Erneut Kritik an ÖVP-Wasserstoff-Initiative

TU-Wien-Forscher: „Mit Wasserstoffautos sind die Klimaziele nicht zu erreichen“

Elektro-Elektroautos scheinen zwar momentan im  Fokus der Bemühungen, doch viele Autobauer arbeiten weiter an Wasserstoff-Fahrzeugen. Manfred Schrödl vom Institut für Energiesysteme und Elektrische Antriebe der TU Wien sprach sich am im Industrie-Magazin factory.at gegen den Aufbau einer flächendeckenden Tank-Infrastruktur für Wasserstoff aus, wie sie Exkanzler Kurz vor kurzem favorisiert hatte und auf scharfe Kritik gestoßen war (siehe „Alpenrepublik will Europas Wasserstoff-Land Nummer Eins werden – Scharfe Kritik“). Batterie-Elektroautos sind seinen Kalkulationen nach effizienter.

Tesla und kleiner einträchtig ladend – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Warum Wasserstoffautos keine Alternative zur Elektromobilität sind

Mit Wasserstoffautos seien die Klimaziele nicht zu erreichen, meint Prof. Schrödl. Nur in bestimmten Nischen der Mobilität sei Wasserstoff als Energieträger sinnvoll. Je länger wir warteten, umso schwieriger seien die Ziele zu erreichen: Österreich hat sich aber verpflichtet, den CO2-Ausstoß von 2005 bis 2030 um 36 % zu reduzieren. Der Strombedarf soll bis 2030 im Jahresdurchschnitt zu 100 % aus Erneuerbaren Quellen gedeckt werden können, die Emissionen im Bereich Mobilität sollen um ein Drittel sinken.

Schrödl hat sich die Zahlen angesehen: Ein Elektroauto braucht für eine Fahrt von 100 km ungefähr 20 kWh – rechnet man 10 % Verluste durch Zwischenspeichern und Laden hinzu, kommt man auf 22 kWh, vom Windrad oder von der Photovoltaik-Zelle weg gerechnet. Die Bilanz eines Wasserstoffautos sieht deutlich schlechter aus: Es benötigt für eine Fahrt von 100 km 1 bis 1,2 kg Wasserstoff, diese Menge hat einen Energieinhalt von 33 bis 39 kWh. Doch auch hier kommen noch Verluste hinzu: Im ökologisch optimalen Fall – wenn also der Wasserstoff mit Hilfe Erneuerbarer Energie mittels Elektrolyse gewonnen, auf 700 bar komprimiert und dann transportiert wird – kommt man auf mindestens 52 kWh, von Windrad oder PV-Anlage weg gerechnet. Das Wasserstoffauto benötigt also ungefähr 2,4 Mal so viel Energie wie das klassische Elektroauto – wenn es sich um „grünen“ Wasserstoff handelt.

„Mit Wasserstoffautos und dem Aufbau einer flächendeckenden Wasserstoff-Tank-Infrastruktur ist die Energiewende nicht zu schaffen. Stattdessen brauchen wir Elektromobilität und höhere Förderungen für regenerative Energie.“ Prof. Manfred Schrödl, Institut für Energiesysteme und Elektrische Antriebe der TU Wien

Wasserstoff kommt mehrheitlich von Erdgas

In der Praxis sieht die Bilanz von Wasserstofffahrzeugen heute noch viel schlechter aus. Über 90 % des Wasserstoffs werden nämlich derzeit aus Erdgas hergestellt – man spricht in diesem Fall von „grauem Wasserstoff“. Bei diesem Prozess entsteht CO2, außerdem ist der Vorgang energetisch gesehen ineffizient, mit einem Wirkungsgrad von etwa 66 %. Berücksichtigt man auch hier noch die Verluste für Kompression und Transport, dann ergibt sich ein Primärenergiebedarf von 62 kWh für 100 km Fahrt – allerdings in diesem Fall aus fossilen Quellen, von der Erdgasförderung an gerechnet. „Das ist energetisch nicht besser als ein gewöhnliches Verbrennungsauto mit einem Verbrauch von 6 bis 7 Litern Benzin oder Diesel auf 100 km“, sagt Schrödl.

In Österreich werden jährlich etwa 70 TWh an elektrischer Energie benötigt, davon ca. 20 TWh aus fossilen Wärmekraftwerken, 40 TWh aus Wasserkraft und knapp 10 TWh aus anderen Erneuerbaren Quellen wie Wind, Photovoltaik oder Biomasse. Bis 2030 soll der Strombedarf zum einen von 70 auf 80 TWh steigen und zum anderen zu 100 % aus Erneuerbaren Quellen kommen. Die Stromproduktion aus Erneuerbaren Quellen muss in den nächsten 10 Jahren also um 30 TWh gesteigert werden.

„Dieses Ziel zu erreichen, ist technisch prinzipiell möglich, allerdings erfordert es einen starken politischen Willen“, sagt Manfred Schrödl. „Wir brauchen dafür einen ambitionierten Ausbau aller verfügbaren Erneuerbaren Energieträger: Etwa 6 TWh zusätzlich aus der Wasserkraft, 11 TWh aus Windanlagen, weitere 11 TWh aus Photovoltaik und etwa 2 TWh aus Biomasseanlagen.“

Das bedeutet, dass man jedes Jahr Wasserkraftwerke mit einer Gesamtleistung von etwa 100 MW, also etwa sechs Kraftwerke in der Größenordnung des neuen Murkraftwerks in Graz bauen müsste. Außerdem müsste man den Windkraft-Zubau verglichen mit dem durchschnittlichen Zuwachs der letzten Jahre verdoppeln und den Photovoltaik-Ausbau verfünffachen. „Im Bereich Photovoltaik könnte man das durch Förderungen von ungefähr 250 Millionen Euro pro Jahr erreichen, etwa in Form eines Investitionszuschusses von 250 Euro pro kWpeak“, rechnet Schrödl vor. „Das ist viel Geld – allerdings spart man sich dadurch später auch Strafzahlungen durch zu hohe CO2-Emissionen.

Energiefresser Wasserstoff

Angenommen, die angestrebte Reduktion des Benzin- und Dieselverbrauchs (ca. 10 Millionen Tonnen) in Österreich um ein Drittel wird durch eine Wasserstoffauto-Initiative erreicht, und dieser Wasserstoff wird mit Erneuerbarem Strom hergestellt – dann ergibt sich nach Schrödls Berechnungen ein zusätzlicher Bedarf an elektrischer Energie von 22 TWh. Der extrem ambitioniert angesetzte Ausbau Erneuerbarer Energie von 30 TWh bis 2030 wäre somit allein durch die Wasserstoffauto-Wende großteils aufgebraucht. Eine Treibstoffreduktion um ein Drittel durch den Ausbau einer batteriebasierten Elektromobilität hingegen wäre deutlich effizienter – das würde nur zu einem zusätzlichen Bedarf von 9 TWh an elektrischer Energie führen.

Lösung: Photovoltaik-Förderung und Elektroautos

„Das Fazit lautet: Grüner Wasserstoff hat in gewissen Bereichen sicher eine große Zukunft, etwa als Langzeit-Energiespeicher, oder in der Industrie, wenn auch die entstehende Abwärme gut genutzt wird. Aber für die Mobilität ist Wasserstoff nicht die richtige Lösung“, sagt Manfred Schrödl. „Da ist es weitaus effizienter, auf das Elektroauto zu setzen. Mit einer massiven Förderung einer Tank-Infrastruktur für Wasserstoff verfehlen wir die Klimaziele, zu denen wir uns verpflichtet haben, führen das Energieeffizienzgesetz (§12) ad absurdum und stellen die österreichische Stromwirtschaft vor kaum lösbare Aufgaben. Stattdessen brauchen wir eine kombinierte Förderstrategie für Photovoltaik und Batteriefahrzeuge.“

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