„Die Emotionen mit den Fakten versöhnen“
Wie versöhnt man diejenigen, die an den Klimawandel einfach nicht glauben wollen und die so tun, als wäre das eine Glaubensfrage? Für mich aber ist das eine klassische Frage einer angesichts wissenschaftlicher Daten völlig klaren Evidenz. Aber da wir in einer Zeit leben, in der Fakten mit Emotionen konkurrieren, kann man immer versuchen, durch Emotionen eine Antifaktizität zu schaffen, die dann genauso wichtig ist. Das heißt also, wir müssen die Emotionen mit den Fakten versöhnen. Das ist vielleicht die größte gesellschaftliche Aufgabe. Um diese anzugehen, setzt zumindest voraus, dass man miteinander spricht. Die Unversöhnlichkeit und die Sprachlosigkeit, die zum Teil zwischen denen herrschen, die den Klimawandel leugnen, und denen, die ihn sehen und dafür kämpfen, dass wir ihn bewältigen, müssen überwunden werden.
Hier sprechen viele Menschen miteinander, die sonst selten miteinander sprechen, aber es sprechen nicht ausreichend viele Menschen miteinander. Wenn wir in eine Welt hineingehen, in der die Sprachlosigkeit vielleicht manchmal noch größer als im Kalten Krieg ist, als es ziemlich geordnete Austauschmechanismen gab, dann haben wir ein Problem. Deshalb plädiere ich dafür, dass man, wenn es auch noch so schwer-fällt, sich austauscht – auch zwischen Gruppen mit den kontroversesten Meinungen –, weil man ansonsten nur in seinen Vorurteilen und seinen Blasen lebt. Das macht sich im digitalen Zeitalter ja noch viel besser als in früheren Zeitaltern. Das könnte zum Verhängnis werden, und das muss überwunden werden.
„Preis des Nichthandelns sehr viel höher als der des Handelns“
Ich bin überzeugt, dass der Preis des Nichthandelns sehr viel höher als der des Handelns wäre. Wir setzen auf Innovation, auf Forschung. Wir glauben, dass die Industrieländer dabei eine Bringschuld haben. Die G-20-Mitgliedstaaten zum Beispiel erzeugen 80 Prozent der CO2-Emissionen. Das heißt, wir haben angesichts des Budgets an CO2, das wir schon aufgebraucht haben, eine technologische Verpflichtung dazu, auch innovative Wege zu gehen.
Nun habe ich mich gefreut, dass der „Bloomberg Innovation Index“ Deutschland zu meiner Überraschung, wie ich ganz offen sage, 2020 auf Platz eins gesetzt hat [siehe: solarify.eu/deutschland-nr-1-im-bloomberg-innovations-index-2020]. Wir sind nicht so von der Sorte, dass wir den ganzen Tag darüber sprechen, was bei uns super läuft, denn meistens halten wir uns mit dem auf, was nicht so gut läuft. Da sind die Kulturen unterschiedlich. Aber wenn es um Bloomberg geht, dann können wir das ja ruhig einmal zitieren. Die gute Platzierung ist interessanterweise wesentlich darauf zurückführen, dass sich unsere Automobilindustrie, die ja ein Kernbereich der deutschen Wirtschaft ist, in einer Transformationsphase mit sehr hohen Investitionen in Forschung und Entwicklung befindet. Ob wir schnell genug sind, wird sich zeigen. Die Risiken werden in dieser Studie auch gleich aufgezeigt.
Wir setzen so weit wie möglich auf marktwirtschaftliche Mechanismen, aber natürlich auch auf Ordnungsrecht, wenn notwendig. Unser größter und schwierigster Bereich der Transformation ist, wie es im Augenblick aussieht, die Mobilität. Der Umstieg auf eine CO2-freie Mobilität ist eine Riesenherausforderung. Wir wissen ja alle: Allein durch die Herstellung einer Batterie und eines E-Autos sinken die CO2-Emissionen noch nicht, wenn man nicht alle Komponenten für eine Batterie so herstellt, dass sie CO2-frei sind. Das heißt, es gibt hier noch riesige Aufwendungen.
Wind- und Sonnenenergie nahe an Marktfähigkeit
Wir wollen den Weg der Transformation so gehen, dass wir auch selbst Innovationen bereitstellen. Es gibt zum Beispiel einen Aufschlag auf den Strompreis. Wir haben mit den höchsten Strompreis in Europa, weil wir die erneuerbaren Energien fördern und das auf den Strompreis umlegen. Pro Jahr geben die Bürgerinnen und Bürger Deutschlands 30 Milliarden Euro dafür aus, diesen Strom zu subventionieren, weil er noch nicht marktfähig ist. Das hat aber dazu geführt, dass wir zumindest bei den Technologien in Sachen Wind- und Sonnenenergie ganz nahe an die Marktfähigkeit herangekommen sind und diese Technologien nunmehr auch in Entwicklungsländern verkaufen und anwenden können, weil sie nicht die Erfindungs- und Entwicklungskosten tragen müssen. Damit wird Ländern, die ärmer sind, die aber auch einen viel geringeren Fußabdruck in Bezug auf CO2-Emissionen hinterlassen haben, ermöglicht, schneller in die neue Zeit hineinzukommen. Deutschland gibt gegenüber 2014 nun doppelt so viel Geld aus – vier Milliarden Euro pro Jahr –, um in den internationalen Klimaschutz zu investieren.
Damit sind wir auch schon bei der Frage: Wie entwickelt sich das nun außerhalb Europas? In Europa gibt es mehr oder weniger Wohlstandsvoraussetzungen. Es wird schwierig werden – ich habe darüber in Deutschland viel gesprochen –, die Menschen mitzunehmen und sozusagen keine retardierenden großen Gruppen zurückzulassen. Aber wenn wir uns manch andere Regionen der Welt anschauen, dann wissen wir, um wie viel schwieriger es ist, dort die Dinge voranzubringen, weil das dann auch oft etwas mit Krieg und Frieden und mit einer schwierigen wirtschaftlichen Situation zu tun hat und weil dort, wenn man sich Afrika oder auch Asien anschaut, zum großen Teil auch schon die Folgen von Klimawandel zu überwinden sind, bevor man überhaupt technologisch in die Lage versetzt wird, die richtigen Methoden anzuwenden.
Folgt: Multipolarität