Mi­kro­be erzeugt Me­than aus Roh­öl

Candidatus Me­tha­no­lip­a­ria wandelt Öl in Gas

Neue Mi­kro­skopaufnahmen deu­ten dar­auf hin, dass die kürz­lich ent­deck­ten Mi­kro­ben Me­tha­no­lip­a­ria Me­than aus Roh­öl er­zeu­gen kön­nen – ohne frem­de Hil­fe. In einer Medienmitteilung des Bremer Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie (MPIMM) vom 20.08.2019 heißt es fast poetisch: „Die winzigen Organismen klammern sich an Öltröpfchen und vollbringen Großes: Ganz allein scheinen sie Öl in Methan umzuwandeln, in einem Verfahren namens Alkan-Disproportionierung. Bislang war dies nur von Symbiosen zwischen Bakterien und Archäen bekannt. Die Mikrobe wurde nun weltweit in Öllagerstätten gefunden.

Tauchfahrzeug MARUM-QUEST sammelt Sedimentproben an Ölaustritten im Golf von Mexiko Foto © MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften

Erd­öl und Erd­gas tre­ten an so­ge­nann­ten „Seeps“ vie­ler­orts aus dem Mee­res­bo­den aus. Dort wan­dern die Koh­len­was­ser­stof­fe aus dem Quell­ge­stein durch Ris­se und Se­di­men­te Rich­tung O­ber­flä­che. In den obe­ren Se­di­ment­schich­ten wer­den vie­le Koh­len­was­ser­stof­fe, vor­ran­gig Al­ka­ne, ab­ge­baut und er­mög­li­chen am dunk­len Mee­res­grund die Ent­ste­hung ei­ner Vielzahl dicht besiedelter Lebensräume. Auch tief drin­nen im Se­di­ment, wo kein Sau­er­stoff vor­han­den ist, bil­den sie eine wich­ti­ge En­er­gie­quel­le für un­ter­ir­di­sche Mi­kro­or­ga­nis­men, dar­un­ter ei­ni­ge der so­ge­nann­ten Ar­chä­en.

Die Ar­chä­en wa­ren in den letz­ten Jah­ren im­mer wie­der für eine Über­ra­schung gut (s.u.). Nun lie­fert eine Stu­die von MPIMM und Forschungszentrum MA­RUM für Ma­ri­ne Um­welt­wis­sen­schaf­ten an der Universität Bremen ers­te Bil­der, Ge­no­me und Um­welt­in­for­ma­tio­nen ei­ner Mi­kro­be, die das Po­ten­zi­al hat, lang­ket­ti­ge Koh­len­was­ser­stof­fe in Me­than um­zu­wan­deln. Ihre Er­geb­nis­se ver­öf­fent­li­chen die For­schen­den im Fach­ma­ga­zin mBio unter dem (englischen, s.u.) Titel Anaerober Abbau von Nicht-Methan-Alkanen durch „Candidatus Methanoliparia“ in Kohlenwasserstoff-Austritten im Golf von Mexiko.

Al­kan-Dis­pro­por­tio­nie­rung: Spaltung von Öl in CH4 und CO2

Die­se Mi­kro­be, eine Ar­chäe na­mens Me­tha­no­lip­a­ria, ver­wan­delt die Koh­len­was­ser­stof­fe mit­tels der so­ge­nann­ten Al­kan-Dis­pro­por­tio­nie­rung: Sie spal­tet das Öl in Me­than (CH4) und Koh­len­di­oxid (CO2). Bis­lang dach­te man, dass die­se Um­wand­lung nur in ei­ner kom­pli­zier­ten Team­ar­beit zwi­schen zwei ver­schie­de­nen Or­ga­nis­men­grup­pen, Ar­chä­en und Bak­te­ri­en, mög­lich ist. Nun zei­gen die Bremer For­scher, dass es auch noch eine an­de­re Lö­sung gibt. „Es ist das ers­te Mal, dass wir eine Mi­kro­be se­hen, die ei­gen­stän­dig Öl zu Me­than ab­bau­en kann“, so Er­st­au­tor Ra­fa­el Laso-Pé­rez.

Wäh­rend ei­ner Aus­fahrt im Golf von Me­xi­ko sam­mel­ten die Wis­sen­schaft­le­r Se­di­ment­pro­ben vom Cha­po­po­te Knoll, ei­nem Öl- und Gas­aus­tritt in 3.000 Me­ter Tie­fe. Nach ih­rer Rück­kehr nach Bre­men ana­ly­sier­ten sie die­se Pro­ben und stell­ten fest, dass Me­tha­no­lip­a­ria bis­her un­be­kann­te En­zy­me be­sitzt, um das recht un­re­ak­ti­ve Öl ohne Sau­er­stoff zu nut­zen.

„Der neue Or­ga­nis­mus, Me­tha­no­lip­a­ria, ist eine Art Misch­we­sen“, sagt Gun­ter We­ge­ner, In­itia­tor und ei­ner der Haupt­au­to­ren der Stu­die. „Einige seiner Verwandten sind Archäen, die kettenförmige Kohlenwasserstoffe mit abbauen, an­de­re sind die alt­be­kann­ten Me­tha­no­ge­nen, die Me­than bil­den.“ Me­tha­no­lip­a­ria kom­bi­niert die en­zy­mati­schen Werk­zeu­ge die­ser bei­den Ver­wand­ten, baut also das Öl ab und bil­det da­bei Me­than. Den For­sche­rIn­nen ist es au­ßer­dem ge­lun­gen, die Or­ga­nis­men auf Lein­wand zu ban­nen. Die ent­stan­de­nen Bil­der stüt­zen ihre Ver­mu­tung: „Im Mi­kro­skop konn­ten wir zei­gen, dass Me­tha­no­lip­a­ria an Öltröpf­chen haf­tet. Wir fan­den kei­ne Hin­wei­se, dass es Bak­te­ri­en oder an­de­re Ar­chä­en als Part­ner braucht“, so We­ge­ner wei­ter.

Sehr häufig und weltweit verbreitet

Me­tha­no­ge­ne Mi­kro­or­ga­nis­men wa­ren im Lau­fe der Zeit für un­ser Kli­ma sehr wich­tig, da ihr Stoff­wech­sel­pro­dukt Me­than ein star­kes Treib­haus­gas ist – mehr als 25 Mal stär­ker als Koh­len­di­oxid. Da­her woll­ten Laso-Pé­rez und sei­ne Kol­le­gen wis­sen, wie ver­brei­tet der neue Or­ga­nis­mus ist. „ Wir durch­such­ten DNA-Bi­blio­the­ken und ent­deck­ten, dass Me­tha­no­lip­a­ria häu­fig in Ölla­ger­stät­ten – und nur in Ölla­ger­stät­ten – im gan­zen Oze­an zu fin­den ist. Die­ser Or­ga­nis­mus könn­te also eine Schlüs­sel­rol­le bei der Um­wand­lung lang­ket­ti­ger Koh­len­was­ser­stof­fe zu Me­than spie­len“, er­klärt Laso-Pé­rez.

Dar­um wol­len die Bre­mer For­schen­den jetzt noch mehr über den Le­bens­wan­del die­ser Mi­kro­be her­aus­fin­den. „Wir ha­ben nun den ge­no­mi­schen Nach­weis und Bil­der von der wei­ten Ver­brei­tung und den er­staun­li­chen Fä­hig­kei­ten von Me­tha­no­lip­a­ria. Aber wir kön­nen sie noch nicht im La­bor züch­ten. Das ist un­ser nächs­ter Schritt, der uns er­lau­ben wird, noch viel mehr span­nen­de De­tails zu er­for­schen“, so We­ge­ner. „Ist es bei­spiels­wei­se mög­lich, den Pro­zess um­zu­keh­ren und da­durch das Treib­haus­gas Me­than in Kraft­stoff um­zu­wan­deln?“

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