Massiver PV-Ausbau könnte alle Kohlekraftwerke ersetzen

Studie der Gemeinsamen Forschungsstelle der EU-Kommission

Die Kohleregionen der EU bieten ein Potenzial für die Installation von Photovoltaik-Anlagen mit einer Leistung von 730 Gigawatt, schreibt Ralph Diermann am 31.07.2019 auf pv magazine über eine Studie der Gemeinsamen Forschungsstelle der EU-Kommission vom 05.07.2019. Sie würden rechnerisch so viel Strom erzeugen wie alle europäischen Kohlekraftwerke zusammen. Allerdings würden mit dem Umstieg von Kohle auf Solar wohl mehrere Zehntausend Arbeitsplätze verloren gehen.

PV-Park in Mittelfranken – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Wie können die 42 europäischen Kohleregionen (Coal Regions in Transition – CRiT) den Abschied von den fossilen Energien sozialverträglich gestalten? Und was soll an die Stelle der Kohlekraftwerke treten, die dort Strom erzeugen? Diese Fragen haben jetzt vier Forscher der Gemeinsamen Forschungsstelle der EU-Kommission (Joint Research Centre) untersucht. Ihr Fokus lag auf dem Beitrag, den die Photovoltaik dazu leisten kann. Das Ergebnis ihrer Analyse „Solar Photovoltaic Electricity Generation: A Lifeline for the European Coal Regions in Transition“, die sie in einem Paper in MDPI Sustainablity veröffentlicht haben: Ein massiver Ausbau der Photovoltaik in den europäischen Kohleregionen könnte alle europäischen Kohlekraftwerke ersetzen – was die Stromerzeugung betrifft. Allerdings würden dabei wohl mehrere Zehntausend Arbeitsplätze verloren gehen.

Mithilfe von Satellitendaten haben die Forscher herausgefunden, dass das technische Potenzial für PV-Freiflächenanlagen in den Kohleabbauregionen bei 580 GW liegt, wenn nur drei Prozent der geeigneten Flächen tatsächlich mit Modulen belegt werden. Das ist sieben Mal mehr als die Leistung, welche die insgesamt 111 Kohlekraftwerke liefern, die derzeit in den Kohleregionen in Betrieb sind – sie kommen auf 83 GW. Die PV-Anlagen würden 7570 Quadratkilometer Fläche einnehmen und könnten pro Jahr gut 700 TWh Strom erzeugen. Die Forscher haben dabei alle Tagebau-Flächen mit einem Gefälle von weniger als 30 Grad in Süd-, Ost- und Westausrichtung berücksichtigt.

Nutzt man auch alle geeigneten Dachflächen in den Regionen, würde die technisch mögliche PV-Leistung auf 668 GW steigen. Zusammen mit weiteren Flächen in unmittelbarer Umgebung der Kohleregionen wäre gar eine Leistung von 730 GW möglich. Ihr jährlicher Ertrag von 874 TWh würde genügen, um alle Kohlekraftwerke in der EU zu ersetzen, so die Forscher – die Systemintegration etwa durch Speicher vorausgesetzt. 730 GW: Das ist sechs Mal mehr als die gesamte, Ende 2018 in der EU installierte Leistung von 117 GW. Am größten ist das Potenzial der Studie zufolge in Spanien, Deutschland, Polen und Rumänien (siehe Grafik unten).

Die Kohleregionen bieten beste Voraussetzungen für die Installation von PV-Freiflächenanlagen, da die nötige Netzanbindung sowie weitere Infrastruktur-Einrichtungen wie Straßen oder Zäune bereits vorhanden sind und energietechnisch geschultes Personal verfügbar ist. Nach Auslaufen der Bergbau-Aktivitäten sind die Abbauunternehmen verpflichtet, die Tagebaue zu rekultivieren und das Gelände anschließend zu überwachen – wirtschaftlich gesehen eine große Herausforderung. Mit dem Betrieb von Photovoltaik-Anlagen könnten sie erhebliche Erlöse für diese Aufgaben erzielen. Zugleich würde das Angebot an verfügbaren Flächen für die Photovoltaik mit dieser Nutzung der Tagebaue deutlich steigen. Eine Flächenkonkurrenz zu einer landwirtschaftlichen Nutzung besteht nicht, öffentliche Proteste sind nicht zu erwarten.

Die Forscher zählen insgesamt 240.000 Arbeitsplätze in den europäischen Kohleregionen, davon 180.000 im Bergbau und 60.000 bei den Kraftwerken. Die Photovoltaik könnte diese nicht vollständig ersetzen. So rechnen die Wissenschaftler damit, dass mit der Installation von 580 GW Freiflächenanlagen über die nächsten 15 Jahre rund 135.000 Arbeitsplätze entstehen könnten. Bei Betrieb, Wartung und Monitoring kämen 50.000 Jobs dazu. Unter dem Strich würde das den Verlust von 55.000 Arbeitsplätzen bedeuten – der sich jedoch verkleinern würde, wenn man die Jobs dazu zählt, die durch Dachanlagen entstehen. Hier ist eine Quantifizierung jedoch schwierig, so die Forscher.

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