Regierung erwartet bis 2030 sinkenden Stromverbrauch – eine fatale Annahme, so der BEE
Die Bundesregierung unterschätze systematisch die Sektorenkopplung warnt Simone Peter, Präsidentin des Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE), bei einem Fachdialog des BEE am 29.11.2019. Doch für den Klimaschutz ist die Sektorenkopplung unausweichlich. Verkehr und Wärme müssen unabhängig von fossilen Brennstoffen und mit Erneuerbaren Energien betrieben werden. Zwar geht die Bundesregierung 2030 von einer stärkeren Sektorenkopplung aus, im gleichen Zuge aber auch von einem sinkenden Stromverbrauch. Von 593 Terrawattstunden (TWh) würde der Stromverbrauch durch Energieeffizienzmaßnahmen 2030 auf 572 TWh sinken, wie Manuel Först am 03.12.2019 für energiezukunft schrieb.
Betrachtet man den herkömmlichen Stromverbrauch, geht der BEE in einem eigens erstellten Szenario ebenfalls von einem sinkenden Stromkonsum aus – 65 TWh würden dank Effizienzerfolgen wegfallen. Der BEE warnt jedoch davor, dass in der Vergangenheit zu optimistische Annahmen über Einsparungen getroffen wurden. Wirtschaftswachstum und Digitalisierung haben stets Effizienzerfolge kompensiert. Unter Einberechnung der wachsenden Sektorenkopplung indes, steht den Einsparungen, laut BEE, ein deutlicher Mehrverbrauch von 206 TWh gegenüber. Soll – wie von der Bundesregierung beschlossen – der Anteil Erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch 65 Prozent betragen, müssten entsprechend 481 TWh Ökostrom ins Netz fließen. Im Szenario der Bundesregierung hingegen würden bei 65 Prozent nur 382 TWh regenerativen Stroms ins Netz fließen. Für den BEE besteht damit die Gefahr einer Ökostromlücke von fast 100 TWh im Jahr 2030.
Und mit den aktuell bestehenden Ausbauhemnissen bei den Erneuerbaren Energien, ist das 65 Prozent-Ziel ohnehin in Gefahr, wie Frank Peter von der Agora Energiewende warnt. „Mit dem Einbruch der Windkraft ist kein wirklicher Zuwachs bis 2021 zu erwarten. So erreichen wir 2030 nur einen Erneuerbaren Energieanteil von 55 Prozent“, so Peter. Folgt man hingegen dem Szenario des BEE, müssten Erneuerbare Energien bis 2030 jährlich in folgendem Rahmen ausgebaut werden: 4.700 MW Windenergie-Onshore; 1.200 MW Windenergie-Offshore; 10.000 MW Photovoltaik; 600 MW Bioenergie; 50 MW Wasserkraft; 50 MW Geothermie.
„Es ist alternativlos die Erneuerbaren Energien in Deutschland auszubauen“
Die Bundesregierung hingegen geht in ihren Szenarien für 2030 zusätzlich von hohen Energieimporten aus. Martin Robinius vom Forschungszentrum Jülich weißt jedoch daraufhin, dass für die Zukunft europaweit mit virtuellen Energieimporten gerechnet wird. Und Martin Altrock, Anwalt und Rechtsexperte für Erneuerbare Energien, erklärt: „Es ist alternativlos die Erneuerbaren Energien in Deutschland auszubauen.“ Dies sei auch für die Wertschöpfung ein wichtiger Faktor. Im Gegensatz zu Energieimporten, wie dem angedachten Wasserstoff, würde die Windenergie langfristig wirtschaftlichen Aufschwung bringen und den Staat nicht zusätzlich belasten.
Mit Klaus Mindrup von der SPD, Lukas Köhler von der FDP und Lisa Badum von den Grünen waren auch Abgeordnete des Bundestags auf dem Fachdialog des BEE dabei. Nicht anwesend hingegen war ein Vertreter der Union. Die CDU verweigere sich seit Beginn der Legislaturperiode der Diskussion auf entsprechenden Veranstaltungen kritisiert Badum. Klaus Mindrup hingegen stellte sich als Vertreter der Regierung der Diskussion und ging mit den Vorgängen im Wirtschaftsministerium hart ins Gericht. Er verstehe nicht, wie das Wirtschaftsministerium von sinkenden Stromverbräuchen ausgehe. „Wie bescheuert kann man eigentlich sein“, so Mindrup.
Auch gebe es eine Minderheit in der CDU, die „ihre Partei in Geiselhaft“ nehme und den Windkraftausbau verhindere. Damit spielt Mindrup unter anderem auf einflussreiche Gegner der Windkraft im Wirtschaftsministerium an. Leiterin der Abteilung „Energiepolitik – Strom und Netze“ ist mit Stephanie von Ahlfeldt eine Vertraute von Carsten Linnemann und Michael Fuchs, die innerhalb der Union seit Jahren die Energiewende bekämpfen. Darüber hinaus arbeitet der Vorsitzende der Initiative „Vernunftkraft“ Nikolai Ziegler ebenfalls im Wirtschaftsministerium, mit besten Kontakten zu Entscheidern der Energiepolitik. „Vernunftkraft“ ist ein bundesweites Netzwerk, das den weiteren Ausbau der Windkraft verhindern will und dabei zu Teilen den menschengemachten Klimawandel anzweifelt. mf
->Quelle: energiezukunft.eu/politik/es-droht-eine-riesige-oekostromluecke