeuge haben aufgrund ihres langfristigen CO2-Reduktionspotenzials, der erwarteten technologischen Entwicklung und des vollen Potenzials und der Auswirkungen der Nutzung erneuerbarer Energien bei der Fahrzeugherstellung und -nutzung ein höheres Zukunftspotenzial als konventionelle Verbrennungsfahrzeuge. Die Verbrennung fossiler Brennstoffe wird nie eine nachhaltige Lösung sein. Es ist wichtig, dass Politik und Unternehmen gemeinsam über Energie- und Verkehrstransformation nachdenken und die Ökobilanz ist der ideale Weg, dies ganzheitlich zu tun. Dazu gibt es alle notwendigen Werkzeuge, Daten und methodischen Ansätze und es gibt Fachleute, die genaue Antworten auf diese relevanten Fragen geben können.

Dieser Beitrag wurde zuerst im thinkstep-Blog veröffentlich (auf Englisch): thinkstep.com/blog/5-sustainability-insights-electric-vehicle-debate.


Anmerkungen:
1 Fraunhofer IBP, thinkstep AG „Abschlussbericht: Bewertung der Praxistauglichkeit und Umweltwirkungen von Elektrofahrzeugen“ BMVI (Hrsg.), Berlin, 2016, Link
2 thinkstep AG (ehemals: PE International AG), Gingo21 „Élaboration selon les principes ACV des bilans énergétiques, des émissions de gaz à effet de serre et desautres impacts environnementaux induits par l’ensemble des filières de véhicules électriques et de véhicules thermiques, VP desegment B (citadine polyvalente) et VUL à l’horizon 2012 et 2020“, 02013, Link
3 thinkstep AG, prognos “Nullemissionsnutzfahrzeuge – Vom ökologischen Hoffnungsträger zur ökonomischen Alternative“, e-mobil BW, 2017, Link
4 Romare, Dahllöf „The Life Cycle Energy  Consumption and  Greenhouse Gas Emissions from Lithium-Ion Batteries”, 2017, Link
5 Ellingsen et al. „Life Cycle Assessment of a Lithium-Ion Battery Vehicle Pack“, Journal of Industrial Ecology, 2013.
6 Dai et al. “Update of Life Cycle Analysis of Lithium-ion Batteries in the GREETÒ Model”, September 2017
7 Philipp Vetter „Erst nach 100.000 Kilometern ist der E-Golf wirklich „grün““, Welt online,  26.04.2019, Link
8 Europäisches Parlament „Strengere Klimaziele für Autos bis 2030“, Pressemitteilung, Oktober 2018, Link


->Quellen: