Vortrag von Robert Schlögl auf ARD-alpha
„Keine Energiewende ohne Katalyse“ hatte Prof. Robert Schlögl, Gründungsdirektor des Max-Planck-Instituts für Chemische Energiekonversion, Mülheim a.d. Ruhr und Direktor Anorganische Chemie am Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft in Berlin, seinen Vortrag in der Reihe Campus Talks im Kanal ARD-alpha am 13.01.2020 überschrieben. Er zeigte auf, wie ein defossilisiertes (Schlögl: „nicht dekarbonisiertes“) Energiesystem und die Energiewende als Weg dorthin möglich wären. Er beklagte aber auch, dass die Politik die falschen Ansagen mache. Solarify dokumentiert.
Der Vortrag
„Ich bin Robert Schlögl und erzähle Ihnen etwas über die Energiewende. Jetzt werden Sie sagen: Schon wieder Energiewende! Mein Gott – muss das sein? Die Energiewende bei uns in Deutschland hat manchmal ein bisschen einen schlechten Ruf, weil wir eigentlich im Wesentlichen eher negative Dinge darüber hören. Das liegt zum Teil daran, dass manche Leute langsam feststellen, dass der einfache Weg – wir ersetzen die vorhandenen Kraftwerke durch Windräder und Sonnenkollektoren und dann ist alles gut – vielleicht doch nicht ganz so einfach ist (vielleicht braucht man ein paar mehr Windräder…). Und dann stellen wir fest: Wir diskutieren seit 10 Jahren darüber, welche Ziele wir erreichen wollen, auf wie viel Prozent wir absenken wollen. Aber der Weg dahin, der wird dann nicht so genau diskutiert. Das machen andere Länder in Europa besser: Die haben auch eine Zieldiskussion geführt, aber die haben nach einiger Zeit begonnen nach dem Weg zu suchen. Und die haben inzwischen mit gesetzlichen Maßnahmen und mit der Industrie als Geldgeber angefangen, ihre Energiesysteme tatsächlich zu defossilisieren – nicht: zu ‚dekarbonisieren‘.
So weit, so gut. Jetzt haben wir das als Problem: Wir reden zwar viel drüber, aber uns fehlt eigentlich der große Plan. Und was ich Ihnen jetzt in den nächsten 13 Minuten erzählen möchte: Wie könnte denn eigentlich so ein Plan ausschauen? Dazu brauchen wir zuerst ein paar Definitionen, damit wir uns alle richtig verstehen, was eigentlich was ist. Und eine wichtige Definition ist: Was ist ‚erneuerbar‘? und: Was ist ‚grün‘? (nicht die politische Farbe, die kennen Sie auch, aber im Kontext der Energie). ‚Erneuerbar‘, das wissen wir alle, ist die Energie, die von der Sonne kommt, die kommt zu uns auf die Erde in Form von Elektrizität, die mittels Windrädern und von Sonnenkollektoren geliefert wird. Das ist natürlich richtig, das ist alles erneuerbar – ist aber leider nicht vollständig.
Es gibt auch andere Formen von Erneuerbarer Energie: Und zwar die, die aus dem Boden kommt; auf die möchte ich heute nicht eingehen. Man kann natürlich Erneuerbare Energie auch umwandeln: Wenn man sie umwandeln möchte, dann ist es vielleicht eine gute Überlegung, über grüne Brennstoffe nachzudenken – was sind grüne Brennstoffe? Das sind alle Arten von Brennstoffen, die wir so auch kennen – mit dem großen Unterschied, dass bei der Herstellung und bei der Benutzung kein Kohlendioxid in die Atmosphäre ausgestoßen wird und auch kein Kohlendioxid in die Erde verpresst werden muss, sondern es wird ein Kreislauf gebildet – also alle Stoffe, die wir zur Energiewandlung benutzen können, und die dabei keine schädlichen Stoffe in die Atmosphäre und die Erde abgeben, sind per se grün. Das heißt: Auch Stoffe, die Kohlenstoff enthalten, dürfen wir ohne weiteres als grün anschauen, solange sie diese Bedingung erfüllen.
Aber jetzt kommt die interessante Frage: Wo ist der Haken an der Sache? Und wir wissen schon, wo der Haken ist: Erneuerbare Energien sind nicht immer verfügbar; es gibt dunkle Nächte, bekannterweise, und hin und wieder weht auch kein Wind. Wenn das auftritt, brauchen wir Speicher. Es wird viel über Speicher diskutiert, und wir wissen natürlich, Batterien sind Speicher; es gibt auch thermische Speicher. Aber damit Sie ein Gefühl kriegen, dass diese Speicher nicht ausreichen, gebe ich Ihnen eine Zahl: Wenn man sich vorstellt, alle 48 Millionen Autos in Deutschland wären schon Elektroautos und man würde alle Batterien gleichzeitig laden und dann alle diese Batterien auf einmal ins deutsche Stromnetz entladen, dann würde das genau für eine Stunde reichen, um Deutschland mit Strom zu versorgen. Das Jahr hat aber 8.700 Stunden und somit stellen Sie fest: Hier fehlt uns etwas – und zwar ziemlich viel.
Deswegen muss man sich die Frage stellen, wie löst man das ‚Ziemlich-viel‘-Problem? Da kommen jetzt andere Speicher in unseren Blickwinkel, nämlich sogenannte chemische Speicher, oder chemische Batterien. Wenn Sie jetzt sagen ‚Chemische Speicher, chemische Batterien, das habe ich noch nie gehört.‘ Und das glaube ich Ihnen auch. Es gibt auch viele Leute, die die Energiewende designen, die haben da auch noch nichts davon gehört, obwohl sie es eigentlich gehört haben sollten. Jetzt erkläre ich Ihnen ganz kurz, wie man das macht. Eine chemische Batterie ist so etwas Ähnliches wie ein Kraftwerk, oder eine Raffinerie, eine große chemische Anlage. Die ist in der Lage, die Brennstoffe, die wir grün hergestellt haben, in alle Energieformen zu verwandeln, die wir brauchen.
Jetzt werden Sie natürlich fragen: Wie macht man einen grünen Brennstoff? Das machen wir erstens nicht in Deutschland. Wir machen es vielleicht in Spanien, wir machen es in Sizilien, wir machen es in der Mongolei, wir machen es in Afrika, wir machen es in Feuerland – dort gibt es nämlich sehr viel Erneuerbare Energien aus Wind, die wir billig in Strom verwandeln können. Und dann verwenden wir ein Gerät, das der Chemiker Elektrolyseur nennt. Dieser Elektrolyseur kann Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff zerlegen. Da sagen unsere Kritiker dann: Dabei wird aber sehr viel Energie verbraucht. Das ist richtig, aber das wollen sie ja, denn bei dieser Gelegenheit wird die Energie, die von Sonne und Wind kommt, in das Wasserstoffmolekül transferiert. Das ist der Grund, warum wir einen Speicher haben, das heißt, Wasserstoff ist ein sehr guter chemischer Speicher. Man könnte eine Batterie mit Wasserstoff bauen. Das Problem ist nur: Es nutzt wenig, wenn die Batterie in Feuerland steht. Denn wir brauchen die Batterie ja hier bei uns.
Folgt: Transport kostet nur 0,1 Prozent des Brennstoffwertes