Chef der Wirtschaftsweisen verlangt, Pendlerpauschale abzuschaffen

Pendeln über große Distanzen wird belohnt – „der falsche Weg“

Christoph M. Schmidt, Präsident des RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung sowie Vorsitzender des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, hat der Bundesregierung in der Rheinischen Post vom 24.12.2019 vorgeworfen, sie sende klimapolitisch „das falsche Signal“, denn die Erhöhung der Pendlerpauschale belohne das Pendeln über lange Distanzen. Pendler mit höherem Einkommen würden damit sogar belohnt. Schmidt forderte daher die Abschaffung der Pauschale.

Verkehr auf Berliner Stadtautobahn – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Schmidt wörtlich: „Die Pendlerpauschale führt zur Zersiedlung der Landschaft. Sie belohnt Menschen dafür, dass sie freiwillig mitunter sehr weit entfernt von ihrem Arbeitsort leben. Aus ökonomischer Sicht müsste man die Pendlerpauschale abschaffen“. Der immer wieder zitierte „soziale Ausgleich“ geschehe besser über eine Klimadividende, also eine Direktausschüttung von Einnahmen aus dem CO2-Preis an die Bürger – oder, wie im Klimapaket der Bundesregierung vorgesehen, eine Absenkung der EEG-Umlage. Die aber wird erst einmal steigen.

Er verstehe zwar den Wunsch, sozialen Ausgleich zu schaffen, „doch der Wunsch wird vermischt mit der Angst vor transparenter Bepreisung. Dabei erzeugen Preise nicht die Kosten der Energiewende, sie legen diese nur offen.“Schmidt nannte den ersten Anlauf zum Klimapaket „schon enttäuschend, weil der Einstieg in die CO2-Bepreisung mit zehn Euro pro Tonne angesichts des bescheiden ansteigenden Preispfads viel zu gering war. Es ist gut, dass die Regierung nun den Anfangspreis auf 25 Euro erhöht“. Das sei auch der derzeit normale Emissionshandelspreis. Das bedeute zumindest einen realistischen Preis für Verschmutzung – „das Glas ist also halb voll. Die Kleinteiligkeit der ergänzenden Maßnahmen aber bleibt problematisch“.

Kein Stadt-Land-Gefälle

Schmidt kann kaum Unterschiede erkennen, wenn er sich die Effekte der CO2-Bepreisung anschaut: „Auf dem Land fahren Menschen zwar mehr Auto, Städter mit höherem Einkommen verursachen aber mehr CO2-Emmissionen etwa durch Reisen oder Konsumgewohnheiten. Die Emissionen hängen vor allem vom Einkommen und der Größe des Haushalts ab, es gibt so gut wie kein Stadt-Land-Gefälle.“

Zum Thema Kohleausstieg nannte es Schmidt schade, dass die Regierung der CO2-Bepreisung nicht traue, sondern zusätzlich ein politisches Datum für den Ausstieg in einem eigentlich bereits von der Bepreisung abgedeckten Bereich festlege. „Jetzt sollte die Regierung wenigstens auch schritthaltend mit der Abschaltung die entsprechende Anzahl von Verschmutzungszertifikate im europäischen Emissionshandel stilllegen. Sonst werden diese Zertifikate an anderer Stelle eingesetzt, und an der Menge der Emissionen ändert sich trotz des Ausstiegs aus der Kohleverstromung gar nichts.“ Der Verfechter der Marktwirtschaft würde allein auf die CO2-Bepreisung setzen, dann würde der Ausstieg aus fossilen Energieträgern so erfolgen, wie es am effizientesten ist: „Dem Klima ist es nämlich egal, ob eine Tonne CO2 aus dem Verkehr oder dem Kraftwerk kommt. Der Markt sucht dabei die kostengünstigste Vermeidung, allerdings bedient er auch keine Freundschaften und ist somit gnadenlos fair.“

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