„Klimaschutz made in Germany“ – Karliczek setzt bei Klimaforschungsförderung auf Innovationen – 2,4 Mrd. bis 2023
Bundesforschungsministerin Anja Karliczek will durch einen CO2-Preis „klimaschädliche Anreize durch klimafreundliche ersetzen“. Das sagte sie am 09.09.2019 im Rahmen eines Pressegesprächs in Berlin, in dessen Verlauf sie die Fördermaßnahmen ihres Ministeriums für den Klimaschutz vorstellte. Sie „möchte, dass die Forschungsziele Teil des Klimaplans werden“, zu dem aber die Verhandlungen „noch laufen“. Die Forschungsförderung werde „einen Beitrag zum Klimaschutz leisten“.
Im Klimakabinett am 20. September will sie das Thema“grüner Wasserstoff“ zu einem der Schwerpunktthemen machen. Ohne die deutsche Klimaforschung wäre der Erfolg des Pariser Klimagipfels nicht möglich gewesen. In diesem Rahmen nannte die Ministerin als einen der Schwerpunkte, dass man die extremen Wetterereignisse besser verstehen müsse. Das Forschungsschiff „Polarstern“ werde in diesem Zusammenhang am 20.09.2019 von Norwegen aus in See stechen, um den Einfluss der Arktis auf unser Wetter weiter zu erforschen.
Im Rahmen der größten Arktis-Expedition „Multidisciplinary drifting Observatory for the Study of Arctic Climate (MOSAiC)-Expedition“ wird sich Forschungseisbrecher Polarstern des deutschen Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) im Arktiseis einfrieren lassen und ein Jahr lang über den Nordpol driften. Beteiligt sind 600 Personen von mehr als 60 Institutionen aus 17 Nationen. MOSAiC soll die komplexen und derzeit nur unzureichend erforschten Klimaprozesse der zentralen Arktis untersuchen, deren Darstellung in globalen Klimamodellen verbessern und zu verlässlicheren Klimaprognosen beitragen.
Im Klimakabinett werde ein CO2-Preis zur Verringerung des Ausstoßes von Kohlendioxid beschlossen werden. „Das ist sicher“, sagte sie. Der Treibhausgas-Ausstoß werde in allen Bereichen künftig ein Kostenfaktor sein. Dies werde aber auch einen kräftigen Impuls für Veränderung und Innovation auslösen. Insofern seien der zweite Forschungs-Schwerpunkt Innovationen – in Bezug auf CO2-Forschung, synthetische Kraftstoffe, Speichertechnologien und die Landwirtschaft. Deutschland müsse „Klima-Innovations-Exportland“ werden. „Klimaschutz made in Germany soll neues Markenzeichen werden.
In diesem Zusammenhang verwies Karliczek auf die Kopernikus-Projekte ihres Hauses – die sollen jetzt in „eine zweite Phase starten und die Energiewende auf ein neues Level heben“. Es gehe hier um Netze, um Speicher und um die Industrie-Emissionen als Ganzes. Je mehr Erfolge es im Bereich der Erneuerbaren gebe, je größer der EE-Anteil werde, desto mehr temporäre Überschüsse an Grünstrom gebe es, daher werde Power-to-X immer wichtiger. Karliczek hob als Leuchtturm-Beispiel Carbon2Chem hervor. Man habe damit im Zusammenhang bereits eine Förderrichtlinie „Synthetische Kraftstoffe“ aufgelegt. Power-to-X werde mit weiteren 120 Mio. gefördert.
Grüner Wasserstoff sei auf diesem ein Kernpunkt, man könne damit eine Menge erreichen – er sei „zentraler Energieträger der Zukunft“. Es müssten aber noch viele Fragen geklärt werden, etwa wie „grüner Wasserstoff“ wirtschaftlich in großen Mengen erzeugt, sicher gespeichert, transportiert und auch importiert werden könne. Man werde daher mit südlichen Ländern, die über mehr Sonneneinstrahlung verfügten, Verbindung aufnehmen. Dafür werde das BMBF gemeinsam mit dem Wirtschafts- und Verkehrsministerium bis Dezember eine „Nationale Wasserstoffstrategie“ vorlegen, kündigte Karliczek an. Diese soll mehrere Hundert Millionen Euro kosten.
Eine weitere Thematik, um die man sich mehr kümmern müsse, sei „Green-IT“ – vernetzte Computer verbrauchten jetzt bereits 3% der Weltenergie; da sieht Karliczek 240 Millionen Forschungsbedarf. Insgesamt will das BMBF bis 2023 2,4 Milliarden Euro in die Forschungsförderung beim Klimaschutz stecken.
Schlögl: „Energiewende ist Projekt der Gesellschaft für die Gesellschaft“
Prof. Robert Schlögl vom Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft und dem Max-Planck-Institut für Chemische Energiekonversion (CEC) in Mülheim an der Ruhr war neben Prof. Ottmar Edenhofer vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung als wissenschaftlicher Experte für Klima und Energiewende zum Pressegespräch geladen.
Schlögl unterstrich, man habe die Kopernikus-Projekte jetzt neu geordnet. „Die geplanten Maßnahmen sollen dann greifen, wenn die aktuell laufenden ans Ende ihrer Wirksamkeit kommen.“ Bei Kopernikus habe man aus Hunderten von Vorschlägen vier ausgewählt, die seien dann drei Stufen unterworfen worden: Zunächst der Problemdefinition, dann seien Lösungsansätze und Kosten überlegt worden, schließlich bedürfe es eines „vernünftig skalierten Demonstrators – ein kleiner Container auf der Wiese reicht da nicht“. Schließlich war es ihm wichtig, der Politik dafür zu danken, dass sie „mit ihren Zusagen weit über die normale Dauer von Forschungsansätzen – so drei bis vier Jahre – hinausgegangen“ sei. Jetzt habe man verlässliche Zusagen für zehn Jahre, Garantien, „dass das Geld nicht zwischendurch stirbt“.
Noch sei man bei der internationalen Harmonisierung der Netze eher am Anfang. Ebenso bei der Speicherung: „Mit Batterien kann man keinen Sommer-Winter-Ausgleich machen“. Deshalb müsse Strom in stoffliche Energieträger umgewandelt werden können. „Umgekehrt beherrschen wir das prima, da heißt es Kraftwerk – jetzt müssen wir die Umkehrung des Kraftwerksprozesses schaffen.“ Dafür habe man aus sechs Vorschlägen zwei ausgewählt – beide hätten „mit synthetischen Kraftstoffen zu tun“.
Schließlich sei auf der Verbrauchsseite ebenfalls noch viel zu tun. Wie könne man Industrieprozesse so steuern, dass sie der Variabilität der Erneuerbaren angepasst werden können? Bei diesem Thema, dem sogenannten „Demand-Side-Management“ habe man in 60 Branchen keine Einsparungen durch gelegentliche Abschaltungen hingekriegt.
Weil aber die Energiewende ein „Projekt der Gesellschaft für die Gesellschaft“ sei (und nicht „ein Projekt der Technik für die Gesellschaft“) komme es auf die Akzeptanz in der Gesellschaft an. Der dienten die Kopernikus-Projekte auch. Es gehe um ein neues Verhältnis zwischen Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit. „Wissenschaft erforscht nämlich immer etwas, das in der Politik eben gerade gebraucht würde, das muss sich ändern!“
Edenhofer: „Nicht mehr, sondern klüger regulieren“
Edenhofer betonte die Notwendigkeit gemeinsamer internationaler Wahrnehmung des Klimawandels, dabei könne die Wissenschaft helfen, und zwar mit zwei Komponenten: mit Innovationen und einem CO2-Preis. Seit der Industrialisierung hätten wir zwei große Fortschritte gemacht: das Wachstum der Arbeitsproduktivität und eine weltweite, dramatische Steigerung der Energieeffizienz. Letzteres hätten wir aber überkompensiert durch Wirtschaftswachstum, den Reboundeffekt. Diese Dynamik gelte es, umzudrehen- und die Senkung der absoluten CO2-Emmissionen gelinge nur mit einem CO2-Preis, kurz: „die Nutzung fossiler Energieträger müsse teurer werden“. Weil zudem die Energiewende alle Bereiche (Sektoren) betreffe, könne man diese durch den CO2-Preis zusammenbringen. „Bei alldem muss die deutsche Volkswirtschaft an Wettbewerbsfähigkeit gewinnen“. Das komplexe Gefüge könne dabei nicht durch Gebote und Verbote, sondern nur mit für alle gleichen Bedingungen vorangebracht werden – das sei Aufgabe der wissenschaftbasierten Politikberatung. „Wir müssen nicht mehr, sondern klüger regulieren“.
„Wissenschaft ersetzt den Zufall durch Irrtum“
Und: „Wir wissen ganz viel noch nicht. 80% dessen, was wir uns ausdenken, funktioniert nicht – welche sind die richtigen 20%?“ Edenhofers Fazit mahnte zur Bescheidenheit: „Wir dürfen nicht so tun, als wüssten wir alles. Wissenschaft ersetzt den Zufall durch Irrtum. Erst wenn wir wissen: So geht es nicht, können wir weiter überlegen, wie es geht“.
Schlögl forderte zum Abschluss, die Politik müsse sich „für zehn Jahre zu einem festen CO2-Preis verpflichten“, dann würden „die Erwartungen der Investoren stabilisiert. Am 20. September muss eine verlässliche Leitlinie her.“