Streit zwischen Senat und Hafenverwaltung
„Bis vor wenigen Tagen war SF nur Chemiedoktoren und Hafeninsidern ein Begriff – nun ist es zum Politikum geworden,“ schreibt das Hamburger Abendblatt am 15.01.2020. Denn im Hamburger Hafen (und nicht nur dort) wird immer öfter ein Gas verwendet, das sich 4.090 mal so stark aufs Klima auswirkt wie CO2: das Insektizid Sulfuryldifluorid, SO2F2, kurz SF, wird zum Beispiel beim Export von Holz und Nüssen eingesetzt, damit keine Schädlinge ins Zielland eingeschleppt werden. Das hochgiftige Gas wird zum Schutz vor Stinkwanzen eingesetzt, wird von Staaten wie China oder Australien zwingend für Importgüter vorschreiben und hat eine verheerende Klimabilanz, so der NDR.
Im Hafen der Hansestadt werden die Container für den Export deshalb mit SF behandelt. Eine Ursache für den Anstieg ist laut Umweltbehörde ein Anstieg bei den Holzexporten: Deutschland habe in den vergangenen zwei Jahren viel sogenanntes Bruchholz ins Ausland verschifft (NDR). Die Hamburger Morgenpost berichtet („Einsatz des Klimakiller-Gases hat sich verzwölffacht!“) unter Berufung auf das Hamburger Abendblatt (das wiederum aus einer Anfrage des Umweltpolitikers Stephan Jersch von der Linken zitierte), dass der Einsatz des hochgiftigen Gases aufgrund des wachsenden Holz-Exports immer weiter gestiegen ist: „Von 17 Tonnen 2015 auf 51,2 Tonnen 2018 und schließlich bis hin zum Rekordwert von 203,7 Tonnen im vergangenen Jahr. Die Dimension dieser Menge ist „verheerend“ (Morgenpost). Denn 203,7 Tonnen Sulfuryldifluorid entsprechen 833.000 Tonnen CO2. Außerdem ist das Gas stark gesundheitsschädlich, gilt laut Senat als„akut toxisch und giftig beim Einatmen“.
Die Hamburger Umweltbehörde will sich nach eigenen Angaben spätestens bei der Umweltministerkonferenz der Länder im Mai für ein bundesweites Verbot von Sulfuryldiflorid bei Holzexporten einsetzen. Zumindest für das sogenannte Verpackungsholz wie etwa Paletten gebe es auch klimaverträglichere Methoden, um Schädlinge vor dem Export zu bekämpfen.
Die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) wehrt sich gegen Vorwürfe
Die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) wehrt sich gegen die Vorwürfe. In einer Medienmitteilung stellt sie akribisch den Ablauf dar, dass sich nämlich „aufgrund neuer Regularien in Ländern wie Australien und Neuseeland die Anforderungen an die Begasung von Exportcontainern aus der EU in die entsprechenden Empfängerländer erhöht“ hätten. Die HHLA habe sich darauf eingestellt, die Einfuhrbestimmungen dieser Länder zu erfüllen. Entsprechend habe die Behörde für Umwelt und Energie im September 2019 erstmals 20 Begasungsplätze genehmigt. Die HHLA: „Vor diesem Hintergrund sind Äußerungen der Umweltbehörde nicht nachvollziehbar, dass man direkte und frühzeitige Hinweise der Hafenwirtschaft auf den drastisch gestiegenen Einsatz dieses ‚Klimakillergases‘ als hilfreich empfunden hätte. Die Anforderungen waren bekannt, und die entsprechenden Genehmigungen wurden von der Umweltbehörde selbst erteilt.“
Weiter sei auch die Frage an die Zielländer, die eine Begasung vorschrieben, „ob der Schutz vor Schädlingen oder des Klimas höher zu bewerten sei, widerspricht geltendem Recht. Auch die EU schreibt bestimmten Ländern, die Container in die EU einführen wollen, die Begasung vor. Einige dieser Länder benutzen dafür weiterhin Methylbromid, das seit 2006 in der EU verboten und durch Sulfuryldifluorid ersetzt wurde.“
Das Problem in Zahlen: „Die HHLA hat drei Standorte, für die eine Genehmigung zur Begasung mit Sulfuryldifluorid von der Umweltbehörde vorliegt: Am Unikai, Container Terminal Altenwerder und Container Terminal Burchardkai wurden 2019 zusammen ca. 650 Container durch zertifizierte Fachfirmen mit Sulfuryldifluorid begast. Das jährliche Umschlagvolumen der HHLA liegt in Hamburg bei 8,7 Millionen Standardcontainern. Bei der Begasung wurden ca. 1.255 Kilogramm Sulfuryldifluorid eingesetzt.“
Unmut bei der Hafenwirtschaft
Der Unmut der Hafenwirtschaft ist laut Abendblatt so groß, dass Norman Zurke, der Hauptgeschäftsführer des Unternehmensverbands Hafen Hamburg, einen Brandbrief an den Bürgermeister und den Wirtschaftssenator geschickt hat. Darin zeigt er sich „mehr als irritiert“ über die Umweltbehörde. Die Genehmigungen für den Einsatz von Sulfuryldifluorid würden von den Behörden erteilt. „Wenn es daher ein Kommunikationsdefizit gibt, dann offenbar zwischen den Hamburger Behörden“, heißt es in dem Brief.
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