Erste Modellierungsergebnisse für Kohleausstieg

Gesetzliche Rahmenbedingungen nehmen Gestalt an

Basierend auf dem BMWi-Arbeitsentwurf zum Steinkohleausstiegsgesetz liefert die energiewirtschaftliche Unternehmensberatung enervis energy advisors GmbH aus Berlin einer Medienmitteilung vom 01.10.2019 zufolge erste Modellierungsergebnisse zu den Stilllegungsauktionen für die Steinkohlekapazitäten. Die Ausschreibungsgrenzpreise steigen bis Anfang 2030 zunächst an, danach intensiviert sich der Wettbewerb.

Bereits seit Jahresbeginn liegt der Bundesregierung der Abschlussbericht der Kommission für „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ vor. Ihre Empfehlungen für einen sozialverträglichen Kohleausstieg will die Regierung noch vor Jahresende in Gesetzesform gießen. Neben dem Entwurf zum Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen, wurden durch einen öffentlich gewordenen BMWi-Arbeitsentwurf zum Steinkohleausstiegsgesetz erste Details zum Kohleausstieg bekannt.

Entsprechend den Empfehlungen der Kommission sieht der Arbeitsentwurf vor, die Kohleverstromung schrittweise zu reduzieren und bis spätestens 2038 vollständig zu beenden. Als Zielmarken werden die Jahre 2022 mit 30 GW (je 15 GW Braun- bzw. Steinkohle) und Ende 2029 mit 17 GW an Kohlekapazität (9 GW Braun- und 8 GW Steinkohle) genannt. Für die Zwischenjahre sind ebenfalls konkrete Zielniveaus vorgesehen, deren Höhe im Entwurf jedoch nicht explizit festgelegt ist.

Szenario des Kohleausstiegs bis 2038 – Grafik © enervis

Christoph Pfister (enervis): „Das Fehlen konkreter Jahreswerte für die Stilllegung der Kohlekapazitäten lässt sich auch mit den aktuell stattfindenden Verhandlungen zwischen Bundesregierung und Kraftwerksbetreibern über die Abschaltung der Braunkohlekapazitäten erklären. Die Bundesregierung plant nach Abschluss der Verhandlungen, die Ergebnisse direkt in das parlamentarische Verfahren einfließen zu lassen und in einen Gesetzesentwurf zu integrieren.“

Laut BMWi-Entwurf soll der fehlende Betrag zum Erreichen des Zielniveaus durch Stilllegungsauktionen für die Steinkohlekapazitäten gedeckt werden. Bereits ab 2020 sollen die Kraftwerksbetreiber in den Ausschreibungen den Entschädigungsbetrag bieten, zu dem Sie bereit wären, ihre Anlagen stillzulegen. Die Bundesnetzagentur bezuschlagt diejenigen Gebote, mit denen sich am preisgünstigsten möglichst viel Kohlendioxid einsparen lässt. In den Auktionen sind zudem Höchstsätze für maximal zulässige Gebote vorgesehen.

CO2-Vermeidungspreise und Netzrelevanz entscheidend – Bevorzugung alter Anlagen?

Die Zuschlagsreihenfolge wird festgelegt, indem die abgegebenen Gebote auf die durchschnittlichen CO2-Emissionen der letzten drei Jahre bezogen werden. Die historischen Emissionswerte nehmen so direkten Einfluss auf die Wettbewerbsposition eines Gebots in der Auktion, was Möglichkeiten zur Beeinflussung eröffnen könnte. Neben den CO2-Vermeidungspreisen werden die gelisteten Kraftwerke bis 2025 zusätzlich auf ihre Netzrelevanz überprüft. Netzrelevante Kraftwerke erhalten durch einen Aufschlag einen Wettbewerbsnachteil, wodurch sich die Zuschlagsreihenfolge ändern kann. Bezuschlagt wird, bis das Ausschreibungsvolumen, und damit das Zielniveau, erreicht wird.

Nach enervis-Modellierungen könnte dieses Gebotsverfahren eine übermäßige Bevorzugung alter Anlagen bedeuten, da nicht berücksichtig wird, dass eine Stilllegung neuer Anlagen über einen längeren Zeitraum CO2-Emissionen reduziert.

Für den Fall, dass die Kraftwerksbetreiber ihre Anlagen nicht freiwillig zur Stilllegung anbieten, soll ab 2023 zusätzlich ein gesetzlicher Reduktionspfad zur Anwendung kommen. Demnach wird den Steinkohleanlagen, beginnend beim ältesten Kraftwerk, ein Kohleverstromungsverbot erteilt, bis das gewünschte Ausschreibungsvolumen erreicht ist. Ab einem bisher nicht bestimmten Zeitpunkt, möglicherweise 2030, soll ausschließlich der Reduktionspfad Anwendung finden.

enervis hat vor diesem Hintergrund Modellierungen zu den Stilllegungsauktionen durchgeführt – ohne Berücksichtig der noch nicht spezifizierten Faktoren wie Degressionen und Enddatum. Modelliert wurden u.a. mögliche Grenzpreise der Stilllegungsprämien für jährliche Ausschreibungen bis 2038 ohne Berücksichtigung der Restlebensdauer der Kraftwerke. Zwei wesentliche Trends lassen sich erkennen.[2]

„Nach unseren Modellierungen steigt der Ausschreibungsgrenzpreis bis Anfang der 2030er Jahre an.“ so Julius Ecke von enervis. „In dieser Phase werden zuerst ältere und weniger rentable Kraftwerke, später sukzessiv modernere Anlagen stillgelegt. In den letzten Auktionsrunden kehrt sich der Trend um, denn mit einer festgelegten Restlaufzeit nimmt auch die Zeit, in der Kraftwerke Gewinne erwirtschaften können, ab. Das „Coal-Endgame“ hat begonnen.“

Kraftwerksbetreiber sollten für eine geeignete Gebotsstrategie, neben dem Zeitpunkt an dem das Ausschreibungsverfahren ausläuft und die gesetzliche Reduktion übernimmt, auch die Einpreisung möglicher Opportunitätskosten durch den KWK-Kohleersatzbonus (Förderung nach dem KWK-G) und eine bisher nicht explizit festgelegte Degression der Höchstsätze in ihre Überlegungen einbeziehen.

Der Arbeitsentwurf des BMWi zum Steinkohleausstiegsgesetz gibt einen ersten Einblick in das komplexe Feld der kommenden Stilllegungsauktionen. Weitere Faktoren werden im kommenden Referentenentwurf konkretisiert werden. Kraftwerksbetreiber stehen nun vor der Aufgabe mögliche Handlungsoptionen und geeignete Gebotsstrategie abzuleiten.

->Quellen: