„Sicherheitsabstand“ stößt auf Widerstand – „droht Wirtschaft lahmzulegen“
Gewerkschaften und Industrie machen Front gegen Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaiers Windenergie-Pläne. Besonders auf Widerstand stößt der Sicherheitsabstand von einem Kilometer zu Siedlungen, schreibt das Internetportal euractiv in einer Zusammenfassung.
“Die geplanten Einschränkungen der Windenergie an Land stellen die Realisierbarkeit sämtlicher energie- und klimapolitischen Ziele der Bundesregierung infrage”, heißt es in einem am 13.11.2019 veröffentlichten Brief an den CDU-Politiker. Man fordere ihn auf, Schritte in diese Richtung auszuschließen. Im Kern kritisieren der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), die Windbranche und der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) die geplanten Mindestabstände von Windrädern zu Wohnhäusern. Diesen Abstand hatte Altmaier in einem Gesetzentwurf auf 1.000 Meter von einer Ansammlung mit mindestens fünf Wohngebäuden festgelegt.
Die Bundesregierung will unter anderem damit der gesunkenen Akzeptanz von Windparks entgegenwirken, heißt es. Der Ausbau ist in den letzten Monaten eingebrochen, in der Branche gingen Tausende Arbeitsplätze verloren.
Der Mindestabstand zwischen Windrädern und Siedlungen „könnte die deutsche Wirtschaft lahmlegen“, schrieb Christian Schaudwet im Berliner Tagesspiegel: Bis zu 680 MW, den Verbrauch einer Großstadt, werde Teslas geplante Gigafactory bei Berlin benötigen. Elon Musk verlange aber für alle seine Gigafactories Grünstrom. Und auch Google, Facebook und Apple machen Versorgunsicherheit mit Erneuerbaren Energien zur Bedingung für die Ansiedlung ihrer Rechenzentren. Günstige nachhaltige Energie werde zum Entscheidungskriterium. Die Euphorie Altmaiers und Scheuers über Teslas Ankündigung wirke „vor diesem Hintergrund bigott“ (so Schaudwet wörtlich). Denn Musk müsse befürchten, dass die deutsche Energiewirtschaft gar nicht genug Grünstrom liefern könne. Altmaiers Mindestabstands-Regelung beschneide die verfügbare Fläche für Windparks drastisch und lege den Ausbau der Windenergie im Land endgültig lahm.“ Man müsse hoffen, dass der unter anderem Umweltministerin Svenja Schulze angekündigte Widerstand Erfolg habe.
Das VorhabenAltmaiers hatte auch Kritik bei Opposition und Umweltverbänden ausgelöst, aber auch im SPD-geführten Umweltministerium für Skepsis gesorgt. Die vorgeschriebene Verbände-Anhörung wurde vorerst gestoppt.
Altmaier wehrte sich in einer Befragung im Bundestag: Ob der Maßstab wirklich eine Siedlung von fünf Wohngebäuden bleibe, werde derzeit unter den Ministerien diskutiert. Am Ende werde ohnehin der Bundestag entscheiden. Insgesamt sei es ein ausgewogenes Paket, das neben den Abstandsregeln auch neue Flächen vorsehe. Zudem könnten Länder und Kommunen auch von einer bundesweiten 1.000-Meter-Regel abweichen und andere Vorgaben beschließen.
Der Minister verwies zudem darauf, dass der Ausbau der Windenergie in vorherigen Jahren lange stürmisch verlaufen sei. “Der Rückgang beim Ausbau der Windenergie an Land hat überhaupt nichts zu tun mit irgendwelchen Beschlüssen im Klimakabinett zur Frage von Abstandsregelungen.” Diese seien ja schließlich noch gar nicht umgesetzt.
Die Verbände kritisieren jedoch, der Ausbau würde mit den Regeln “auf lange Zeit massiv erschwert, unter Umständen sogar zum Erliegen kommen”. Und dies “ohne jeglichen Mehrwert für die Verbesserung der Akzeptanz bei den betroffenen Anwohnerinnen und Anwohnern”, heißt es. “Es ist uns unerklärlich, dass an einer Regelung zu bundeseinheitlichen Mindestabständen festgehalten wird, obwohl klar ist, dass damit das Ziel von 65 Prozent Erneuerbare Energien in 2030 nicht gehalten werden kann.” Dieser Anteil am Stromverbrauch gilt als Voraussetzung für das Abschalten von Kohlekraftwerken und das Erreichen der Klimaziele.
Schon jetzt 40.000 Jobs verloren
Laut Bundesverband WindEnergie (BWE) liegt dem ZDF ein Gutachten des BMWi vor, wonach die vorgesehene neue Abstandsregelung für Windenergieanlagen an Land bis zu 40% der verfügbaren Flächen ausschließen würde. Das bisher zurückgehaltene Gutachten bestätige die Einschätzung des Umweltbundesamts, dass die Einführung pauschaler Abstandsregelungen von 1.000 Meter den Ausbau der Windenergie durch eine Beschneidung der Flächen massiv bedrohe. Im schlimmsten Fall drohe ab 2021 sogar ein Nettorückbau von installierter Leistung.
Die Windbranche hat bereits jetzt durch die schweren, restriktiven Eingriffe der Bundesregierung rund 40.000 Stellen abbauen müssen. Mit einer harten Umsetzung der Abstandsregeln beschleunige die Bundesregierung bewusst den weiteren Abbau von Wertschöpfung und Beschäftigung. Diese Maßnahmen erzeugten zudem eine Ökostromlücke und gefährdeten die Versorgung der E-Mobilität und der deutschen Industrie mit Erneuerbarer Energie, warnte BWE-Präsident Hermann Albers:
„Der Bundesverband WindEnergie warnt schon seit Beginn der Debatte vor einer pauschalen Abstandsregelung. Die Bundesregierung steuert ungeachtet aller Warnungen und sehenden Auges auf eine Ökostromlücke zu. Statt Blockaden zu lösen, werden neue Restriktionen aufgebaut. Das bedroht nicht nur die Existenz des breiten Wertschöpfungsnetzwerks Windenergie, sondern gefährdet die Versorgungssicherheit Deutschlands und die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Industrie. In allen seriösen Studien bildet die Windenergie das zentrale Rückgrat des zukünftigen Energiesystems. Ohne Not setzt die Bundesregierung eine Zukunftstechnologie weiter unter Druck und gefährdet damit gute Arbeitsplätze. Auch industrie- und klimapolitisch ist der Kurs nicht nachvollziehbar“, erklärt Hermann Albers, Präsident Bundesverband WindEnergie.
Der am 12.11.2019 veröffentlichte Gesetzentwurf zum Kohleausstieg und zu den Erneuerbaren Energien soll bald im Kabinett beschlossen werden.
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