CO2-Preis evtl. GG-widrig

„Verfassungsrechtliche Bedenken“: Gutachter zweifeln an neuer Steuer

Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann hat zwar gemeinsam mit Hessens Bouffier den Klimakompromiss im Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag festgeklopft, aber Medienberichten (Wirtschaftswoche u.a.) zufolge zugleich bei der ein Gutachten in Auftrag gegeben: Dessen Autoren sehen ein hohes Risiko, dass der CO2-Preis im deutschen Klimapaket gegen das Grundgesetz verstößt.

Es geht darum, ob der geplante CO2-Preis einer Steuer gleicht. Denn die hatte der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags schon im August als grundgesetzwidrig eingeschätzt. Laut Ratzmann wurden die Bedenken aber zurückgestellt, denn Kanzleramt und Finanzministerium seien nicht dieser Auffassung gewesen. Für Gewissheit könne jedoch nur eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sorgen. Der CO2-Preis soll dem Klimakompromiss zufolge ab 2021 für Verkehr und Gebäude mit 25 Euro pro Tonne starten und bis 2025 auf 55 Euro steigen. 2026 soll ein Preiskorridor zwischen 55 und 65 Euro pro Emissionszertifikat festgelegt werden.

„CO2-Preis auf wackeligen Füßen“ – „hohes Risiko, vom Bundesverfassungsgericht gekippt zu werden“

Das Gutachten der Stiftung Umweltenergierecht „Weder Emissionshandel, noch Steuer – CO2-Preis auf wackeligen Füßen“ vom 15.12.2019 untersucht das bereits zuvor verabschiedete Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG – https://dipbt.bundestag.de/extrakt/ba/WP19/2546/254699.html): „Mit großer Eile hat die Koalition ihre Entscheidung für einen nationalen Emissionshandel im Verkehrs- und Wärmebereich umgesetzt. Das verfassungsrechtliche Risiko, das mit dem gewählten Modell einhergeht, hat Thorsten Müller von der Stiftung Umweltenergierecht in der Sachverständigenanhörung des Bundestags am 6.11.2019 deutlich aufgezeigt.“

„Damals äußerte Müller tiefgreifende verfassungsrechtliche Bedenken. Sie resultierten daraus, dass sich der für die Jahre 2021 bis 2025 geplante Fixpreis nicht an die Anforderungen halte, die das Bundesverfassungsgericht anhand des bestehenden europäischen Emissionshandels aufgestellt hat. Die verfassungsrechtliche Vereinbarkeit müsste über eine andere Begründung sichergestellt werden. Dies erscheine aber nicht möglich. Es handle sich weder um eine schlichte Verwaltungsgebühr, noch um eine zulässige Steuer oder eine zulässige Sonderabgabe.“ (heute im bundestagbundestag.de/hib=mod454590)

Gutachten Stiftung Umweltenergierecht BEHG – Titel

Die Stiftung in ihrem 20seitigen Gutachten weiter: „Mit dem BEHG hat die Koalition ein Modell der CO2-Bepreisung gewählt, dem ein hohes Risiko anhaftet, vom Bundesverfassungsgericht gekippt zu werden. Worum geht es? Nach dem neuen Gesetz sollen Brennstoffhändler ab 2021 innerhalb einer fünfjährigen Einführungsphase Zertifikate für das Inverkehrbringen von fossilen Brennstoffen erwerben müssen, deren Preis – wie bei einer Steuer – gesetzlich festgelegt wird. Dabei werden die Zertifikate aber nicht wie beim klassischen Emissionshandel budgetiert, sondern nach Bedarf ausgegeben. Das Problem ist, dass sich dieses Hybridmodell zwischen Emissionshandel und Steuer allen gängigen fiskalischen Handlungsformen und damit auch deren Rechtfertigungsmustern entzieht.“
Müller: „Die Zahlungen nach dem BEHG genügen weder den Anforderungen an eine Abschöpfungsabgabe, wie beim Emissionshandel, noch den Kriterien an die Gesetzgebungskompetenz einer Verbrauchssteuer. Es handelt sich auch nicht um eine Gebühr. Für die Annahme einer bloßen Übergangsvorschrift hingegen läuft die Einführungsphase mit fünf Jahren wohl zu lang.“

Hohes Haushaltsrisiko bei Rückerstattung

Sollte das Bundesverfassungsgericht früher oder später dazu entscheiden müssen und seine bisherige Rechtsprechung nicht ändern, stünde – so das Gutachten – „die Möglichkeit im Raum, dass es nicht nur die Unvereinbarkeit des BEHG mit dem Grundgesetz erklärt, sondern ggf. auch die Rückzahlung der bis dahin geflossenen Zahlungen nach dem Gesetz anordnet. In seiner Entscheidung zur Unzulässigkeit der Kernbrennstoffsteuer im Juni 2017 etwa war dies auch der Fall. Damit stellt das BEHG auch ein großes fiskalisches Risiko dar. Denn wenn all die Einnahmen, die im Rahmen des Klimapakets aus der CO2-Bepreisung finanziert werden sollen, am Ende gar nicht zur Verfügung stehen, reißt dies eine große Lücke in die Haushaltspläne. Deshalb hat die Stiftung Umweltenergierecht alternative Wege der CO2-Bepreisung aufgezeigt, die keinem verfassungsrechtlichen Risiko unterliegen – etwa über eine Fortentwicklung der Energiesteuer, deren Höhe sich nach der CO2-Intensität des Primärenergieträgers richtet.“

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