Remmers‘ Blog: Der solare 52-GWp-Deckel kommt wohl weg – und der Markt auch?

von Karl-Heinz Remmers, mit freundlicher Genehmigung

Im „Keinklimapaket“ vom 20.9.2019 steht auch eine Formulierung, wonach der 52-GWp-Deckel für die Photovoltaik gestrichen werden soll. Anders als in einem Papier vom Vortrag verbreitet worden war, gibt es dazu keine genauen Festlegungen oder weitere Anpassungen für die Photovoltaik. So wie es aussieht, verschwindet noch vor dem Streichen des Deckels ein großer Teil des Photovoltaikmarktes. Was ist nun wieder los? fragt sich Karl-Heinz Remmers in seinem neuen Blog auf solarpraxis.de.

PV-Feld in MIttelfranken – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Der Deckel soll weg

Letztendlich haben die massiven Proteste der FridaysForFuture dazu geführt dass die vielen weiteren Aufrufe zur Streichung des 52-GWp-PV-Deckels nach vielen Jahren Gehör fanden, zumindest ist es angekündigt. Wohlgemerkt gilt der Deckel ja „nur“ für mittels parlamentarisch festgelegter Vergütung geförderte Anlagen bis 750 kWp. Die Anlagen in den Ausschreibungen sind von der Deckelung nicht betroffen, zählen aber wiederum mit Ausnahme der 1-GWp-Sonderausschreibungen bei der Ermittlung der Deckelgrenze mit. Das versteht man selbst als Insider kaum, aber wie soll das erst in der „normalen“ Bevölkerung verstanden werden?

Und Achtung: Noch ist das Gesetz nicht geändert – aber bei der Ausgestaltung trifft die Solarbranche nun im Wirtschaftsministerium auf eine mindestens „EEG- kritisch“ eingestellte neue Abteilungsleiterin, Stephanie von Ahlefeldt, bisher Mitarbeiterin von Unionsfraktionsvize und Mittelstandschef Carsten Linnemann. Begleitet von einem völlig ausgebrannt wirkenden Minister Altmaier. Mal sehen, was das wird und ob das Gesetz wirklich geändert ist, bevor der Deckel zuknallt – was ja sonst im ersten Halbjahr 2020 wohl passieren wird. Nun haben die vom Deckel betroffenen Anlagen bis 750 kWp im ersten Halbjahr ca. 90% des deutschen Solarmarkts ausgemacht, daher wäre eine abrupte Beendigung der Förderung in dem Segment erneut ein schwerer Schlag für große Teile der deutschen Solarbranche. Hinzu kommt ein durch den Deckel ausgelöster Attentismus bei Investitionen der Firmen; wer soll schon mittelfristig investieren, wenn schon im Frühjahr 2020 Schluss mit der wesentlichen Rahmenbedingung ist?

Sieben Jahre faszinierende PV- Innovationen – nicht beim EEG

In den sieben Jahren seit Einführung des Deckels durch Altmaier (damals Umweltminister) ist es indes nicht zu den damals erwarteten neuen Ideen für eine Förderung des beschlossenen solaren Zubaus gekommen. Weder von Seiten der Regierung noch von Seiten der Solarbranche. Erinnern wir uns: 2012 lagen die Einspeisevergütungen zwischen 17 und 24 ct/kWh. Heute liegen wir zwischen 3,9 und 10 ct/kWh. In der Zwischenzeit ging die deutsche Solarbranche durch eine extrem schwere Krise, ist heute aber leistungsfähiger als jemals zuvor. Auf dem Weg dorthin gab es erst eine Förderung des Eigenverbrauchs von Solarstrom, dann wurde er mit der EEG- Umlage belegt (ab 10 kWp). Und für Anlagen über 750 kWp wurden Ausschreibungen eingeführt, die von Teilen der Solarbranche erfolgreich gestaltet wurden, während ewig gestrige im Vorstand des Bundesverbandes Solarwirtschaft (BSW) noch heute von einem „Bürokratiemonster“ sprechen. Auch kamen keinerlei konsistente und kraftvoll vorgetragene Vorschläge aus der Branche, wie etwa ein „solidarischer“ oder „systemdienlicher“ Eigenverbrauch gestaltet werden kann, was die Hardliner der Gegenseite bis zum heutigen Tag dankend als Argument gegen die Solarwirtschaft nutzen. Vorschläge für eine sinnvolle Ausgestaltung der politisch breit gewollten Ermittlung von Vergütungen durch Ausschreibungen wurden in der oft ziemlich alt wirkenden EE-Verbandslandschaft auch nicht gemacht. Und das wird uns nun (wieder einmal) auf die Füße fallen.

Kollabieren die Marktsegmente mittlere Dachanlagen und kleine Freilandanlagen?

Der ohnehin verhaltene Jubel über „der Deckel soll weg“ wird in eine Depression vieler Akteure umschlagen. Denn die Vergütung sinkt derzeit mit 1,4% pro Monat. Dann sind die von vielen noch immer so heiß geliebten nicht-ausgeschriebenen Fördersätze schon sehr bald zu niedrig, um Dachanlagen mit Sanierungen zu realisieren und nähern sich im Freiland-Segment bis 750 kWp schon im April/Juni 2020 den derzeitigen Sätzen in den Ausschreibungen an. Und das für Anlagen, die wegen ihrer geringen Größe und den dennoch hohen Kosten für den Netzanschluss (Mittelspannung) wirtschaftlich in einer ziemlichen Zwickmühle (zwischen kleineren Anlagen in der Niederspannung oder den eben größeren Anlagen in der Ausschreibung) stecken. Irgendwann zwischen Juli und Oktober 2020 fallen dann wohl die Vergütungen für Dachanlagen von 40-750 kWp unter die 7 ct/kWh-Marke – ein Jahr vor dem regulären Ende der Legislaturperiode. Was auch immer die nächste dann bringt.

Kein Wunder also, dass viele Entwickler noch ganz schnell ihre mehr als 750 kWp großen Freilandanlagen fertigmachen – während sich reihenweise Dachentwickler aus dem Markt (wieder) verabschieden und so – nach der Sommerpause – dem Vernehmen nach die Anfragen bei führenden Finanzierern förmlich kollabiert sind. Es passt einfach nicht mehr so, obwohl bis August die Zahlen der Neuanlagen laut BNetzA noch hoch sind.

Eigenerzeugung bleibt weiter gehemmt

Natürlich werden nach derzeitigem Regime sinnvolle Eigenverbrauchsanlagen weiter realisiert werden, allerdings wage ich zu prognostizieren, dass diese den massiven Markteinbruch in den vorher beschrieben Segmenten nicht auffangen. Denn gerade Kunden für kommerzielle  Eigenerzeugungsanlagen befürchten nicht kalkulierbare Änderungen in den Regelungen und sind daher noch immer häufig zurückhaltend – schweres Erbe der unkalkulierbaren Politik, 2014 ausgelöst durch den abrupten Wechsel von Eigenverbrauchsförderung zur oft als „Sonnensteuer“ bezeichneten Beaufschlagung mit der EEG-Umlage (die ja eigentlich Solarenergie fördern soll). Wohlgemerkt seinerzeit getrieben vom grünen Staatssekretär Rainer Baake, verbunden mit einem kruden Mix von Argumenten. Wobei das einzig relevante fehlte: Der Systemgedanke – für ein netzdienliches Verhalten ist eben nicht die EEG-Umlage zuständig; es war aber wohl politisch am einfachsten, dort draufzuhauen.

„Systemisch“ weiter schwierig

Zurück in 2019 und in der hoffentlich bald „Post- Deckel“- Zeit: Der Anpassungsmechanismus für die EEG-Vergütungen wird so langsam reagieren, dass 2020 ein sehr hartes Jahr in den beschriebenen Segmenten werden wird, denn weitere Preisimplosionen bei Solarmodulen sind nicht zu erwarten. Von der Seite kommt also kaum Hilfe bei der Wirtschaftlichkeit in Projektentwicklung/Pachten/Sanierung/Realisierung/etc. Auch sind die Zinsen schon sehr niedrig, von der Seite wird auch kein Push kommen.

Bleibt der sicher bald kommende Ruf nach einer Erhöhung der vom Parlament festgelegten Einspeisevergütung. Ziemlich sicher – wie in all den Jahren – ohne gestaltende Vorschläge. Schaum von dem Mund der gut aufgestellten EEG Gegner in der Regierung und Opposition schon jetzt garantiert.

Sprechen wir darüber

Diskutieren wir über neue Ansätze und wie die verschiedenen Akteure dazu gebracht werden könnten, zeit- und aufgabengerechte Rahmenbedingungen für den in Deutschland und der Europäischen Union beschlossenen kräftigen Ausbau der Erneuerbaren zu gestalten – über sieben Jahre nach Einführung des Deckels und fünf Jahre nach Einführung der „Sonnensteuer“.

  • Gerne z.B. auch auf der Solar&Wind-Betreiberkonferenz am 14.10.2019 in Stuttgart. Betreiberkonferenz
  • Oder auf der Leitkonferenz der Innovativen Energiewirtschaft „20. Forum Neue Energiewelt“ am 21. Und 22.11.2019 in Berlin. Forum Neue Energiewelt

->Quelle: solarpraxis.de/der-solare-52-gwp-deckel-kommt-wohl-weg-und-der-markt-auch