Erneut getarnte Anti-Klimaschutz-Kampagne – Quaschning checkt die Fakten
Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) hat eine neue Kampagne gestartet: „12 Fakten zur Klimapolitik“. Der Klimaschutzexperte Hans-Josef Fell sieht die Initiative „klar gegen die erfolgreichen jugendlichen Klimaproteste gerichtet“. Es ist kein neuartiges Vorgehen: Immer wieder versucht die INSM, Strömungen zu bekämpfen, die sie für gegen ihre marktliberalen Interessen gerichtet ansieht: So vor zwei Jahren mit der Kampagne gegen EEG und Energiewende. Solarify berichtete am 20.02.2017 (siehe: solarify.eu/insm-mit-neuer-kampagne-gegen-energiewende – später im Buch „Das fossile Imperium schlägt zurück“ von Claudia Kemfert zitiert):
„INSM mit neuer Kampagne gegen Energiewende – Faktencheck und Gegendarstellung:
Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) läuft – wie schon bei der vergangenen Bundestagswahl – wieder einmal Sturm gegen Energiewende und Erneuerbare Energien. Kategorisch stellt sie fest: Die Energiewende “belastet Haushalte, schwächt die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft – vor allem aber: Der Umwelt ist wenig geholfen”, ein altbekannter Argumentations-Dreisprung. Aber stimmt das denn? Solarify checkt die von der INSM gesammelten ‘Fakten’, die zeigen sollen, “was an der Energiewende im Stromsektor schief läuft”. Schon diese “Fakten” sind – interessegeleitet – handverlesen. Solarify hat sie geprüft und jeweils darauf geantwortet – im Stil einer Gegendarstellung.“
Erneut getarnte Anti-Klimaschutz-Kampagne – Quaschning checkt die Fakten
Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) hat eine neue Kampagne gestartet: „12 Fakten zur Klimapolitik“. Der Klimaschutzexperte Hans-Josef Fell sieht die Initiative „klar gegen die erfolgreichen jugendlichen Klimaproteste gerichtet“. Es ist kein neuartiges Vorgehen: Immer wieder versucht die INSM, Strömungen zu bekämpfen, die sie für gegen ihre marktliberalen Interessen gerichtet ansieht: So vor zwei Jahren mit der Kampagne gegen EEG und Energiewende. Solarify berichtete am 20.02.2017 (siehe: solarify.eu/insm-mit-neuer-kampagne-gegen-energiewende – später im Buch „Das fossile Imperium schlägt zurück“ von Claudia Kemfert zitiert):
Die INSM, von den Unternehmerverbänden der Metall- und Elektroindustrie (Gesamtmetall) finanzierte Tochtergesellschaft des von den beiden Industrieverbänden BDI und BDA finanzierten Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln, vertritt als Lobbyorganisation die Interessen der großen deutschen Konzerne. Diesmal – so der Energieexperte Hans-Josef Fell auf seiner Internetseite – richtet sich die INSM „klar gegen die erfolgreichen jugendlichen Klimaproteste, um sie einzufangen und so zu schwächen, dass sie die großen Geschäfte des fossilen/atomaren Wirtschaftsgefüges nicht ernsthaft gefährden können. Im Rahmen von Themenkampagnen übernimmt die Initiative neue soziale Marktwirtschaft Begriffe der Gegenseite (’sozial‘, ‚Gerechtigkeit‘, ‚Energiewende‘, ‚Klimaschutz‘), und sorgt dafür, eine neue Assoziation zu den Begriffen in ihrem Sinn herbeizuführen.“ So heiße das beim Thema Klimaschutz „Zwei-Grad-Ziel“ statt „1,5-Grad-Ziel“ (besser wäre „Grenze“ statt „Ziel“): „Ausbremsen schneller, massiver Klimaschutzmaßnahmen für die Industrie, Verhindern einer CO2-Abgabe“ durch Emissionshandel, Abbremsen des Kohleausstiegs, Erdgas-Offensive.
Der Faktencheck von Volker Quaschning
Charakteristisch sind Gemein-Fußballplätze wie „Deutschland liegt in der Liste der größten Emittenten auf Platz 6, trägt aber nur 2,3 Prozent bei. Das zeigt, dass Deutschland im Alleingang den mit den Treibhausgasen verbundenen Klimawandel nicht aufhalten kann.“ Niemand hat das je behauptet – aber der Satz insinuiert, Klimaschützer würden dergleichen Unsinn verbreiten. Nun hat der Berliner Energieexperte Volker Quaschning sich die Mühe gemacht und (am 17.07.2019) einen sorgfältigen Faktencheck erstellt – mit erstaunlichen Ergebnissen.
Quaschning: „Für Laien klingen viele der Fakten schlüssig und nachvollziehbar. Dabei verfolgt die INSM mit der Publikation der INSM-Fakten in erster Linie ganz klar die Ziele ihrer Unternehmen und nicht unbedingt die des besseren Klimaschutzes. Grund genug, die INSM-Fakten einem Faktencheck zu unterziehen. Dabei werden besonders kritische Sätze der einzelnen Fakten zitiert und kommentiert. Grundsätzlich fordert die Initiative eine langsamere Energiewende. Der Klimaschutz soll sich dabei den Interessen der Industrie unterordnen.
INSM-Fakt 1:
„[…] Gleichzeitig wird davor gewarnt, dass eine Erderwärmung, die deutlich über 2 °C liegt, erhebliche Risiken für Mensch und Umwelt mit sich bringt.[…] Umso wichtiger ist, dass im Jahr 2015 mit dem Pariser Klimaabkommen das Zwei-Grad-Ziel weltweit festgeschrieben wurde. Wirklich wirksam sind jedoch nur international abgestimmte Instrumente zur Emissionsreduktion, nationale Alleingänge helfen nicht weiter.“
Faktencheck: In seinem jüngsten Bericht warnt der Weltklimarat IPCC bereits vor erheblich größeren Risiken bei einer Erwärmung von 2 °C im Gegensatz zu 1,5 °C [IPC18]. Im Pariser Klimaschutzabkommen wurde vereinbart, die globale Erwärmung deutlich unter 2 °C, möglichst auf 1,5 °C zu begrenzen [UNF15]. Das Zwei-Grad-Ziel wurde somit durch das 1,5-Grad-Ziel ersetzt. „Die Verschärfung des Ziels erfolgte insbesondere auf Druck der südlich gelegenen Länder, da diese schon heute unter enormen Schäden aufgrund von lang anhaltenden Dürreperioden, andernorts unter massiven Stürmen und Überschwemmungen leiden und viele Todesopfer zu verzeichnen haben.“ [Wik19b]
Im Rahmen des Klimaschutzabkommens können alle Länder ihre eignen Maßnahmen zum Erreichen der Klimaschutzziele definieren. Dies wurde so entschieden, da die Implementierung von Maßnahmen, die durch alle Länder getragen werden, aktuell nicht durchsetzbar ist.
Hier findet durch die INSM eine Verschiebung in zweierlei Hinsicht statt. Die dringende Empfehlung der Wissenschaft und der Beschluss des Pariser Klimaschutzabkommens, die globale Erwärmung möglichst auf 1,5 °C zu begrenzen, wird durch eine eigenmächtige Einführung eines viel schwächeren Zwei-Grad-Ziels aufgeweicht. Zudem werden implizit nationale Maßnahmen ausgeschlossen, da diese „nicht wirksam“ sind. Damit stellt der erste INSM-Fakt einen Frontalangriff auf alle deutschen Klimaschutzbemühungen dar.
INSM-Fakt 2
„Deutschlands Anteil am weltweiten CO2-Ausstoß hat sich halbiert. […] Deutschland liegt in der Liste der größten Emittenten auf Platz 6, trägt aber nur 2,3 Prozent bei. Das zeigt, dass Deutschland im Alleingang den mit den Treibhausgasen verbundenen Klimawandel nicht aufhalten kann. Nur zusammen mit der internationalen Gemeinschaft können die Emissionen signifikant reduziert werden.“
Faktencheck: Dieser Fakt enthält verschiedene interessante Suggestionen. Bereits der erste Satz lässt vermuten, dass die deutschen Emissionen sich (seit 1990) halbiert haben und Deutschland somit bei den Klimaschutzbemühungen ganz vorne steht, weiter unten wird suggeriert, dass Deutschland dabei ganz alleine dasteht. Die Emissionen vieler Entwicklungs- und Schwellenländer sind – auch durch die deutsche Nachfrage nach deren Produkten – deutlich angestiegen. Damit hat auch der weltweite Treibhausgasausstoß stark zugenommen, sodass der Anteil Deutschlands an den Gesamtemissionen gesunken ist. Darüber hinaus sind die reinen CO2-Emissionen in Deutschland zwischen 1990 und 2017 nur von 1053 Megatonnen auf 798 Megatonnen, also um 24,2 Prozent gefallen [UBA19]. Ein größerer Teil dieses Emissionsrückganges ist zudem auf wirtschaftliche Umbrüche in den neuen Bundesländern nach der Wiedervereinigung und nicht auf Klimaschutzmaßnahmen zurückzuführen.
Es gibt zahlreiche andere Ländern, die einen größeren Emissionsrückgang haben, z. B. die Ukraine mit 67 Prozent bis 2016 durch wirtschaftliche Einbrüche und Großbritannien mit 34 Prozent ohne derartige Einbrüche [UNF18].
Deutschland hat im Bereich des Klimaschutzes und der Energiewende große Versprechungen gemacht. Viele wirtschaftlich schwächere Länder richten ihre Klimaschutzbemühungen auch an Deutschland aus. Ein Beispiel dafür ist das Erneuerbare Energien Gesetz, das von zahlreichen anderen Ländern in eigene Gesetze übertragen wurde. Setzt Deutschland erfolgreich Klimaschutzmaßnahmen um, dürfte eine Vielzahl an Ländern dem Beispiel folgen. Mit ambitionierten Klimaschutzmaßnahmen kann Deutschland folglich einen großen Hebel entwickeln und hat damit ähnlich große Einsparpotenziale wie die USA und China, die beiden Länder mit den größten Emissionen. Außerdem liegt der Pro-Kopf-Ausstoß an Treibhausgasen in Deutschland immer noch bei etwa dem Doppelten des Weltdurchschnitts. Darum haben wir in Deutschland eine größere Verantwortung als die meisten anderen Länder. Im Climate Change Performance Index 2019, der die Klimaschutzbemühungen einzelner Länder bewertet, liegt Deutschland nur noch auf Platz 27 hinter Ländern wie der Ukraine, Ägypten oder Rumänien [Ger19].
Folgt: INSM-Fakt 3