CSU verschiebt Beratung von Klimaschutzprogramm
Eigentlich hatte die Bundesregierung geplant, am 02.10.2019 über das Klimaschutzprogramm zu beraten. Doch sowohl das Innen- als auch das Verkehrsministerium (beide CSU geführt) lehnten die im Kabinett vorgesehene Befassung kurzfristig ab, die CSU nahm das Thema von der Tagesordnung – wie zahlreiche Medien berichteten . Man habe es noch nicht lesen können. Außerdem sind umstrittene Teile enthalten. Allerdings wurde der Ergänzungshaushalt zur Finanzierung des Klimapakets – ohne neue Schulden – verabschiedet.
Man habe das rund 200 Seiten dicke Programm erst am 02.10.2019 um 6.00 Uhr in seiner neuesten Version erhalten, sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Andererseits werde aber zu Recht erwartet, dass sich die Betroffenen intensiv damit auseinandersetzten. Man wolle das Paket keineswegs verzögern, sondern vor dem endgültigen Beschluss erst einmal lesen. In Wirklichkeit gibt es aber Bedenken an einigen Stellen, diese müssten erst ausgeräumt werden. Das wolle man seriös und in Ruhe machen und nicht verstolpern. Ein Regierungssprecher kündigte die Kabinettsitzung am 09.10.2019 als Beschlusstermin an.
Die Langfassung des Klimapakets enthält viele Details und Zahlen wie etwa die CO2-Einsparung einzelner Instrumente, die in der jüngsten Version des Entwurfs fehlten (siehe solarify.eu/klimaprogramm-co2-frei). „Dafür“ sind zwischen Umwelt-, Finanz-, Wirtschafts- und Verkehrsministerium umstrittene Zahlen zur Erhöhung etwa der Kfz-Steuer oder zur Lkw-Maut eingefügt.
Das Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL befürchtet, das Vorhaben könne – im Gegensatz zu Plänen und Ankündigungen der Regierung – wohl in diesem Jahr nicht mehr vom Parlament beschlossen werden, sollte das Programm in den nächsten zehn Tagen nicht von der Ministerrunde gebilligt werden, was eher als unwahrscheinlich gilt.
Viele Fördermittel fließen in den Haushalt von Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), in dessen Ressort die für das Klimapaket wichtigen Themen Elektromobilität und Bahn fallen sowie in das Ressort von Innenminister Horst Seehofer (CSU) mit der energetischen Gebäudesanierung.
Das Innenministerium hatte schon am Dienstag einen sogenannten Ministervorbehalt gegenüber dem federführenden (SPD-geführten) Umweltministerium eingebracht. Seehofers Ressort stellte demnach infrage, ob ein gesondertes Klimaschutzprogramm angesichts der Beschlüsse im Klimakabinett überhaupt noch notwendig sei.
Die SPD im Bundestag zeigte sich verärgert – der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Matthias Miersch: „Die Uhr tickt. Es müssen jetzt alle in der Regierung begreifen, dass die Zeit für Kompetenzgerangel und Machtspiele vorbei ist“. Das Kabinett müsse umgehend das Klimaschutzgesetz, das Gesetz zum Kohleausstieg, den schnelleren Ausbau der Erneuerbaren Energien und das Klimaschutzprogramm beschließen und dem Bundestag weiterleiten. „Offenbar haben immer noch nicht alle den Ernst der Lage begriffen.“
Simone Peter, BEE: „Wir können uns keinen Zeitverzug mehr leisten“
„Die Bundesregierung darf die Probleme und Herausforderungen nicht länger vor sich herschieben und zu immer größeren Paketen auftürmen. Wir brauchen endlich Entscheidungen und klare Linien. Es ist nicht nachvollziehbar, dass die Verabschiedung des Klimapakets im Bundeskabinett weiter verschoben wird“, so Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbandes Erneuerbare Energie.
„Im Koalitionsvertrag haben sich CDU/CSU und SPD zu 65 % Erneuerbare Energien bis 2030 unter Einbeziehung der wachsenden Bedarfe aus Industrie, Mobilität und Wärme verpflichtet. Seither fehlt ein Pfad, wie dieses Ziel erreichbar und so ein Planungsrahmen für Energieakteure geschaffen wird, und wie zugleich die international eingegangenen Verpflichtungen zum Klimaschutz erfüllbar werden. Die Erneuerbaren sind im Strommarkt bereits eine wesentliche Stütze und übernehmen Schritt für Schritt weiter Verantwortung für das Gesamtsystem. Bei Industrie, Mobilität und Wärme dagegen steht die Energiewende noch weitgehend aus; das ist zugleich ein enormes Potenzial, um diese Sektoren CO2-frei zu machen. Hier liegt gleichermaßen der Schlüssel, um eine wirksame Klimapolitik mit einer echten Industriepolitik zu verbinden. Das Innovationspotenzial ist gewaltig, die Chancen sind riesig. Deutschland hat sich in den Energiewendetechnologien einen enormen Standortvorteil erarbeitet, der sich ausbauen lässt. Dafür braucht es aber endlich den passenden regulatorischen Rahmen. Die erneute Nichtentscheidung behindert die Unternehmen weit über die Erneuerbaren-Branchen hinaus. Wir können uns keinen Zeitverzug mehr leisten! Die Bundesregierung muss endlich liefern.“
CO2 Abgabe e.V. – Pressestatement 2.10.2019 zum Ergänzungshaushalt Klima
Zum Beschluss der Bundesregierung über den klimapolitischen Ergänzungshaushalt 2020 und der Finanzplanung bis 2023 erklärt Jörg Lange, geschäftsführender Vorstand des CO2 Abgabe e.V.: „Finanzierung des Klimaschutzprogramms mit erheblichen Risiken behaftet“
„Der Finanzplan der Bundesregierung steht auf tönernen Füßen. Mindestens 19 der 54,4 Milliarden Euro der Einnahmen zur Finanzierung des Klimaschutzprogramms 2030 sind mit erheblichen Risiken behaftet. Ob ein nationaler Emissionshandel mit Festpreis für die Sektoren Verkehr und Wärme wie von der Bundesregierung geplant verfassungskonform umsetzbar ist, ist rechtlich umstritten. Selbst wenn es verfassungsrechtlich möglich wäre, einen nationalen Festpreis-Emissionshandel einzuführen bleibt unsicher, ob er rechtzeitig ab 2021 funktionsbereit ist, um die in der Finanzplanung einkalkulierten Einnahmen in Milliardenhöhe zu erzielen. Vor einer rechtlichen Prüfung ist die inhaltliche Ausgestaltung eines nationalen Emissionshandels mit Fixpreis zu klären. Zu den Fragen gehören, wie viele Zertifikate ausgegeben werden und wie lange sie gültig bleiben sollen. Eine unbegrenzte Ausgabe von Zertifikaten, die nur im Ausgabejahr gültig bleiben, bringen gegenüber einer Steuer keinen Vorteil, sondern bis 2026 nur zusätzliche Bürokratie.
Darüber hinaus sind weitere zahlreiche Fragen, wie z.B. nach dem Umgang mit Emissionen, die im EU-Emissionshandel als direkte und im neu einzuführenden nationalen Emissionshandel als indirekte Emissionen anfallen sowie beihilferechtliche Fragen zugunsten der von dieser CO2-Doppelbepreisung betroffenen ETS-Anlagen, unbeantwortet.
Mit dem von der Bundesregierung vorgelegten Klimaschutzpaket werden die von der EU festgelegten Jahressziele bei Wärme und Verkehr nicht erreicht. Dass damit einhergehende finanzielle Risiko Emissionszertifikate von anderen Ländern erwerben zu müssen, die deutlich über die bereits im Bundeshaushalt eingestellten Mittel in Höhe von 100 Mio. Euro pro Jahr hinausgehen, bleibt hoch.
Statt eines nationalen Emissionshandels mit Festpreis für die Sektoren Verkehr und Wärme wäre eine Reform der Steuern und Umlagen im Energiebereich dagegen innerhalb weniger Monate umsetzbar und für den Klimaschutz wirksam. Und dass mit deutlich weniger Risiken für den Bundeshaushalt und die weitere Finanzplanung.“
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