– von Klaus Oberzig, mit freundlicher Genehmigung –
„Jedes Ministerium ist jetzt ein Klima-Ministerium“, tönte Bundesumweltministerin Svenja Schulze und versuchte fröhlich – oder musste sie ob ihres kabarettreifen Auftritts vor der Bundespressekonferenz selbst lachen? – den Eindruck zu erwecken, dass die Einhaltung der neu bestimmten Klimaziele kein Problem sei. Doch außer einer pauschalen Zahl von 40 % hat die Regierung keine differenzierten Einsparfestlegung darüber treffen können, welcher Bereich bzw. welches Ministerium mit welchem konkreten Sparvorgaben unterwegs sein soll. Sanktionen für den Fall einer Nichteinhaltung gibt es nicht, außer lauwarmen Absichtserklärungen liegt nichts Konkretes auf dem Kabinettstisch. Das entspricht dem, was die Bundesregierung auch schon in den vergangenen Jahren praktiziert hatte. „Ich habe mir sagen lassen, dass wir die Klimaziele verfehlen“, hatte vor einigen Monaten scheinheilig Kanzlerin Angela Merkel ihre mangelnden Anstrengungen im Klimaschutz kommentiert. Man muss kein Prophet sein, aber darauf wird es wieder hinauslaufen. Schuld wird auf alle Fälle niemand in der Regierungskoalition haben, es dürfte halt einfach wieder nicht geklappt haben.
Vor diesem Hintergrund lohnt ein Blick auf das, was parallel zur Debatte um das Klimaschutzprogramm in der Berliner Politlandschaft so alles passiert. „Gas ist sexy“, sagte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) zeitgleich zum Abschluss des sogenannten Dialogprozesses „Gas 2030“ vor den versammelten Granden der Erdgaswirtschaft. Seit Monaten hatte sein Ministerium mit diesen über die zukünftige Rolle des Erdgases beraten und sich dann auf die Formel geeinigt, dass man der Diskussion mit den Vertretern der Erneuerbaren Energien über eine Vollelektrifizierung des Energiesystems endlich ein Ende setzen wolle. Ein weiteres Ergebnis dieses Dialogprozesses war die Einschätzung, dass die Gasnachfrage bis 2030 „leicht ansteigen“ werde. Danach würde der „Pfad in die Wasserstoffwelt beginnen“, so Altmaier. „Wasserstoff wird ein Schlüsselrohstoff für die Energiewende werden“. Er wolle „Deutschland bei der Wasserstofftechnologie zur Nummer eins in der Welt“ machen.
Da der von ihm apostrophierte grüne Wasserstoff ab 2030 mit PV- und Windstrom erzeugt werden solle, müssten sich die dafür erforderlichen Zubaumengen irgendwo im Klimapaket finden lassen. Rund 50 Gigawatt PV sollen bis zum Jahr 2030 neu installiert werden. Das wäre eine knappe Verdoppelung der aktuell installierten Leistung bis 2030 auf rund 98 Gigawatt PV. Daneben soll der 52-GW-Deckel für die Solarförderung im EEG aufgehoben und verbesserte Rahmenbedingungen für Mieterstrom eingeführt werden. Ein, vorsichtig ausgedrückt, schwaches Vorhaben. Damit ließe sich das Versprechen einer grünen Wasserstoffwelt als Alternative zum Ökostrom sicher nicht auf die Beine stellen. Das Ganze dürfte nicht mehr als ein Potemkinschen Dorf sein. Von einer Einhaltung der Pariser Klimaziele und dem dort formulierten Temperaturlimit von 2 Grad kann nicht im Entferntesten die Rede sein.
Kommentare geben Meinung und Informationen der Kommentierenden wieder.
Im Dialogprozess „Gas 2030“ wurde von Teilnehmern aus der Wirtschaft stattdessen Klartext geredet. In der Stromerzeugung wie auch in Gebäuden und in der Industrie habe Gas langfristig eine hohe Bedeutung, so die einhellige Meinung. Und Katherina Reiche, die von der kommunalen Wirtschaft zur führenden Verbandsfrau beim BDEW mutiert, gibt ihrer Überzeugung Ausdruck, „Perspektivisch sind die Gasnetze die zentrale Infrastruktur der Sektorkopplung, indem sie als Speicher und Verteiler von grünen Gasen dienen“.
Aber auch in der Mobilität würden gasbasierte Kraftstoffe an Bedeutung gewinnen. „Wir müssen aufhören zu glauben, dass wir die gesamte Mobilität elektrifizieren.“ Zumindest die Vertreter des Wirtschaftsministeriums sehen in der Entwicklung der Alternative Wasserstoff eine „enorme industriepolitische Chance“. „Noch haben wir hier die Nase vorn“, betonte Energiestaatssekretär Andreas Feicht. Von welchen Märkten die Fußtruppen von Peter Altmaier träumen, sagte sie vorsichtshalber nicht. Was aber deutlich wurde ist die Idee von der „Verknüpfung zwischen der Produktion von Offshore-Windkraft und der Umwandlung in Wasserstoff“. Das wolle man im zweiten Halbjahr 2020, wenn Deutschland die Ratspräsidentschaft in der EU übernehme, endlich voran treiben.
Insofern ergibt sich im Zusammenhang mit dem Klimaschutzgesetz doch ein deutliches Bild, wonach bei PV die Bremsen nicht wirklich gelockert werden sollen, sprich der Ausbau klein und auf den Dachbereich beschränkt bleiben soll, während die Energiekonzerne, die sich das Geschäft mit dem Wasserstoff erträumen, kräftig in die Offshore Windkraft investieren sollen. Ob das alles realistisch ist, oder Altmaiersche Fiberfantasien, möge dahingestellt bleiben. Ob in der Mobilität der Wasserstoff – gedacht ist wohl an den Schwerlastverkehr – überhaupt eine Chance haben wird, hängt eher von asiatischen und US-amerikanischen Markführern ab und weniger von der inzwischen angeschlagenen deutschen Automobilbranche.
Immerhin sind die Verbände von GDEW, DVGW und BDH freudig erregt ob ihres Erfolges, das Klimapaket zur einer Realisierung des Fuel Switch umfunktioniert zu haben. „Politik und Wirtschaft stehen damit am Beginn eines grundlegenden Transformationsprozesses hin zu einer CO2-neutralen Gaswirtschaft“, heißt es in der Verbände-Erklärung scheinheilig, wohl wissend, dass es wohl, wenn überhaupt, beim blauen Wasserstoff bleiben wird. Den hatte Altmaier in seiner Rede insofern auch angesprochen, als er erklärte, die Abscheidung und Speicherung von CO2 mittels CCS werde „wieder ein Thema“. Das gesamte Klimaschutzpaket ist, um es mit Donald Trump zu sagen, ein Fake.
Wiederum zeitgleich dazu führten die Klimarebellen von Extinction Rebellion in Berlin, aber nicht nur dort, vor, wie sie sich den zivilen Widerstand gegen die herrschenden Klimazerstörer vorstellen. Beginnend am Großen Stern und dem Potsdamer Platz, die nach einigen Stunden friedlich geräumt wurden, reihen sich die Aktionen die gesamte Woche von Verkehrsknotenpunkt zu Verkehrsknotenpunkt und sorgen – neben verärgerten Automobilisten – bei Klimaschützern und Solarfans für großes Erstaunen, was mit der gewaltfreien Strategie Mahatma Gandhis möglich ist. Der Rot-Rot-Grüne Senat der Berliner Landesregierung macht vorerst gute Miene zum bunten Spiel und tut so, als ob er das als eine Art business as usual empfinde. Alleine der Fraktionsvorsitzende der AfD, Georg Pazderski, fordert, die Klimaschützer müsse man konsequent abräumen und einsperren.
Damit könnte man wieder zur Tagesordnung übergehen. Die Große Koalition ist weder willig noch in der Lage Klimaschutz zu betreiben. Sie ist Erfüllungsgehilfe der fossilen Rohstoff- und Energiekonzerne und treibt hilflos in die sich entwickelnde Wirtschaftskrise. Derweil steigen die Klimagase in der Atmosphäre weiter an und übersteigen wohl in diesen Tagen den Wert von 420 ppm. Alles nichts Neues. Neu und spannend hingegen dürften die Veränderungen bei den Klimaschützern sein, denn deren Welt wird nach dieser Aktionswoche nicht mehr die gleiche wie vorher sein. Spätestens am 29.11.2019 wird – wieder weltweit – das nächste Kapitel aufgeschlagen und es wird sich zeigen, ob daraus neue Kraft und neue Hoffnung bei den Akteuren entsteht. Denn wenn der Staat auf der falschen Seite steht, müssen die Klimarebellen einen eigenen Weg gehen.