DLF: Erfolge der Synthetischen Biologie
Zwei wissenschaftliche Erfolge im Kampf gegen den Klimawandel: Im Deutschlandfunk beschrieb Hellmuth Nordwig, wie taiwanesische Forscher künstlich erzeugte Bakterien indirekt Kohlendioxid verwerten lassen; sie wandeln CO2 hergestellte Ameisensäure in Energieträger um. Am Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam-Golm hat Arren Bar-Even gewöhnlichen Colibakterien beigebracht, was sonst nur die wenigsten Einzeller können: nämlich von direkt aus CO2 produzierter Ameisensäure zu leben. Aus Sicht der Wissenschaftler könnte beides langfristig helfen, den Klimawandel zu bremsen. Ein deutsches Unternehmen (Electrochaea) produziert mit bakterieller Hilfe Methan.
Eine der Visionen der Synthetischen Biologie lautet, dass in der Natur so nicht vorkommende Einzeller helfen sollen, den Treibhauseffekt zu bekämpfen. Zu ihrer Verwirklichung verfolgen Forscher und Unternehmen unterschiedliche Ansätze: James Liao zum Beispiel, vielfach preisgekrönter Direktor des Instituts für biologische Chemie und Präsident der Academia Sinica in Taiwan, will erreichen, dass Einzeller weniger CO2 produzieren. Wenn die nämlich Zucker umsetzen, gelangen von dessen sechs Kohlenstoffatomen zwei in Form von CO2 in die Atmosphäre. Doch bei einem Stamm von Escherichia Coli, dessen Stoffwechsel Liao komplett umgebaut hat, ist die CO2-Bilanz viel besser: „Diese Bakterien erzeugen aus Zucker Essigsäure, ohne dass CO2 entsteht. Essigsäure lässt sich zum Beispiel zu Ethanol umwandeln, und zu Fettsäuren, aus denen Biodiesel hergestellt werden kann. So ziemlich jede interessante Chemikalie kann aus dem Baustein Essigsäure mit ihren zwei Kohlenstoffatomen abgeleitet werden.“ Aber: Solche Substanzen lassen sich noch kostengünstiger aus Erdöl herstellen.
Arren Bar-Even in Golm sieht das ebenso: „Ameisensäure kann sehr effizient auf elektrochemischem Wege aus Kohlendioxid hergestellt werden. Und ein Mikroorganismus, der von Ameisensäure lebt, nimmt sie auf und kann daraus andere Verbindungen herstellen. So könnten wir eine Produktionskette aufbauen, die mit CO2 und erneuerbarer Energie beginnt und mit interessanten Produkten endet. Und Ameisensäure ist ein Schlüssel in diesem Prozess.“ Eine Anlage für Bar-Evens Verfahren gibt es allerdings noch nicht. Dagegen ist das genetisch modifizierte Bakterium nach Aussage von Arren Bar-Even fast fertig: „Dabei ist der Stoffwechsel, den wir den Colibakterien einbauen, völlig synthetisch. Er kommt in keinem anderen Organismus vor. Das ist also eine doppelte Herausforderung: Zum einen bringen wir den Bakterien bei, auf Ameisensäure zu wachsen – schon das ist schwierig. Und wir versuchen das nicht mit einem bekannten, sondern mit einem völlig neuartigen Stoffwechselweg.“
Electrochaea setzt patentierten Biokatalysator ein
In einer mikrobiellen elektrochemischen Zelle erzeugt Electrochaea in Planegg bei München mit einem eigenen patentierten Biokatalysator und überschüssigem Strom Wasserstoff, der mit eingespeistem Kohlendioxid den Mikroorganismen als Nährstoff dient. Stoffwechselprodukt ist reines Methan in Pipeline-Qualität. Der firmeneigene Biokatalysator von Electrochaea ist ein selektiv entwickelter – nicht genetisch veränderter – Stamm von methanogenen Archaeen, einem einzelligen Mikroorganismus, der die Erde seit Milliarden von Jahren bevölkert. Der im Electrochaea-Power-to-Gas-Verfahren verwendete Archaea-Stamm wurde an der University of Chicago für den industriellen Einsatz entwickelt.
Er weist mehrere einzigartige Eigenschaften auf, darunter eine hohe Massenkonversionseffizienz, Toleranz gegenüber vielen Verunreinigungen, die typischerweise in industriellen CO2-Quellen vorkommen (Sauerstoff, Schwefelwasserstoff, Partikel), hohe Selektivität bei der Methanproduktion und eine sehr schnelle Reaktionskinetik, die eine Skalierung bis zur kommerziellen Anwendung ermöglicht. Darüber hinaus sind die Organismen selbstreplizierend und selbst erhaltend und müssen daher nicht regelmäßig ersetzt werden.
Systemaufbau
Electrochaea verfolgt die Energiespeicherung über ein zweistufiges Power-to-Gas-System, das mit einem handelsüblichen Elektrolyseur Wasserstoff erzeugt. Dieser Wasserstoff wird dann zusammen mit Kohlendioxid aus biogenen oder industriellen Quellen in einen separaten Bioreaktor geleitet. Die Organismen reagieren nicht mit der CO2-Quelle und können gängige Quellen wie Rohbiogas aus anaeroben Fermentern, Gärabgas aus Brauereien und Ethanolanlagen sowie Rauchgas aus Verbrennungsprozessen nutzen. Aufgrund der hohen Selektivität der Archaeen ist eine minimale Nachbehandlung des Gases erforderlich, bevor es in das Gasnetz eingespeist wird. Sauerstoff und Wärme sind Nebenprodukte des Prozesses und können in vielen verschiedenen Märkten verkauft werden, sowohl vor Ort als auch außerhalb.
In Kopenhagen betreibt das Unternehmen die weltweit größte Anlage. Noch ist allerdings der Maßstab zu klein, um die Treibhausgas-Bilanz nennenswert zu beeinflussen. Und wirtschaftlich lohnen sich beide Projekte bisher auch nicht. Doch das könnte sich ändern, wenn der CO2-Ausstoß durch Bepreisung teurer wird. Dann wird das Interesse an Verfahren, die Kohlendioxid zu Treibstoffen und Chemikalien umwandeln, deutlich zunehmen.
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