Blog von Karl-Heinz Remmers
Frankfurt am Main, 26.09.2012: Ich habe seinerzeit (noch als Herausgeber) mit pv magazine zu einem Frühstücksevent während der EUPVSEC eingeladen. Das Thema polarisiert: 300 GWp/a Photovoltaik weltweit 2025, für Deutschland insgesamt max. 200 GWp. Wie sich heute zeigt: zu konservativ für Deutschland, aber global auf gutem Weg. Damals für viele absurd hohe Zahlen, denn den jetzt bereits seit einigen Jahren stattfindenden Sturmlauf der Photovoltaik konnten sie sich nicht vorstellen.
2012 – ein schweres Umfeld für eine große Vision
Entstanden waren die Überlegungen für die große mittelfristige Vision durch viele Anfragen aus der Industrie im Jahr 2011. Wie weit kann es gehen mit der globalen PV? Und was ist für Deutschland nötig/ realistisch für die Energiewende? Ich hatte zu einer Präsentation bei Schenker zur Semicon im Herbst 2011 in Dresden Vorüberlegungen vorgestellt; die Mengen an Modulen überraschten damals. Gerade wegen des sehr schwierigen Jahres hatten wir uns dann entschlossen, die Perspektiven klar und deutlich aufzuzeigen, was dann vor Ort als auch im Rahmen des im November 2012 folgenden Forum Solarpraxis (heute Forum Neue Energiewelt) heftig diskutiert wurde. Einige schon damals (und bis heute) ewig gestrige und ängstliche Branchenvertreter warnten davor, die Politik mit solch hohen Zahlen zu erschrecken. Was aber bis heute nur dazu geführt hat das die Politik wenig Vertrauen hat, dass Solarstrom die großen nötigen Mengen liefern kann. Die – wie wir heute wissen – eher 400 GWp plus x allein in Deutschland sein müssen.
Bleiben wir noch kurz im Jahr 2012, um zu zeigen, welchen Weg die deutsche- und globale Solarwirtschaft seitdem gegangen ist: 31 GWp wurden 2012 neu installiert, davon 7,6 in Deutschland, trotz der sogenannten „EEG- Fallbeilnovelle“ im Februar 2012. Grund für die doch noch mögliche Rally in Deutschland waren aufgrund globaler Fortschritte und Überkapazitäten sowie eines hohen Eurokurses massiv gesunkene Modulpreise. Welche aber gleichzeitig zu brutalen Verlusten in der Herstellungskette führten – zu etlichen Pleiten von Photovoltaik-Herstellern, Insolvenzen und Übernahmen. Der größte Einbruch war die Zahlungsunfähigkeit von Q-Cells. Der 2008 noch weltweite Photovoltaik-Marktführer wurde an die Hanwha Chemical Corporation verkauft. Das war aber nur die Spitze des Eisbergs. Mercom Capital zählte allein 2012 35 Konkurse und Insolvenzen sowie 50 Umstrukturierungen und Verkleinerungen. Unter anderem verweist Mercom auf die Entlassungen bei SMA und Schotts Ausstieg aus der Produktion kristalliner Silizium-Module. Europa hingegen traf es am härtesten, insbesondere bei der Waferproduktion. REC ASA musste 2012 drei Waferfabriken in Norwegen schließen, ebenso Schott und PV Crystalox ihre Waferfertigung in Deutschland.
Schwere Jahre in der EU, brutaler globaler Fortschritt
Die folgenden Jahre waren schwer für die Solarbranche in Deutschland und der EU; die 2013 einführten Zölle hatten die gesamte Wertschöpfungskette massiv beschädigt, da die Regierungen nicht länger bereit waren, den aus ihrer Sicht zu teuren Solarstrom noch höher zu subventionieren. Erst mit dem Wegfall der nutzlosen Zölle auf Solarmodule und -zellen (Solarworld ging trotz massiver Zölle in USA und EU zweimal pleite und ist verschwunden) im Jahr 2018 begann eine schnelle und breite Erholung. Die ersten Solarprojekte ohne staatliche Förderung wurden möglich.
Global wuchsen Märkte und Produktions-Kapazitäten all die Jahre seit 2012 und seit 2016 erleben wir einen förmlichen Sprung in Effizienz und Kosten. Für 2019 wird trotz der Schwäche in China mit einem Marktvolumen von deutlich über 100 GWp weltweit gerechnet, bis 2023 gehen die Analysten von PV Infolink davon aus, dass die globalen Produktions-Kapazitäten bis auf fast 250 GWp anwachsen. Bei gleichzeitig weiterer Erhöhung von Effizienz und Kostensenkungen. Verbunden mit einer ganzen Fülle von technischen Innovationen, die in die Massenproduktion eingehen. Die lange Dominanz von polykristallinen Modulen ist dabei schnell zu Ende gegangen, Mono ist das neue Normal. Und schon morgen dürfte auch Bifacial normal sein, bereits jetzt bieten einige Hersteller diese Module mit transparenten Backsheets zu nahezu gleichen Preisen wie die klassischen Bauformen an. Was die Preise für Solarstrom weiter senkt und somit immer neue Märkte quasi automatisch öffnet. Gute Chancen also für ein Eintreffen der 300 GWp/a im 2025 (was wir dann Ende 2025 ja alle sehen werden…)
Der PV- Sturmlauf kommt zurück nach Europa
Bis Herbst 2018 war die EU von den größten und leistungsfähigsten globalen Produktionen abgekoppelt- die Zölle schlossen uns zudem von größeren Mengen der technischen Innovationen aus. Was dann – seit 2019 – zu recht abrupten Veränderungen führte.
So sanken die Preise für „Mainstream-Module“ (in großen Mengen bezogen) von knapp 30 Cent/Wp auf 23 Cent/Wp – und so, wie es derzeit aussieht, wird es wohl 2020 noch weiter heruntergehen. Wobei das Mainstreammodul nun in Mono-PERC deutlich mehr Leistung pro Modul bringt als das rasch alt gewordene Poly-Modul. Durch den Wechsel von Poly auf Mono-PERC-Module ist die Leistung pro qm schnell gewachsen, was immer mehr Leistung auf die gleiche Fläche bringt.
Modulleistung 2018-2020 – Grafik © SolarpraxisWas bedeutet die schnelle Leistungssteigerung für die weiteren Kosten?
Es ist klar, dass Kabel, Gestelle und die Arbeit ja nicht teurer oder mehr werden, wenn man mit einem Modul mal eben 15-20% mehr Leistung auf das Dach bringt. Spezifisch (pro Wp oder kWp) sinken diese Kosten also automatisch mit. Die kommende komplette Umstellung auf 1500V im Bereich der Freilandanlagen wird die Kosten weiter senken. Neue Waferformate und die nun auch endlich in der EU beginnende Verwendung von größeren Modulen (alt: 72-Zeller statt 60-Zeller, nun eher 144- statt 120-Zeller oder eben noch mehr Zellen) senken die Kosten im Freiland schnell weiter. Die Leistungselektronik wird parallel auch effizienter und billiger, auch hier sind die Fortschritte ungebremst.
Global gibt es auch immer mehr Ausschreibungen von größeren Solar- und Speicheranlagen. Aufhorchen ließ hier im September das Ergebnis einer Ausschreibung in Kalifornien: 200 MWp Solar- und Speicher für 4h für 3,9 US-Cent/kWh. Der Speicher wurde darin für 1,33 US- Cent/kWh angeboten. Auch im Speicherbereich stehen bei großen Anlagen die Zeichen also auch auf schnell viel billiger- die Rahmenbedingungen der Nutzung und des Solar- und Windangebotes müssen natürlich stimmen. Dazu in einem anderen Blog mehr.
Was bedeuten die Effizienzgewinne für die Energiewende?
Natürlich macht immer billigerer Stromstrom die Energiewende billiger. Die Effizienzsteigerung nutzt die Flächen immer besser aus. Aus den heute installierten ca. 50 GWp könnte man absehbar fast 100 GWp machen- sofern wir den Bestand in den kommenden Jahrzehnten entsprechen nutzen. „Also 100 GWp haben schon mal …“ könnte man zwar sagen, aber mit Blick auf wohl eher 400 GWp plus x. Von denen Stand heute 250-500 GWp an baulichen Anlagen denkbar sind. Für den heutigen Netto-Strombedarf wären schon heute nur ca. 2% der landwirtschaftlichen Flächen in Deutschland nötig; diese Flächen sind dann an Paradies für die Artenvielfalt und den Boden darunter. Neue Produkte werden auf der Basis billiger Zellen und neuer Konzepte auch für den Bereich der standardisierten und individuellen Gebäudeintegration entstehen – und so die gewaltigen Potenziale besser nutzbar machen. Das braucht noch etwas mehr Zeit und Anstöße als im Freiland, es kommt aber sicher, denn zu klar sind die Vorteile einer Nutzung als Bauteile kombiniert mit Energieproduktion vor Ort.
Solar macht den Job jetzt
Solar wird den Job machen – in der gesamten EU. Vor Ort und in den jeweiligen Ländern. Zu Kosten unterhalb jeder fossil/nuklearen Energieversorgung. Schon heute und immer stärker jedes Jahr. Und außerdem nicht nur naturverträglich, sondern Arten und Böden fördernd.
Rahmenbedingungen, Rahmenbedingungen, Rahmenbedingungen
Die Wirtschaft will billigen grünen Strom, die Bürger wollen ihn. Er ist sowohl aus Solar- als auch aus Windanlagen verfügbar und muss nun rasch viel massiver entwickelt werden. Wie es u.a. die Bundesregierung ja auch gegenüber der EU unterschrieben hat. Nun gilt es, die vielfältigen Rahmenbedingungen richtig zu setzen. Und nicht länger als bis 2012 noch notwendig, um Centbeträge von EEG-Förderungen zu streiten. Daran arbeiten wir nun intensiver denn je im Bundesverband neue Energiewirtschaft BNE, mehr dazu in Kürze oder beim Forum Neue Energiewelt am 21. und 22.11.2019.
->Quelle und mehr: