BUND: Emissionshandelsgesetz Alibi-Maßnahme der Klimapolitik
Anlässlich der Kabinettsbefassung mit dem Gesetz über ein nationales Emissionshandelssystem für Brennstoffemissionen (BEHG) kommentierte der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), das neue Emissionshandelssystem sei „eine Farce“. Laut BEE kann die Energiewende im Mobilitäts- und Wärmesektor „mit dem Emissionshandelsgesetz nicht gelingen“.
Das Bundeskabinett hat am 23.10.2019 das Gesetz zur Einführung eines nationalen Emissionshandels für Brennstoffe auf den Weg gebracht. Die Verbrennung fossiler Brennstoffe für Verkehr und Wärme soll schrittweise teurer und so den Umstieg auf klimafreundliche Alternativen attraktiver werden. Die Einnahmen werden im Gegenzug den Bürgerinnen und Bürgern über Entlastungen beim Strompreis, bei der Entfernungspauschale und beim Wohngeld zurückgegeben oder in Klimaschutzmaßnahmen investiert. Das Gesetz geht nun in die parlamentarischen Beratungen.
Bundesumweltministerin Svenja Schulze: „Spätestens 2050 wird Deutschland komplett auf erneuerbare Energie setzen und bis dahin schrittweise aus der Verbrennung von Kohle, Öl und Gas aussteigen. Dass ein CO2-Preis uns auf diesem Weg hilft, ist nach langer Debatte inzwischen zum Glück weitgehend anerkannt. Mit dem neuen nationalen Brennstoff-Emissionshandel setzen wir einen Kompromiss aus dem Klimapaket der Bundesregierung vom 20. September um. Vereinbart wurde dort ein moderater Einstieg in die CO2-Bepreisung. Das gibt den Bürgerinnen und Bürgern die Gelegenheit, sich nach klimafreundlichen Alternativen umzuschauen – bevor der Preis spürbar ansteigt. Denn das Ziel ist ja nicht, möglichst viel Geld einzunehmen, im Gegenteil. Das Ziel ist, dass sich mehr Menschen beim nächsten Autokauf oder beim nächsten Heizungstausch für die klimafreundliche Variante entscheiden – weil sie sich auch für den Geldbeutel lohnt. Zugleich wird die Bundesregierung die klimafreundlichen Alternativen stärken: Dazu gehören mehr Investitionen in den ÖPNV, in das Schienennetz oder in die Ladeinfrastruktur. Und dazu gehören auch gut ausgestattete Förderprogramme für Gebäudesanierung und klimafreundliche Heizungen.“
10 Euro pro Tonne
Der Emissionshandel gilt ab 2021. Er startet in der Einführungsphase zunächst mit einem fixen CO2-Preis von 10 Euro pro Tonne. Das entspricht brutto 2,8 Cent pro Liter Benzin, 3,2 Cent pro Liter Diesel, 3,2 Cent pro Liter Heizöl und 0,2 Cent pro Kilowattstunde Erdgas. 2022 liegt der Preis dann bei 20 Euro pro Tonne. 2023 bis 2025 werden die Zertifikate mit einem steigenden Festpreis ausgegeben (25-35 Euro pro Tonne CO2). 2026 werden die Zertifikate auktioniert und zwar in einem Korridor von 35 Euro bis zu 60 Euro pro Tonne CO2. Im Jahr 2025 wird festgelegt, inwieweit Höchst- und Mindestpreis für die Zeit ab 2027 sinnvoll und erforderlich sind.
Einbezogen werden grundsätzlich alle in den Verkehr gebrachten fossilen Brennstoffe. Dabei ist es zunächst egal, in welchem Sektor diese Stoffe dann eingesetzt werden. Allerdings müssen die Bürgerinnen und Bürger, die mit fossilen Brennstoffen heizen oder fahren, selber nicht mit Zertifikaten handeln. Das obliegt grundsätzlich den rund 4.000 sogenannten Inverkehrbringern, also etwa Gaslieferanten oder Raffinerien, die energiesteuerpflichtig sind. Angeknüpft wird mit der Berichtspflicht der Unternehmen an das bestehende Erfassungssystem im Energiesteuerrecht.
Dieser vergleichsweise unbürokratische Ansatz führt allerdings zu Mehraufwand an anderer Stelle: Liefert ein Gaslieferant das Erdgas samt CO2-Preis an einen Privatkunden, ist alles erledigt. Liefert er allerdings an ein Gaskraftwerk, das bereits Zertifikate aus dem EU-Emissionshandel kaufen muss, liegt eine Doppelverpflichtung aus zwei Emissionshandelssystemen vor. Um das zu vermeiden, sollen Anlagen, die bereits dem EU-Emissionshandel unterliegen, möglichst weitgehend vom nationalen CO2-Preis befreit werden oder eine Kompensation erhalten.
Begrenzt wird die Menge der ausgegebenen Zertifikate grundsätzlich von dem CO2-Budget, das Deutschland im Rahmen der EU für die Bereiche Verkehr und Gebäude zur Verfügung hat. Dieses Budget sinkt Jahr für Jahr, so dass perspektivisch mit immer weiter steigenden Preisen für fossile Brennstoffe zu rechnen ist.
Bundesumweltministerin Schulze: „Mit dem Klimaschutzgesetz bekommen wir einen starken Hebel zum Nachsteuern. Ich werde beim CO22-Preis genau darauf achten, dass sowohl die Klimaschutzwirkung stimmt als auch die sozialen Folgen fair bleiben. Wenn Deutschland in dem einen oder anderen Bereich nicht auf Kurs ist, muss nachgesteuert werden. Denn ein CO2-Preis muss nicht nur ökologisch, sondern auch sozial fair sein.“
Stolper wörtlich: „Das neue Emissionshandelssystem ist eine Farce. Trotzdem verkauft die Bundesregierung den Emissionshandel zur CO2-Bepreisung als Herzstück ihrer Klimapolitik. Aufgrund des niedrigen Einstiegspreises und der geplanten preislichen Deckelung wird er nicht dazu beitragen, CO2-Emissionen zu senken. Zudem soll es möglich sein, Zertifikate aus dem EU-Ausland zuzukaufen, wenn die eigenen Ziele nicht erreicht werden. Das lädt dazu ein, Klimaschutz zuhause weiter zu vertagen und sich selbst um CO2-Minderungen zu drücken.
‚Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass‘ ist weiter die klimapolitische Devise der Bundesregierung. Die von ihr gewählte Form des nationalen Emissionshandels mit Deckel und Festpreis ist darüber hinaus verfassungsrechtlich problematisch. Eine am CO2-Ausstoß orientierte Erhöhung der Energiesteuern wäre dagegen einfach umsetzbar und rechtssicher. Sie würde denjenigen, die in klimafreundliche Alternativen investieren wollen, Planungssicherheit bieten. Der Emissionshandel dagegen ist ein Scheitern mit Ansage – am Ende der Legislaturperiode wird außer verlorener Zeit nichts übrig bleiben.“
BEE: Emissionshandelsgesetz verpasst die Chance einer Wärme- und Mobilitätswende
„Mit dem Emissionshandelsgesetz kann die Energiewende im Mobilitäts- und Wärmesektor nicht gelingen. In seiner jetzigen Form ist der Entwurf kaum dazu geeignet, den Umstieg auf Erneuerbare Energie zu beschleunigen, den es zum Erreichen der Klimaschutzziele dringend braucht“, kritisiert BEE-Präsidentin Simone Peter den Referentenentwurf des Bundesumweltministeriums. Für 4045 Unternehmen gilt demnach ab 2021 eine CO2-Bepreisung für fossile Brennstoffe. „Es ist längst überfällig, dass die Sektoren Verkehr und Gebäude einer CO2-Bepreisung unterliegen. Doch durch den viel zu geringen Preis werden die Schäden an Klima, Gesundheit und Umwelt auch weiterhin nicht abgebildet. Der ökonomische Anreiz, von fossil auf Erneuerbar umzusteuern, entfällt. Allen Klimaschutzbeteuerungen zum Trotz subventioniert der Staat damit auch in Zukunft fossile Energieträger, was für Erneuerbare Energien eine erhebliche Wettbewerbsverzerrung darstellt.“
Problematisch sei an dem offenbar in großer Hektik erarbeiteten Entwurf vor allem, dass die Bundesregierung unbegrenzt Zertifikate zu festgelegten Preisen vergebe. Die über der EU-Quote liegenden Mengen solle Deutschland dann von anderen EU-Ländern zukaufen, die Quotenüberschüsse erzeugten. Peter dazu: „Das ist so, als wenn die Bundesregierung selbst Geld drucken würde. Das ist ein schlechter Taschenspielertrick und hat mit seriöser und ehrlicher Politik wenig zu tun.“
Ob ein Emissionshandel mit Fixpreis überhaupt verfassungsrechtlich möglich ist, wurde bereits im Vorfeld vom BEE und von weiteren Experten bezweifelt. Eine Antwort darauf bleibt das Bundesumweltministerium schuldig und begnügt sich im Referentenentwurf mit der lapidaren Feststellung, dass dies kein Problem darstelle. „Weil die beschlossene CO2-Bepreisung aus politischen Gründen nicht Steuer heißen darf, begibt sich die Bundesregierung sehenden Auges in eine ausgesprochen heikle verfassungsrechtliche Situation, die eine CO2-Bepreisung im Wärme- und Verkehrssektor erheblich gefährden und so den Klimaschutz in diesen Sektoren um Jahre zurückwerfen kann. Auch die Rückverteilung der CO2-Bepreisungseinnahmen über den EEG-Wälzungsmechanismus gefährdet den politischen Gestaltungsspielraum, da das EEG zur Beihilfe würde“, so Peter. Die Stiftung Umweltenergierecht hat zurecht auf eine konkrete Gefahr der Verfassungswidrigkeit hingewiesen.
Eine zentrale Schwachstelle sei außerdem, dass der CO2-Preis in seiner jetzigen Form sozial ungerecht gestaltet sei, wie die Institute DIW und MCC erst kürzlich in zwei Gutachten aufgezeigt hätten. Mit den BEE-Vorschlägen – einer Verlagerung der Industrieprivilegien in den Bundeshaushalt und eine direkte, vollständige Rückvergütung der Einnahmen aus der CO2-Bepreisung an die Bürgerinnen und Bürger über eine Klimaprämie – ließe sich hingegen ein rechtssicherer, sozial gerechter und ökologisch wirksamer Mechanismus bei der CO2-Bepreisung herstellen.
„Anstatt eines großen Wurfs bei der CO2-Bepreisung in allen Sektoren bleibt das Emissionshandelsgesetz im Klein-Klein stecken und produziert mehr Bürokratie als Treibhausgasminderung. In vielen Details wird deutlich, dass das Gesetz nicht umfassend durchdacht ist, was die angestrebte europäische Harmonisierung zum Ding der Unmöglichkeit machen dürfte. Zudem stellt sich die Frage der Verfassungskonformität. Es wäre eine Katastrophe, wenn die CO2-Bepreisung durch solche Fehler scheitern würde“, resümiert Peter.
Bundesverband Erneuerbare Energie
BEE übt inhaltliche Kritik am Gesetzentwurf zum Emissionshandelssystem und sieht Verstoß gegen Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien
Der BEE hat im Rahmen seiner Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes über ein nationales Emissionshandelssystem für Brennstoffemissionen (BEHG) scharfe Kritik an der Art und Weise der Beteiligung der Verbände geübt. BEE–Geschaftsführer Wolfram Axthelm: „Für die Länder- und Verbändeanhörung zum Gesetzentwurf war lediglich eine Frist von weniger als zwei Tagen vorgesehen, die noch dazu am Samstag begann. Dies entspricht in keiner Weise den zeitlichen Maßgaben, die für die Beteiligung innerhalb der Bundesregierung sowie von Ländern, kommunalen Spitzenverbänden, Fachkreisen und Verbänden in der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien vorgesehen sind. Die Vorgehensweise entspricht bei diesem Vorhaben nicht den Prinzipien guter Rechtsetzung. Eine Detailbewertung der Auswirkungen des Gesetzentwurfs ist so nicht in angemessener Weise möglich. Wir fordern die Bundesregierung auf, wieder zu geordneten Gesetzgebungsprozessen zurückzukehren“.
Inhaltlich sieht der BEE den Entwurf als unzureichend und darüber hinaus in Teilen als verfassungsrechtlich bedenklich an. Im Einzelnen kritisiert der BEE, dass
- die verfassungsrechtlichen Bedenken bei der Einführung einer CO2-Bepreisung nicht vollumfänglich ausgeräumt werden;
- die Behauptung, dass es zum nationalen Emissionshandelssystem keine Alternative gäbe, nicht korrekt ist, weil die Anpassung der Energiesteuern auch über eine verfassungsrechtlich unbedenkliche CO2-Bepreisung im Wärmesektor umgesetzt werden könnte und für den Verkehrssektor eine Verbesserung der bestehenden Treibhausgasminderungsquote möglich sei;
- die Einführung einer CO2-Bepreisung in den Sektoren Wärme und Verkehr zwar zu begrüßen sei, im vorgeschlagenen Rahmen aber keine wesentliche Lenkungswirkung entfalten werde;
- der „Non-ETS-Teil des Stromsektors“ durch die vorgeschlagenen Maßnahmen im Klimaschutzprogramm 2030 nicht adressiert wird;
- im Gesetzentwurf eine eindeutige Klarstellung, dass die Emissionen von festen, flüssigen und gasförmigen biogenen Brenn-, Kraft- oder Heizstoffen vom nationalen Emissionshandel ausgenommen sind, fehlt;
- eine eindeutige Klarstellung fehlt, wie das geplante nationale Emissionshandelssystem im Verkehrssektor mit der dort bereits eingeführten und bewährten Treibhausgasminderungsquote zusammenwirken soll.
„Wir hoffen dass die Bundesregierung trotz des enormen Zeitdrucks nun ihrerseits unsere Stellungnahme zur Kenntnis nimmt und bewertet. Bisher wird der Gesetzentwurf den Ankündigungen für eine erfolgreiche Erreichung der Klimaschutzziele nicht gerecht“, so Axthelm.
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