Eine Stellungnahme zum GEG aus dem Wuppertal-Institut
Derzeit liegt das am 23.10.2019 vom Bundeskabinett verabschiedete GebäudeEnergieGesetz (GEG) bei den Ressorts zur Abstimmung. Doch der vorliegende Entwurf kommt spät und ist nicht geeignet, die EU-Vorgaben zu erfüllen. Ein Gastbeitrag von Hans-Jochen Luhmann und Anja Bierwirth vom Wuppertal-Institut.
1. Der neue Anlauf zur Regulierung der energetischen Gebäudeeigenschaften in Deutschland
Gebäude haben die Funktion, Nutzer von Wind und Wetter abzuschirmen. Den „Schirm“ zwischen innen und außen bildet die Gebäudehülle, die zum Teil transparent ist und auch die Funktion eines Sonnenenergiekollektors haben kann. Die Höhe der zugeführten kommerziellen Energieträger zum Heizen oder zur Kühlung kann mit steigender energetischer Qualität der Gebäudehülle leicht zum Verschwinden gebracht werden: Das Null-Energie-Haus ist technisch möglich, sogar das Plus-Energie-Haus. Das Global Energy Assessment (GEA) von 2012 hat folgerichtig formuliert: „EU buildings – a goldmine“. Ein Versagen in der Vergangenheit kann für die Zukunft einen Schatz darstellen.
Dieser Schatz gehört gehoben. Dazu setzte die EU im Jahre 2010 mit ihrer für das postfossile Zeitalter programmatischen Gebäudeenergiererichtlinie (EPBD) an. Die verpflichtet die Mitgliedstaaten zur Einführung des „Fast-Null-Energie-Gebäudes“ als Standard für Neubauten. Diese Ziel-Formulierung zeigt unmissverständlich an, dass es mit den Emissionen aus Gebäuden gegen Null zu gehen hat, und das alsbald.
Die EU hatte in der EPBD eine Umsetzungsfrist eingeräumt, die mit etwa zehn Jahren üppig bemessen war. Motiv dafür war, dass die regionale Bauwirtschaft eine lange Zeit zur Vorbereitung erhalten konnte, um sich auf diesen als erheblich vorgestellten Wandel einzustellen. Die Frist war gespalten – ab 2019 für die Gebäude im Besitz der öffentlichen Hand und ab 2021 für die restlichen Gebäude. Die Idee dahinter war offenbar innovationspolitisch: eine technologische Dynamik anzufachen – und die öffentliche Hand dabei als Pionier einzusetzen.
Das alles hat die Politik in Deutschland in den Sand gesetzt. Die eingeräumte Frist hat sie mit ihrer Entscheidungsunfähigkeit vertrödelt. Andere Mitgliedstaaten der EU waren längst soweit – mit dem GEG sollte die Vorgabe endlich auch in Deutschland Realität werden.
Gerade noch rechtzeitig zur zweiten Sitzung des Klimakabinetts am 29. Mai wurde der zweite Referentenentwurf des GebäudeEnergieGesetzes (GEG 2.0), des zentralen Instruments für eine ambitionierte Klimapolitik im Gebäudebereich, in die Ressortabstimmung gegeben. GEG 1.0 war auch schon reichlich verspätet, im Februar 2017, vorgelegt worden. Mit dessen Ablehnung war der Inhalt des jetzigen Entwurfs von CDU/CSU maßgeblich geprägt worden, besiegelt im Koalitionsvertrag 2018.
Dieses umfangreiche Reformwerk liegt nun vor. Es ist klimapolitisch von hoher Bedeutung. Alle Parteien sind gerade dabei, sich klimapolitisch neu aufzustellen. Und doch ist das Phänomen: Parteipolitisch wird dieser Entwurf beschwiegen – allseits. Der Grund: Er ist ein Fossil, wie aus der Zeit gefallen. Die Maxime von 2017 war: Ambition abmeiern! Aktuell aber ist klimapolitisch das Gegenteil, ist Dynamik gefragt.
2. Die Rolle der öffentlichen Hand
Der Entwurf des GebäudeEnergieGesetzes von Januar 2017 sah vor, den Niedrigstenergiegebäude-Standard für Nichtwohngebäude der öffentlichen Hand ab 2019 einzuführen und ihn ungefähr auf dem Niveau eines KfW-Effizienzhauses 55 festzuschreiben. Die Rechnung der Gutachter hatte das als wirtschaftlich im Sinne von § 5 EnEG erwiesen. Im Koalitionsvertrag von 2018 hatten sich die Partner jedoch darauf geeinigt, es mit dem GEG 2.0 zu keiner Anhebung des seit 1. Januar 2016 mit der EnEV-Novellierung geltenden Gebäudestandards für Neubauten kommen zu lassen. Das seit Januar 2016 geltende Niveau entspricht allerdings bisher nicht dem eines KfW-Effizienzhauses 55.
Dass dieser Konsens zur Stagnation jedoch auch den Innovationstreiber, die „Vorbildfunktion der öffentlichen Hand, „köpfen würde, ist überraschend, da dysfunktional – und durch den Prägungsvorgang im Februar 2017 zudem nicht wirklich gedeckt. Zudem wurde die „Köpfung noch gesteigert. Während der Koalitionsvertrag lediglich Konstanz vorsah, das heißt keine Dynamik für die „energetischen Anforderungen für Bestand und Neubau, wird mit dem Entwurf vom Mai etwas Degressives noch aufgesattelt: der Umfang dessen, was „öffentliche Hände heißt, für deren neue Gebäude nach § 4 eine „Vorbildfunktion besteht, wird eingeschränkt. Der Kreis der öffentlichen Nichtwohngebäude ist im Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) noch deutlich weiter gefasst gewesen.
Rätselhaft ist, wie das zusammenpassen soll mit anderweitigen Verpflichtungen des Bundes:
a) dem knappen und massiv strafbewehrten Emissionsbudget für Kleinquellen, der EU gegenüber;
b) dem Ziel im Entwurf des Klimaschutzgesetzes, wonach die Bundesverwaltung ab 2030 klimaneutral geworden sein soll; und
c) schließlich dem Beschluss des Staatssekretärsausschusses für nachhaltige Entwicklung von Dezember 2010, bis zum Ende der 17. Legislaturperiode – das war September 2013 – einen „Energetischen Sanierungsfahrplan für alle bestehenden Bundesgebäude vorzulegen; der Bundesrechnungshof hat am 2. Juli 2018 in selten harschen Worten dargelegt, dass da ein Verzug von mehr als vier Jahren bestehe; und das ohne jeden rechtfertigenden Grund.
Angesichts der aktuellen Randbedingungen der Politik in Deutschland führt kein Weg daran vorbei, dass die Parteien in Regierungsverantwortung in Deutschland sich zum GEG 2.0 positionieren und die Versuche, sich daran vorbeizumogeln, aufgeben.
Hans-Jochen Luhmann ist Senior Advisor des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie und Vorstand der VDW Vereinigung Deutscher Wissenschaftler. Anja Bierwirth ist Co-Leiterin des Forschungsbereichs Stadtwandel beim Wuppertal Institut. Der Artikel erschien zuerst in der Zeitung für kommunale Wirtschaft (ZfK)
->Quelle: Wupperinst.org/a/wi/a/s/ad/4848/